Iwaki/Japan. Aus dem Katastrophengebiet Japan dringen Informationen nur vereinzelt nach außen. Das liegt vielfach an den beschädigten Kommunikationsnetzen. Doch auch die japanische Regierung verhindert eine klare Informationslage.
Was genau los ist, weiß keiner mit Sicherheit - auf jeden Fall nichts Gutes. Nach dem gewaltigen Erdbeben und dem verheerenden Tsunami wächst in Japan die Furcht vor einer dritten Katastrophe in Folge: Verstrahlung durch ein Reaktorunglück, dessen Ausmaß nicht einzuschätzen ist. Ob in dem von einer Explosion erschütterten Atomkraftwerk Fukushima-Daiichi eine Kernschmelze bereits eingetreten ist oder nicht, war bis Samstagabend ungewiss.
Auf jeden Fall wurde die Evakuierungszone um das Kraftwerk von zehn auf 20 Kilometer Umkreis ausgeweitet, die Bewohner wurden aufgefordert, das Gebiet rasch zu verlassen. Zuvor waren schon 51.000 Anwohner aus der engeren Umgebung der Anlage in Fukushima, 30 Kilometer von der Stadt Iwaki entfernt, evakuiert worden.
„Alle wollen raus aus der Stadt. Aber die Straßen sind fürchterlich“, sagt Reiko Takagi, eine Frau mittleren Alters, vor einem Taxiunternehmen. „Es ist zu gefährlich, irgendwo hin zu gehen. Wir haben Angst, dass der Wind sich dreht und Strahlung zu uns trägt.“
Straßen gesperrt oder blockiert
Der Mangel an Informationen aus erster Hand liegt auch an den schlechten Verbindungen. Die Küstengebiete sind von Erdbeben und Flutwelle verwüstet. Alle Autobahnen von Tokio in die Katastrophengebiete sind laut Verkehrsministerium gesperrt und dürfen nur von Rettungsfahrzeugen benutzt werden. Mobilfunknetze funktionierten nur sporadisch, bei Anrufen in den Katastrophengebieten nahm niemand ab.
Lokale Fernsehsender zeigten Bilder von Menschen, die nach Wasser und Mahlzeiten wie Reiskugeln Schlange stehen. In Fukushima gab die Stadtverwaltung Getränke, Lebensmittel und Decken aus. Große Gebiete sind allerdings von Wasser umschlossen und nicht zu erreichen.
Die Informationslage sei sehr schlecht, unabhängige Wissenschaftler seien schon weit vor der Sperrzone aufgehalten worden, berichtete Christoph von Lieven im Fernsehsender n-tv. Es habe auch Falschinformationen gegeben. „Wir können nicht davon ausgehen, dass Regierung und Betreiber uns die Wahrheit sagen“, erklärte er.
Strahlung soll gesunken sein
Die Explosion am Samstag zerstörte nach Angaben von Regierungssprecher Yukio Edano die Außenwände des Reaktorgebäudes, nicht aber die eigentliche, metallene Hülle des Reaktors. Die Strahlung in der Umgebung von Fukushima-Daiichi sei nach der Explosion nicht gestiegen, sondern sogar gesunken. Einen Grund dafür nannte er nicht.
Die Explosion wurde auf eine Reaktion von Wasserstoff mit Sauerstoff außerhalb des Reaktors zurückgeführt. Der Wasserstoff bildete sich, als die überhitzten und zunehmend spröden Metallhülsen der Brennstäbe mit Wasser in Berührung kamen, das darüber gegossen wurde, um eine Schmelze abzuwenden.
Kühlung mit Meerwasser
„Sie arbeiten fieberhaft daran, eine Lösung zu finden, wie man den Kern kühlen kann. Heute Nachmittag in Europa hörten wir, dass sie angefangen haben, Meerwasser in den Kern zu leiten“, sagte Mark Hibbs, Atomexperte beim Carnegie-Institut. „Das ist ein Hinweis darauf, wie ernst das Problem ist und dass die Japaner zu ungewöhnlichen und improvisierten Methoden greifen mussten, um den Reaktorkern zu kühlen.“
Nach der Explosion stürzten die Gebäudemauern ein, es stand nur noch ein Metallgerüst. Nach Auskunft der Betreibergesellschaft Tokyo Power Electric erlitten vier Arbeiter Brüche und Prellungen und wurden im Krankenhaus versorgt. (dapd)