Hattingen. 100 Kilometer lang, 5600 Meter Höhenunterschied – der Hattinger Frank Schacht startet am Samstag beim ersten Ultralauf.

Mit dem Almrausch ist das so eine Sache: Für die einen reichen Blümchen in den Bergen, für die anderen drei Halbe in der Jausenstation. Frank Schacht braucht ein bisschen mehr: 40, manchmal 70 Kilometer im Dauerlauf, bis sich dieses Glücksgefühl einstellt. Man kann sich den 45-Jährigen nicht mit einer Tüte Chips auf der Couch vorstellen, am heutigen Tag schon gar nicht, wo er beim Ultralauf um die Zugspitze dabei ist. 100 Kilometer auf und ab, über 5600 Meter Höhenunterschied, weit mehr als das Matterhorn misst.

Knapp 500 Ausdauerfreaks werden es heute sein, die sich das antun. Sportler aus aller Welt, unter ihnen auch ein halbes Dutzend aus dem Ruhrgebiet. Beim ersten Zugspitz Ultratrail geht’s an die Grenzen des körperlich Machbaren, für den kopfschüttelnden Laien sogar des körperlich Denkbaren. Wenn andere Urlauber im Städtchen Grainau am Fuße von Deutschlands höchstem Berg noch in den Federn schlummern, geht’s für Frank Schacht und seine Mitläufer schon bergauf. Rund 20 Stunden plant der Leiter der Feuer- und Rettungsleitstelle des Ennepe-Ruhr-Kreises für die (Tor-)Tour ein, noch vor dem Morgengrauen des Sonntages will er es geschafft haben. Lediglich eine Stirnlampe wird ihm dabei den Weg weisen, der Mond wohl eher nicht, denn es ist eher gruseliges Wetter vorausgesagt.

Ultraläufe sind alles, was über Marathon hinausgeht

Ultraläufer fangen da an, wo es bei den meisten Langstrecklern aufhört. Alles was über den Marathon hinausführt, Endlosstrecken von 100 Kilometern und mehr, Etappenläufe von 300 Kilometern in fünf Tagen. Frank Schacht wollte eigentlich nur mit dem Rauchen aufhören, 1995 war das, und fing mit dem Laufen an: „Das wurde schnell zum Selbstläufer. 1997 reizte mich der Berlin-Marathon, zwei Jahre später bin ich dann meinen ersten Hunderter gerannt.“

Schacht war dabei, beim Marathon des Sables 2001 durch die marokkanische Wüste, bei einer echten Durststrecke durch Namibia, beim Alpenlauf über 350 Kilometer, beim Iron-Man in Roth und Zürich. Lange Läufe statt Langeweile, Abenteuer statt Alltagstrott, das hat den Ehemann und Vater zweier Söhne schon immer fasziniert. Mit dem Auto durch Indien und Nepal bis hinüber nach Tibet oder noch verwegener: Mit dem Gleitschirm wvom Gipfel des Kilimandscharo. Schacht war 1989 mit zwei Team-Kollegen der Erste, der so etwas überhaupt wagte – und schaffte.

Er scheint jemand zu sein, der den regelmäßigen Adrenalin-Kick braucht oder seine Endorphin-Dröhnung. Sport als Ersatzdroge: „Ab einem gewissen Punkt kommt ‚Runners High’, man fühlt sich nur noch gut.“ Beim Zugspitz Ultratrail macht er sich auf Höhen, aber auch auf Tiefen gefasst, wobei letztere eher beim bergab als beim bergauf Laufen durchlitten werden: „Bergab übersäuert die Muskulatur oftmals, das tut dann richtig weh.“ Und es kann jemanden mental hart treffen. „Es gibt Phasen, da würde ich am liebsten in den Zug steigen und nach Hause fahren. Aber der Mensch ist leidensfähiger, als er denkt.“

Frank Schacht freut sich auf das Weizenbier nach dem Iron Man

Genauer betrachtet ist Frank Schacht aber ein Sportler, der mit beiden Beinen nicht nur geht, sondern auch im Leben steht. Und deshalb glaubt man ihm, wenn er sich auf das Weizenbier nach dem Iron Man freut, auf ein Helles am Ende des Tunnels. Und man kann nachvollziehen, wie enttäuscht er war, als das Bier in Roth schon zu Ende war, weil er erst unter ferner liefen eintrudelte.

„Ich habe keine optimale Läufer-Figur, weil ich gerne genieße. Laufen ist dafür genau der richtige Ausgleich.“ Da können wir Schacht nur die Daumen drücken, dass heute an der Zugspitze das Wetter mitspielt. Ansonsten gibt es nur zwei Alternativen für seine Familie und sich: mit einer Tüte Chips vor dem Fernseher liegen oder eine Shopping-Tour durch Garmisch-Partenkirchen. Wobei letztere die schrecklichere wäre für den Ultraläufer.