Koblenz. Detlef S. hat den erstmals ein umfängliches Geständnis abgelegt. Er räumte vor Gericht ein, mehrere seiner Kinder missbraucht zu haben. Sein Verteidiger meint, das Geständnis und die Reue sollten strafmildernd wirken.
Er entschuldigt sich, weint und beteuert, dass es ihm leid tut. Aber niemand im Koblenzer Landgericht weiß, wie ernst es Detlef S. mit dieser Reue wirklich ist. Am Dienstag wird der Kinderschänder aus dem Westerwald sein Urteil bekommen, nachdem am Montagmorgen Verteidiger Thomas Düber neuneinhalb Jahre Haft ohne Sicherungsverwahrung beantragt hat.
Hier läuft kein Prozesstag wie erwartet ab. Zu Beginn bittet der Verteidiger, noch einmal in die mündliche Verhandlung einzutreten. Nachdem Staatsanwalt Thorsten Kahl am Donnerstag vierzehneinhalb Jahre Gefängnis und Sicherungsverwahrung beantragt hatte, traf Anwalt Düber den Angeklagten am Freitag im Gefängnis. Ergebnis des Gesprächs: Ein volles Geständnis.
Detlef S., der bisher nur den Missbrauch seiner 18 Jahre alten Tochter Jasmin gestanden hatte, räumt jetzt auch die sexuellen Übergriffe auf zwei Stiefkinder ein. „Ich glaube, mich falsch verhalten und meinen Opfern unendliches Leid zugefügt zu habe“, liest der Verteidiger vor. Nicht nur Jasmin, auch die heute 28 Jahre alte Stieftochter Natascha habe er seit deren zwölften Geburtstag sexuell missbraucht. Er habe sie zu Männern in Nachbardörfern gefahren und Geld dafür kassiert, dass sie mit den Freiern schlafen mussten. Er wisse, dass er das alles nie wieder gut machen könne: „Ich habe mich schäbigst benommen. Ich weiß, dass ich das, was ich meinen Kindern angetan habe, nie wieder gut machen kann.“
„Keine tiefgreifende Reue“
So richtig scheint sein Geständnis aber niemanden zu interessieren. Nachfragen hat keiner. Psychiater Gerhard Buchholz ändert an seiner Beurteilung nichts. Aus psychiatrischer Sicht sei es keine tiefgreifende Reue, sagt er. Staatsanwalt Thorsten Kahl lässt sich nicht zu mehr Milde hinreißen und setzt noch einen drauf: „Das ist der klassische Fall des taktischen Geständnisses in letzter Minute.“ Auch die protokollierte Bereitschaft von Detlef S., Natascha und Jasmin jeweils 22.500 Euro Schmerzensgeld zu zahlen, beeindruckt nicht angesichts der Mittellosigkeit des Angeklagten.
So bleibt dem Verteidiger die schwere Aufgabe, über diesen Mann, der als „Horrorvater“ Schlagzeilen gemacht und mit seiner Stieftochter acht Kinder gezeugt hat, gute Worte zu finden. Thomas Düber macht es an der leiblichen Tochter Jasmin fest. Sie hatte in ihrer bewegenden Aussage, bei der sie in Tränen aufgelöst war und zweimal zusammenbrach, nicht nur von den sexuellen Übergriffen ihres Vaters gesprochen. Sie nannte auch die „normalen“ Episoden zwischen Vater und Tochter, etwa die Fragen, die er ihr als Kind beantwortete, Dinge, die er ihr zeigte. Es gipfelte in der von ihr gewünschten Begegnung in der Zelle und ihrem Satz: „Ich liebe ihn immer noch und hasse ihn nicht.“
Der Verteidiger räumt aber ein, dass viele in dieser Aussage einen weiteren Beleg dafür sehen, wie Detlef S. seine Familie beherrschte und manipulierte. Selbst aus der Haft heraus.
Geständnis soll strafmildernd wirken
Einen zweiten Punkt findet Anwalt Düber, der aus seiner Sicht die Strafe mildern müsse: Die Haftbedingungen. Als Kinderschänder, der durch die Medien bekannt geworden sei, werde S. in der Haft bedroht. Mithäftlinge hätten ihm gesagt, er solle von oben nach unten aufgeschnitten werden. Die Folge sei, dass er für die Behörden als „gefährdeter Gefangener“ gelte und in der Zelle isoliert werde. Düber: „So erfährt er jetzt erstmals, dass er selbst das Opfer ist.“
Das Strafverfahren habe im Angeklagten einen Prozess des Umdenkens ausgelöst, versucht er eine Analyse. Mit seinem vollständigen Geständnis wolle Detlef S. seinen Opfern Reue und Betroffenheit zeigen und ihnen „vielleicht Erleichterung bringen“. Für S. selbst könne es der erste Schritt in eine Entwicklung sein, an deren Ende die Resozialisierung stehe. „Ein Wegsperren für immer“ sei leicht ausgesprochen und vielleicht auch nachvollziehbar. Es sei aber auch ein populistischer Spruch, der vergesse, dass es neben dem Straftäter S. auch einen Menschen gäbe.
Kein Wort des Anwaltes dazu, dass selbst das „vollständige Geständnis“ Lücken an Betroffenheit und Sensibilität aufweist. Stiefsohn Björn (28) brannte es sich ins Gedächtnis ein, wie Detlef S. ihn als Vierjährigen missbraucht hatte, wie er immer wieder Opfer körperlicher Gewalt mit Lederpeitsche oder Bundeswehrkoppel wurde. Doch zu diesen Prügelritualen findet sich kaum ein Wort in der Verteidigererklärung.
Und das Geständnis zum sexuellen Übergriff am Stiefsohn klingt abwertend, demütigend: Er könne das nicht ausschließen, lässt der Angeklagte vortragen, er wisse es aber nicht mehr. Soll heißen: So wichtig war es für Detlef S. nicht. Nur für den Jungen.