Tokio. Die Lage in Japan ist weiterhin unklar. Gab es eine Kernschmelze? Wie viele Menschen fielen der Katastrophe zum Opfer? Über 10.000 Menschen werden noch vermisst. Deutsche Helfer sind im Krisengebiet angekommen.
Die verheerende Erdbeben- und Tsunami-Katastrophe in Japan hat den möglicherweise schwersten Atomunfall in der Geschichte des Landes ausgelöst. Die japanische Atomaufsicht stufte die Explosion in einem Reaktor im Atomkraftwerk Fukushima 1 am Samstag als „Unfall“ der Stufe vier auf einer Skala von null bis sieben ein. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) verteidigte angesichts des Unfalls die Nutzung der Atomenergie in Deutschland.
In der Anlage Fukushima 1 wurden durch eine Explosion das Dach und Mauern eines Reaktorgebäudes zerstört. Vier Mitarbeiter der Anlage wurden leicht verletzt, wie der Fernsehsender NHK berichtete. Laut der Nachrichtenagentur Kyodo waren die Strahlungen in Fukushima in einer Stunde so hoch wie die zugelassenen Grenzwerte eines Jahres.
Kernschmelze noch immer nicht bestätigt
Zuvor hatten die Agenturen Kyodo und Jiji berichtet, dass in einem Reaktor der Anlage womöglich eine Kernschmelze im Gang sei. Der Betreiber Tokyo Electric Power (Tepco) widersprach diesen Angaben und schloss schwere Schäden am Sicherheitsbehälter des Kraftwerks aus. Regierungssprecher Yukio Edano sagte unter Berufung auf die Firma, der Grad der Radioaktivität nahe der Anlage sei nach der Explosion wieder gesunken. Die Einsatzkräfte versuchten, den Reaktor mit Meerwasser abzukühlen, um eine größere Katastrophe zu verhindern.
Unfälle der Stufe vier haben laut internationaler Definition „lokale Auswirkungen“. Die Reaktorkatastrophe von Tschernobyl war Stufe sieben, ein sogenannter „katastrophaler Unfall“. Die Behörden dehnten den Evakuierungsradius um das Atomkraftwerk auf 20 Kilometer aus, zehntausende Menschen mussten ihre Häuser verlassen. Bei drei Bewohnern einer nahegelegenen Stadt wurde nach ihrer Flucht bei einer medizinischen Untersuchung eine radioaktive Verstrahlung festgestellt, wie der Sender NHK berichtete.
In der Hafenstadt Minamisanriku werden 10.000 Menschen vermisst
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Merkel sagte am Abend nach einem Krisentreffen im Kanzleramt, sie halte die Nutzung der Kernenergie als Brückentechnologie in Deutschland weiter „für verantwortbar und für vertretbar“. Zwar verstehe sie die Sorgen der Menschen angesichts der Nachrichten aus Japan. Deutsche Atomkraftwerke hätten aber einen sehr hohen Sicherheitsstandard, zudem gebe es in Deutschland nicht die Gefahr von Erdbeben und Flutwellen in einem Ausmaß, wie sie Japan getroffen hätten. Dennoch müsse alles, was Sicherheitsanforderungen anbelange, noch einmal „besonders überprüft“ werden.
Zugleich erklärte Merkel, es sei „nach menschlichem Ermessen nicht vorstellbar“, dass es direkte Auswirkungen des Unfalls in Japan auf Deutschland gebe.
Das Erdbeben der Stärke 8,9 hatte den Nordosten Japans am Freitag erschüttert und bis zu zehn Meter hohe Tsunami-Wellen ausgelöst, der verheerende Verwüstungen anrichtete. Die Zahl der Toten ist noch völlig unklar, sie beträgt laut Schätzungen mindestens 1800. Allein in der Hafenstadt Minamisanriku wurden aber noch 10.000 Menschen vermisst.
USA schicken Flugzeugträger
Die japanische Armee mobilisierte für die Rettungsarbeiten 50.000 Soldaten, dutzende Schiffe und hunderte Flugzeuge. Auch Spezialisten des deutschen Technischen Hilfswerks (THW) trafen in Japan ein. Die USA schickten 150 Rettungshelfer, 75 Tonnen Bergungsausrüstung sowie eine Marine-Flotte in das Katastrophengebiet. Zahlreiche weitere Staaten stellten Hilfe bereit.
Das Auswärtige Amt warnte vor Aufenthalten im Krisengebiet im Nordosten Japans. Generell sei von allen Reisen nach Japan abzuraten, sagte Außenminister Guido Westerwelle (FDP). Nach wie vor gebe es keine Hinweise darauf, dass einer der rund 5000 in Japan lebenden Deutschen durch die Erdbebenkatastrophe betroffen sei. (afp)