London. . Der ehemalige Bischof der Piusbruderschaft, Richard Williamson, ist nicht vor Gericht erschienen. Der 71-Jährige hatte in einem Fernsehinterview den Holocaust geleugnet und muss sich dafür verantworten. Ein erstes Urteil hatten weder er noch die Staatsanwälte akzeptiert.
In Abwesenheit des Angeklagten hat am Montag vor dem Regensburger Landgericht der Berufungsprozess gegen den britischen Holocaust-Leugner Richard Williamson begonnen. Der Bischof der erzkonservativen Piusbruderschaft hatte 2008 im oberpfälzischen Zaitzkofen einem schwedischen Fernsehteam ein Interview gegeben, in dem er die Existenz von Gaskammern zur NS-Zeit bestritt. Dafür war Williamson im April 2010 in erster Instanz wegen Volksverhetzung zu einer Geldstrafe von 10.000 Euro verurteilt worden.
In dem zunächst im schwedischen Fernsehen und später im Internet verbreiteten Interview hatte der heute 71-Jährige wörtlich gesagt: "Ich glaube, es gab keine Gaskammern." Außerdem sagte er: "Ich glaube nicht, dass sechs Millionen Juden in Deutschland vergast wurden." Nachdem wenig später das deutsche Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" über das Interview berichtet hatte, seien insgesamt zehn Strafanzeigen gegen Williamson eingegangen, sagte die Vorsitzende Richterin Birgit Eisvogel.
Anwälte: "Fangfragen haben Willamson verwirrt."
Die Anwälte des Bischofs betonten unter Berufung auf eine eidesstattliche Erkläung ihres Mandanten, Williamson sei von den schwedischen Fernsehjournalisten des Senders SVT mit "Fangfragen" verwirrt worden. Ursprünglich hätte sich das Interview lediglich um religiöse Fragen drehen sollen. Williamson sei außerdem davon ausgegangen, dass der Bericht ausschließlich im schwedischen Fernsehen gesendet und nicht übers Internet verbreitet werden würde.
Die Verteidigung hatte in erster Instanz auf Freispruch plädiert, weil Williamson davon ausgegangen sei, dass sein Interview ausschließlich in Schweden veröffentlich werde. Die Staatsanwaltschaft verlangte eine höhere Geldstrafe. Beide Seiten legten Rechtsmittel gegen das Urteil ein. In erster Instanz hatte Williamson eigentlich persönlich am Prozess teilnehmen wollen, die Priesterbruderschaft verbot ihm aber einen Auftritt.
Die Anwälte beantragten deshalb am Montag erneut die Vernehmung der schwedischen TV-Journalisten. Diese hatten zuvor - wie schon in erster Instanz - das Erscheinen vor einem deutschen Gericht abgelehnt. Nach Angaben des Gerichts hat auch die schwedische Regierung ein entsprechendes Rechtshilfeersuchen der deutschen Justiz bereits abgelehnt.
Der Rechtsberater der Piusbruderschaft, der Dresdner Anwalt Maximilian Krah, sagte als Zeuge vor Gericht, Williamsons Holocaust-Leugnung komme aus Überzeugung. "Der glaubt das", betonte Krah, der nach der Veröffentlichung des Interviews kurzzeitig das Mandat für den Bischof übernommen hatte.
Williamson galt schon bei den Piusbrüdern als "bunter Vogel"
Nach Krahs Angaben habe Williamson innerhalb der Bruderschaft als exzentrischer, "bunter Vogel" gegolten und keinen übergeordneten Einfluss besessen. Die Bischöfe der Piusbruderschaft seien in erster Linie für Priesterweihen und Firmungen zuständig und nicht automatisch mit Leitungsaufgaben betraut.
Zu dem Berufungsverfahren ist es gekommen, weil nach dem ersten Prozess vor dem Regensburger Amtsgericht beide Seiten Rechtsmittel gegen das Urteil eingelegt hatten. Das Strafgesetzbuch sieht bei Leugnung oder Verharmlosung der Verbrechen der Nationalsozialisten eine Geldstrafe oder eine Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren vor.
Von seiner Holocaust-Leugnung hat sich Traditionalistenbischof Richard Williamson nie distanziert, doch er ist auf der Hut: Er wisse, dass er bei einer Wiederholung seiner Aussagen vor einem deutschen Gericht „riskieren würde, sofort ins Gefängnis geworfen zu werden“, schrieb er vor einer Woche in seiner E-Mail-Kolumne. „Doch wenn ich es vermeiden kann, möchte ich lieber nicht mit Fesseln geschmückt werden.“
Piusbruderschaft schloss Williamson aus
Der Bischof war von der Piusbruderschaft nach dem Sturm der Entrüstung über die Holocaust-Leugnung seiner Ämter enthoben worden und lebt seither in London. Für die Bruderschaft, die am Samstag in Zaitzkofen einmal mehr gegen den Willen der katholischen Kirche Priesterweihen vornahm, ist der Wirbel um ihren Bischof weiterhin ein Ärgernis.
Schon mehrfach drohte der Generalobere, Bischof Bernard Fellay, seinem Mitbruder mit Rauswurf - zuletzt im Herbst, als Williamson einen rechtsextremen Anwalt engagierte. Der Brite verzichtete daraufhin auf eine weitere Zusammenarbeit mit dem Neonazi. Und er stellte kürzlich klar, dass er seine Verteidigung vor Gericht nicht auf der Frage aufbauen wolle, „was in der umstrittensten Zeit der jüngeren deutschen Geschichte tatsächlich oder nicht passiert ist“.
Papst Benedikt XVI. holte Williamson zurück in die katholische Kirche
Doch auch für die katholische Kirche bleibt Williamson, dessen Exkommunikation Papst Benedikt XVI. im Januar 2009 aufgehoben hatte, eine Last. Der Papst selbst betonte in seinem Interviewbuch „Licht der Welt“, dass er den Briten nicht begnadigt hätte, wenn er von der Holocaust-Leugnung gewusst hätte: „Leider hat niemand bei uns im Internet nachgeschaut und wahrgenommen, um wen es sich hier handelt.“
So muss Benedikt mit dem Schatten Williamsons leben. Der Prozess in erster Instanz fand just am 83. Geburtstag des Kirchenoberhaupts statt, die Berufungsverhandlung fällt in die Tage der Feierlichkeiten zum 60. Priesterjubiläum Benedikts: Während der Fall Williamson in Regensburg verhandelt wird, eröffnet der Papst im Vatikan eine Kunstausstellung zum Jubiläum.
Williamson selbst lässt wenig Dankbarkeit für die Begnadigung durch Benedikt XVI. erkennen. Kürzlich kündigte er an, in einer Serie von vier Kolumnen aufzeigen zu wollen, „wie verwirrt das Denken des jetzigen Papstes“ in Glaubensfragen sei. (dapd)