Essen. In „Jesus von Nazareth“ spricht sich Benedikt XVI. explizit gegen die These aus, die Juden seien kollektiv für den Tod Jesu verantwortlich. Das könnte Einfluss auf die katholisch-jüdischen Beziehungen haben.
Das neue Buch des Papstes über Jesus von Nazareth ist noch gar nicht auf dem Markt, doch es sorgt schon für Aufmerksamkeit. Und es wird nicht ohne Einfluss auf die katholisch-jüdischen Beziehungen bleiben. Denn der Papst spricht sich darin explizit gegen die These aus, die Juden seien kollektiv für den Tod Jesu verantwortlich. Das geht aus dem Vorabdruck hervor, der in italienischen und deutschen Zeitungen erschien.
Die Passagen handeln vor allem vom Prozess Jesu. Der Papst will nicht neue Theorien über den historischen Prozess-Ablauf aufstellen, sondern analysiert die Aussagen der Evangelien dazu sorgfältig. Sein Resümee: Die Forderung nach Kreuzigung wurde nur von Teilen der Tempelaristokratie und von Anhängern des Widerstandskämpfers Barabbas erhoben. Auf keinen Fall hätten die Äußerungen der Evangelien einen „rassistischen Charakter“. Jesus, betont der Papst, sei Jude gewesen und die gesamte ursprüngliche Gemeinde habe aus Juden bestanden.
Eine lange, ungute Tradition
Der renommierte Bibelwissenschaftler Thomas Söding, Professor für Neues Testament an der Ruhr-Universität Bochum, hält das Kapitel für „theologisch und politisch äußerst brisant“. „Es geht schließlich um die Frage nach der Schuld am Tod Jesu. Und da gibt es die lange ungute Tradition, Juden als Gottesmörder hinzustellen. Daraus leitete man Jahrhunderte lang furchtbare Exzesse von Gewalt gegen Juden ab.“ Zwar seien die Erkenntnisse des Papstes nicht neu. Die Kirche habe sich seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil intensiv mit der Frage auseinander gesetzt, in wieweit die Evangelien dem Antisemitismus Nahrung gegeben haben könnten. Und sie habe diesen Verdacht deutlich widerlegt. „Genau in diese Richtung geht auch das Kapitel des Papst-Buches“, erklärt der Wissenschaftler, der auch Mitglied der Internationalen Theologen-Kommission im Vatikan ist.
Pius-Bruderschaft
Im Zusammenhang mit der Affäre um die umstrittene Pius-Bruderschaft erhalte es aber eine besonderer Bedeutung. Benedikt XVI. hatte 2009 die Exkommunikation von vier Traditionalisten-Bischöfen aufgehoben, unter ihnen war Richard Williamson, der den Holocaust leugnet. Damals wurde auch der Verdacht laut, Benedikt könne insgeheim vielleicht mit solchen Gruppierungen sympathisieren. „Dieses Kapitel zeigt nun aber ganz deutlich: Das trifft auf gar keinen Fall zu.“
Offiziell vorgestellt wird das gesamte Buch „Jesus von Nazareth. Zweiter Teil“ am 10.März im Vatikan.