Berlin. . Zoff am Gartenzaun: Nicht immer sind die schrecklichen Nachbarn tatsächlich so unverschämt wie wahrgenommen. Psychologen sagen: Viele mutmaßliche Opfer reagieren wegen eigener Komplexe besonders empfindlich.
Sie verpesten die Luft beim Grillen auf dem Balkon, mähen in der Zeit der Mittagsruhe ihren Rasen oder grüßen nicht. Das ist oft der Grundstein zu einem immer heftiger ausgetragenen Streit mit dem Nachbarn.
Hier der Täter und dort das Opfer - diese Unterscheidung scheint nur auf den ersten Blick klar. Bei dem, der sich ärgere, komme es immer auf die subjektive Belastbarkeit an, sagt die Psychologin Hildegard Belardi.
„Da hatte ich neulich gerade so einen Fall, da fand einer, dass ein Nachbar - und dann auch noch ein Ausländer - so unglaublich laut wäre“, erzählte sie. Er habe das Gefühl gehabt, der Lärm komme „von einem Feind, einem Fremden, der will mir was“. Dann habe der Mann bei seiner Freundin in einer anderen Stadt übernachtet und festgestellt: „Bei ihr ist es ja viel lauter als bei mir.“
Ob man sich gestört fühle, hänge von der persönlichen Befindlichkeit ab, sagt Belardi. „Opfer“ glaubten manchmal, der Nachbar wolle sie nur ärgern oder unterstellen ihm Böswilligkeit. In einem Fall der Psychologin aus Bergisch-Gladbach ging es um Kaninchen auf dem Balkon. „Und dann standen Frau Gift und Frau Galle wieder an der Tür und moserten“, berichtete der Freund einer Beteiligten.
Immer passiert mir sowas
Wer sich aggressiv verhalte, hat nach den Worten Belardis oft die Haltung „ich weiß es besser, und ich fühle mich dann besser, wenn ich jemanden dabei erwische, wenn er Fehler macht. Damit wertet er/sie sich dann selber auf“.
Bei „Opfern“ bestehe oft die Grunderwartung: Immer passiert mir das, mir wollen sie immer was. Belardi erklärt: „Das sind ganz, ganz frühe Empfindungen wirksam wie meine Schwester/Bruder ist immer vorgezogen worden, und jetzt muss ich aber wirklich was zeigen, dass ich mich nicht immer übergehen lasse.“
Damit sich Streitigkeiten nicht auswachsen, „sollten sich die Streitenden erst mal an die eigene Nase packen und überlegen, was passiert da gerade mit mir, was tue ich denn zu der Situation, warum kann ich jetzt den Rasenschnitt, den Apfelbaum, die Ligusterhecke und so weiter nicht ertragen?“, sagte Belardi. (dapd)