Gladbeck. .

Wind, Regen, Kälte und Nebel – wer beim Ultra-Trail du Montc-Blanc (UTMB) startet, hat „einen an der Klatsche“. Das sagt Harald Bajohr aus Gladbeck. Der Ultraläufer muss es wissen. Er ist in diesem Jahr zum zweiten Mal dabei.

Die Geschichte, wie Harald Bajohr zum Laufen kam, erzählt sich anfangs wie die vieler anderer: viele Zigaretten, wenig Sport, ein Bauch, der kontinuierlich an Umfang zunahm. „Ich war 29, als ich mir und meinen Freunden sagte: So geht es nicht weiter!“, erinnert sich der heute 45-jährige Gladbecker. Er kaufte sich Laufschuhe und lief eine 10-Kilometer-Runde. Jeden Tag. Er hatte keine Ahnung vom Laufen, er hatte kein Ziel und keinen Trainingsplan. „Ich habe mir nur gedacht: Wenn du die Nikotinsucht loswerden willst, dann musst du dir eine andere Sucht suchen.“

Das hat funktioniert. Er suchte sich einen Laufverein in seiner Nähe und landete beim Ultra Sport Club in Marburg, wo er damals studierte. Es gab die ersten gemeinsamen Laufeinheiten, dann nahmen ihn die Vereinskollegen mit zum ersten Marathon, dann zum ersten 60-Kilometer-Ultralauf, dann kamen der Rennsteiglauf und der erste 24-Stunden-Lauf.

Der UTMB bringt auch die erfahrensten Läufer an ihre Grenzen

„Ich bin mehrere City-Marathons gelaufen, aber ich bin halt nicht schnell“, sagt Bajohr. Tempo- oder Intervalltraining, das hat ihm nie Spaß gemacht. Ihn fasziniert die Langstrecke. Er lief in Biel, er startete bei mehreren 100-Kilometer-Straßenrennen und beendete fünfmal den Gore-Tex Transalpin-Run über die Alpen.

Harald Bajohr beim Zieleinlauf des UTMB 2009. Foto: Tom Tittmann
Harald Bajohr beim Zieleinlauf des UTMB 2009. Foto: Tom Tittmann © WNM

Per Zufall kam Harald Bajohr dann 2009 zum The North Face Ultra-Trail du Mont-Blanc (UTMB). „Spontan bot sich die Gelegenheit, dort zu starten. Da habe ich einfach zugesagt“, sagt er. Der UTMB gilt als einer der härtesten Läufe. Weniger als zwei Tage haben die Teilnehmer Zeit, den Mont Blanc zu umrunden: 166 Kilometer mit 9.400 Höhenmetern. Beim UTMB dürfen nur Läufer starten, die nachweisen können, den Herausforderungen gewachsen zu sein. Gleichzeitig ist das Teilnehmerfeld auf 2300 Starter begrenzt. Der Ultra-Traillauf ist der Traum vieler Läufer und bringt auch die erfahrensten an ihre Grenzen und darüber hinaus. „Ich hatte keine Ahnung, was auf mich zukommen sollte“, erinnert sich Bajohr.

Das grandiose Naturschauspiel sorgt auch Jahre später für Gänsehaut

Heute, zwei Jahre später, kann der Ultraläufer das Schöne am UTMB sehen: „Es ist einfach eine grandiose Naturerfahrung. Die Eindrücke sind unbeschreiblich. Ich bekomme immer noch Gänsehaut, wenn ich an den Lauf denke.“ Doch beim Zieleinlauf in Charmonix konnte er diese Besonderheit des Laufs noch nicht schätzen. „Ich fand es abartig und den Lauf einfach mörderisch. Ich schwor mit beim Zieleinlauf, dass mich nichts mehr zum Mont Blanc bekommen würde.“ Das war 2009.

2011 wird Harald Bajohr wieder zum Mont Blanc reisen. „Der Schmerz ist vergessen“, sagt er. Nachdem er im vergangenen Jahr 246 Kilometer durch Schweden gelaufen ist, geht es nun doch wieder nach Charmonix. Dieses Mal läuft er jedoch nicht den Ultra-Trail du Mont-Blanc, sondern startet am 22. August beim ebenfalls angebotenen „La Petite Trotte à Léon“ (PTL). Der PTL ist ein Mannschaftserlebnis, bei dem Teams mit zwei oder drei Läufern starten – um eine noch größere Runde um den Mont Blanc zu drehen. Das heißt in diesem Fall: 360 Kilometer mit 25.000 positiven Höhenmetern. 138 Stunden haben die Läufer Zeit, diese Aufgabe zu meistern. Es gibt keine Streckenmarkierungen, die Sportler müssen sich selbst orientieren und um Verpflegung und Übernachtung kümmern. „Ich weiß nicht, ob wir das schaffen“, gibt Bajohr, der heute in Darmstadt lebt, zu. Aber: „Aufgeben ist keine Schande.“

Trainingsläufe mit Höhenmetern und Ausrüstung

Erleichterung: Nach 166 Kilometern über den Mont Blanc freut sich Harald Bajohr, seine Lebensgefährtin zu sehen.  Foto: Tom Tittmann
Erleichterung: Nach 166 Kilometern über den Mont Blanc freut sich Harald Bajohr, seine Lebensgefährtin zu sehen. Foto: Tom Tittmann © WNM

„Laufen werden wir aufgrund des Profils eher nicht. Da ist wohl mehr Klettern und Kraxeln angesagt“, sagt Bajohr. Im Training üben er und sein Teamkollege das Laufen mit der bis zu 15 Kilogramm schweren Ausrüstung. Normalerweise läuft Bajohr 50 bis 60 Kilometer die Woche. In der direkten Vorbereitung erhöht er die Wochenumfänge auf 90 bis 120 Kilometer. „Ich sehe aber zu, nicht all zu viele Kilometer zu machen“, erzählt er. Wichtiger sind ihm Vorbereitungswettkämpfe mit vielen Höhenmetern.

„Jeder, der sagt, man muss einen an der Klatsche haben, um so etwas zu tun, der hat vollkommen Recht.“ Und ja: Es würde immer weh tun. Verdammt weh. „Im Grunde kann jeder so etwas laufen, der die mentale Stärke hat, sich zu quälen“, sagt Bajohr. Doch er weiß genau, warum er immer wieder zu extremen Läufen aufbricht. Es ist die Konzentration auf das Wesentliche, aufs Laufen, Trinken, Essen und Schlafen; das Besinnen auf sich selbst und das Befreiende, zu merken, wie gut es ohne Luxus geht. „Es ist eine Reise für die Sinne und fördert die Kreativität“, schwärmt Harald Bajohr. „Ich bin als Arbeiterkind im Ruhrgebiet aufgewachsen, ich hätte nie damit gerechnet, so etwas einmal sehen und erleben zu dürfen.“

Alle Informationen finden Sie auf der Seite des The North Face Ultra-Trail du Mont-Blanc.

Wer mag, kann die Vorbereitungen weiterer internationaler Athleten für den UTMB hier mitverfolgen.