Koblenz. Der mutmaßliche Vergewaltiger seiner Stiefkinder will sich der Untersuchung eines Psychiaters stellen. Seine Familie soll der schmächtige Mann über Jahre tyrannisiert haben. Auch die erwachsenen Stiefsöhne.

Detlef S., der am Mittwoch erstmals den größten Teil der Missbrauchstaten gestanden hatte, macht einen weiteren Schritt. Jetzt will er sich der Untersuchung durch den Psychiater Gerhard Buchholz stellen. Vielleicht wird sein Gutachten vor dem Landgericht Koblenz erklären, wie der körperlich schmächtige Mann über Jahrzehnte eine Familie tyrannisieren konnte.

Am dritten Prozesstag erhofft sich Staatsanwalt Thorsten Kahl von einem der Stiefsöhne Aufklärung. Zwei Stiefsöhne hatten zuvor ausgesagt, wie Detlef S. mit Lederpeitsche und Bundeswehrkoppel ein Regiment des Schreckens ausgeübt hatte. Sie sind keine Kinder mehr, 32 ist der eine, 29 der andere. Warum haben sie sich nie gewehrt, als sie in der Familie lebten? Staatsanwalt Thorsten Kahl: „Der Angeklagte wirkt ja körperlich nicht sehr präsent, Sie dagegen sind ihm körperlich überlegen.“ „Das ist nur äußerlich“, entgegnet Stiefsohn Markus S. (32).

Der Stiefvater übte seine Macht in der Familie konsequent aus. Geschlagen hat Detlef S. die Kinder, als sie noch klein waren. Er demütigte sie: „Wir mussten uns im Wohnzimmer ausziehen, dann hat er uns übers Knie gelegt und geschlagen“, erinnert sich der 29 Jahre alte Sven S., der wie sein älterer Bruder eine klare Trennlinie sah: „Geschlagen wurden nur die vier Stiefkinder. Die vier leiblichen Kinder hat er nie verprügelt.“ Ein weiteres Machtmittel war die Kontrolle. Ungewöhnlich viele verschlossene Schränke und Kisten entdeckte die Polizei bei der Hausdurchsuchung. Drinnen lagen Unmengen von Briefen, allesamt adressiert an die Kinder.

Verkaufte er auch seine Ehefrau an Freier?

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Fotos gab es auch. Drei davon zeigen die Ehefrau von Detlef S., nackt mit einem anderen Mann. Die Polizei hielt der 52-Jährigen vor, dass wohl auch sie von ihrem Mann an Freier verkauft werde. Sie bestätigte das zunächst, verweigerte dann aber die Aussage. Das war im August 2010, als ihr Mann in U-Haft saß.

Detlef S. drohte Mitarbeitern des Jugendamtes und Lehrern, warf ihnen vor, sie wollten seine Kinder aushorchen und die Familie entzweien. Eine Nachbarin, die vom Jugendamt als Tagesmutter seines Enkels/Kindes eingesetzt wurde, berichtete, dass sie Drohbriefe bekommen habe. Erst nach der Inhaftierung von Detlef S. habe das aufgehört. Seine Tochter Jasmin habe später gebeichtet, dass sie die Briefe im Auftrag des Vaters geschrieben habe.

Die Familie mauerte

Durch die 37-jährige Tagesmutter war das Verfahren ins Rollen gekommen. Sie hatte von seiner Stieftochter Natascha (28) den Abschiedsbrief von Jasmin (18) bekommen und ans Jugendamt weitergeleitet. Danach ging alles schnell. Warum nicht vorher? Warum hatte Natascha nicht um Hilfe gerufen, als sie die acht Kinder ihres Stiefvaters zur Welt brachte? Warum vertraute sich Jasmin nicht Lehrern oder Freundinnen an? Warum unternahmen die älteren Stiefsöhne nichts? Die Kinder geben den Behörden die Schuld. „Wir waren öfter beim Jugendamt“, sagt Stiefsohn Sven, „die wollten Einzelheiten wissen. Ich hab’ doch beim Missbrauch nicht die Kerze gehalten.“ In den Akten heißt es, dass die Familienmitglieder gemauert oder Vorwürfe bestritten hätten.

Vor Gericht wird es vielleicht keine Antwort auf diese Fragen geben. Denn innerhalb von lediglich drei Prozesstagen will das Landgericht Koblenz das Urteil gesprochen haben. Aufgeklärt wird auch nicht, warum das 750-Seelen-Dorf Fluterschen schwieg. Die Tagesmutter erzählte im Prozess, sie lebe dort erst seit 2008. Nachbarn hätten ihr sofort gesagt, sie solle Familie S. meiden. „Sie sagten, das sind Asis und die Kinder sind alle vom Vater.“