Duisburg. .
Lea Busch und Christian Sczyslo haben nach neun Jahren am Landfermann-Gymnasium in Duisburg ihr Abitur in der Tasche. Dass sie nun der Schule den Rücken kehren, ist für beide nicht nur Grund zum Feiern. Es ist eine Menge Wehmut im Spiel.
Hektisch geht es an diesem Morgen im altehrwürdigen Landfermann-Gymnasium zu. In alphabetischer Reihenfolge erhalten die Abiturienten gerade die Ergebnisse ihrer Abschluss-Klausuren. Das Warten wird für viele zur Geduldsprobe. Lea, mit Nachnamen Busch, kann schon nach ein paar Minuten aufatmen. Ihr Abi hat die 19-Jährige sicher. Christian Sczyslo muss sich dagegen noch gedulden.
Nicht nur Grund zum Feiern
Dass sie nach neun Jahren der Duisburger Lehranstalt den Rücken kehren, ist für beide nicht nur Grund zum Feiern. „Bei mir ist eine Menge Wehmut im Spiel“, sagt Lea Busch, und Christian Sczyslo ergänzt: „Die Leute jetzt alle nicht mehr wiederzusehen, ist schon sehr schade.“
Auf Kriegsfuß mit ihrem schon 1280 als „Schola Duisburgensis“ gegründeten zweiten Zuhause standen die beiden nie. Ihr Geheimrezept für eine glückliche Schulzeit verrät Lea Busch gerne: „Der wichtigste Aspekt ist eigentlich, dass in der Schule ein gutes Klima herrscht. Christian war in der Musical-AG, ich war in der Schülervertretung – so haben wir beide eine persönliche und sympathische Beziehung zur Schule aufgebaut. Deshalb geht man natürlich auch viel lieber hin.“
Das Turbo-Abi sehen sie kritisch
Von Überforderung und Leistungsdruck können beide nicht berichten. In der Unter- und Mittelstufe war für den jetzigen Abi-Jahrgang meist um 14 Uhr Schluss. Dass sich dies für die nachfolgenden G8-Jahrgänge ändert, sehen Busch und Sczyslo durchaus kritisch. „Wenn ich mir überlege, dass die Jüngeren jetzt bis 15/16 Uhr in der Schule sind, obwohl sie keine Freistunden haben wie wir, stelle ich mir das schon relativ hart vor. Irgendwann fehlt die Konzentration und man ist nicht mehr aufnahmefähig“, so der 20-jährige Sczyslo.
Erst im Verlaufe der Jahrgangsstufe 13 wuchs auch für Schülersprecherin Busch die Anspannung – bis hin zu Prüfungsangst vor den Klausuren. Einen richtigen Ausweg gab es nicht: „Dagegen konnte man nicht viel machen – ich hab’s ausgehalten und gelernt.“ Im Gespräch nehmen die beiden Abiturienten Stellung zu schulpolitischen Themen und ihren Zukunftsplänen.
Die elfte Klasse würde fehlen
Sie sind an Ihrer Schule der letzte Jahrgang, der kein verkürztes Abitur macht. Können Sie sich vorstellen, auf ein ganzes Schuljahr zu verzichten?
Christian Sczyslo: Man könnte die elfte Jahrgangsstufe komplett weglassen, zumindest vom Lernstoff her. Man lernt nicht wirklich viel dazu, und man kann das auch alles noch gut in der 12. oder 13. Jahrgangsstufe nachholen. Aber von der sozialen Komponente würde die 11 fehlen, weil man sich da gerade erst kennengelernt hat. Wenn das erst in den Leistungskursen passiert, ist das sehr schade.
Lea Busch: Außerdem hat man die Möglichkeit, in der 11 Fächer zu wählen, die man später noch abwählen kann, und einige Schüler nutzen die Jahrgangsstufe auch dazu, ein Jahr ins Ausland zu gehen, das wird künftig wesentlich schwieriger. Bei uns in der Stufe waren es mindestens 15 Schüler, die weggegangen sind - in der nachfolgenden Stufe sind es nur noch drei. Diese Erfahrungen nicht machen zu können, ist schade. Ich bin deshalb auch gegen G8.
Halten Sie längeres gemeinsames Lernen, wie es die Gemeinschaftsschule vorsieht, für sinnvoll?
Lea Busch: Auf jeden Fall. Die Selektierung nach der 4. Klasse kommt viel zu früh.
Christian Sczyslo: Dann müsste man das Schulsystem komplett überholen. Die eigenen Stärken haben sich in der vierten Klasse noch nicht so herausgebildet. Nach der sechsten Klasse muss man dann schauen, dass man eine Schule findet, die den eigenen Neigungen entspricht.
FSJ-ler fürchten den Doppeljahrgang
Wie geht es für Sie weiter?
Lea Busch: Ich werde am 28. August für ein Jahr nach Peru fahren und dort ein freiwilliges soziales Jahr absolvieren. Ich werde dort Entwicklungshilfe leisten.
Christian Sczyslo: Ich werde mich jetzt an der Uni für den Studiengang Wirtschaftsingenieur einschreiben. Dann werde ich aber versuchen, im kommenden Frühjahr an einer Musicalhochschule die Aufnahmeprüfung zu schaffen, um dann Musical-Darsteller zu studieren. Das kann in Essen, aber auch in Osnabrück, München oder Berlin sein.
Wie kam die Entscheidung für ein freiwilliges soziales Jahr zustande?
Lea Busch: Das Problem ist, dass nach uns die erste G8-Welle anrollt und viele, die ein FSJ machen wollten, deshalb Angst haben, keinen Studienplatz zu bekommen. Ich habe mich trotzdem dafür entschieden. Ich denke, dass mir das Jahr hilft herauszufinden, ob es das Richtige für mich ist. Nach dem Jahr in Peru möchte ich gerne deutsch-französisches Recht studieren. Damit hoffe ich dann in der Entwicklungshilfe unterzukommen.
Was werden Sie nach dem Ende Ihrer Schulzeit am meisten vermissen?
Lea Busch: Auf jeden Fall den Englisch-Unterricht, die Arbeit in der Schülervertretung und meine Freunde zu treffen.
Christian Sczyslo: Vor allem die Gemeinschaft – man kommt in die Schule und kennt so ziemlich jeden. Im Unterricht zu sitzen, sich über irgendwelche Sachen kaputtzulachen, das werde ich am meisten vermissen.