Essen. . Ab Aschermittwoch ist Fastenzeit. Eine Gelegenheit, um sich im Verzicht zu üben – beim Essen und Trinken, dem Fernsehen, beim Feiern oder dem Computerspiel. Die evangelische Kirche wirbt für mehr Ehrlichkeit. Motto: „7 Wochen ohne Ausreden“.
Es ist Fastenzeit: Wer sich auf die Herausforderung des Verzichts einlässt, dem bieten sich viele Möglichkeiten. Die Mehrheit der Deutschen hält einer Umfrage zufolge die Fastenzeit von Aschermittwoch bis Karsamstag für sinnvoll. Rund 60 Prozent der Befragten sprachen sich für den Verzicht auf bestimmte Genussmittel aus – meldet die Deutsche Angestellten Krankenkasse (DAK) in Hamburg.
Bei einer Befragung von 1000 Bürger sagten 66 Prozent der Frauen: Ich bin dabei! Bei den Männern waren es nur 53 Prozent. In NRW gaben immerhin 45 Prozent der Befragten an, in der Vergangenheit schon öfter für mehrere Wochen auf Genussmittel oder Konsumgüter verzichtet zu haben.
Im Auftrag der „Apotheken Umschau“ hat die GfK Marktforschung Nürnberg 2000 Bundesbürger ab 14 Jahren zum Thema Fastenzeit interviewt. Mit ebenfalls interessanten Ergebnissen: Fast die Hälfte aller Erwachsenen gab an, zwischen Aschermittwoch und Ostern auf Süßigkeiten zu verzichten. 49 Prozent sagten, sie würden von Schokolade und Gummibären die Finger lassen. Weitere 40 Prozent betonten, sie hätten sich immerhin vorgenommen, den Konsum von Süßem einzuschränken.
41 Prozent wollen bis Ostern keinen Alkohol trinken
Auf dem zweiten Platz in Sachen Fasten folgen – laut GfK-Umfrage – Chips und Knabbereien. Ganz darauf verzichten wollen 48 Prozent, etwas „reduzieren“ 37 Prozent. 41 Prozent haben sich vorgenommen, bis Ostern keinen Alkohol zu trinken. Jeder Dritte will sich im Nikotin-Verzicht üben. Jeder Neunte plant, in den nächsten 40 Tagen keinen Bissen Fleisch zu essen. Mehr als die Hälfte der befragten Fastenwilligen versuchen zumindest, deutlich weniger Fleisch zu essen.
Übertriebener Sport kann schaden
Noch einen anderen Blick auf die Fastenzeit wirft die evangelische Kirche. Sie wirbt in diesem Jahr dafür, sich in der Fastenzeit vom Alltagslaster der Notlüge zu befreien. „Ich war’s! 7 Wochen ohne Ausreden“ heißt die Aktion, die für mehr Ehrlichkeit im gegenseitigen Umgang wirbt. Einfach wird es da nicht, die Fastenzeit unbeschadet zu überstehen. Das weiß der Publizist Jürgen Schmieder aus eigener Erfahrung. Auch er verbrachte die Fastenzeit ohne Lügen, wobei er auch diplomatisches Schweigen als Lüge auslegte – zu Ungunsten des Hausfriedens. „Ich habe einige Tage auf der Couch im Wohnzimmer verbracht, mein bester Freund hat mich kräftig geboxt, weil ich seiner Ex-Freundin erzählt habe, dass er sie betrogen hat“, erzählt er.
Auf Partys und Tanzveranstaltungen verzichten
Wo es bei Jürgen Schmieder um die Selbsterfahrung ging, geht es der evangelischen Kirche auch darum, auf Missstände hinzuweisen. Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Nikolaus Schneider, erinnert an die Situation von Flüchtlingen in Nordafrika. „Es ist schwer zu begründen, wenn wir immer neue Ausreden suchen, um Menschen, die an Leib und Leben bedroht sind, nötige Hilfe zu verweigern.“
Stressfrei leben
Die katholische Kirche dagegen rät, Fasten-Willige könnten auf den „unkontrollierten Gebrauch der Medien“ und auf „Partys, Tanzveranstaltungen und ähnliche Vergnügungen“ verzichten. Dazu gerät die Internet-Abstinenz während der Fastenzeit immer mehr in den Fokus. Ausgiebige Internetnutzer sollten nach Empfehlung von Gesundheitsexperten in der Fastenzeit auf soziale Netzwerke wie Facebook oder Twitter verzichten. „Viele Nutzer leiden wegen der medialen Überflutung unter chronischem Stress“, meint die Vorsitzende der Ärztegesellschaft Heilfasten und Ernährung, Eva Lischka. Für einen wochenlangen Facebook-Verzicht bedürfe es im übrigen genauso einer starken Psyche wie beim Verzicht auf kulinarische Laster wie Alkohol, Süßes oder Knabberzeug. (mit dapd)
Einige Fasten-Regeln:
Darf jeder fasten?
Menschen mit Vorerkrankungen, Ältere, Schwangere und stillende Frauen sowie Kinder sollten generell auf das Fasten verzichten. Dies gilt natürlich nur für Kuren, bei denen kaum etwas gegessen wird, so Gisela Olias vom Deutschen Institut für Ernährungsforschung in Potsdam-Rehbrücke.
Sollte man vor dem Fasten mit einem Arzt spechen?
Ja, generell sollte vor einem radikalen Fasten der Arzt aufgesucht und das weitere Vorgehen mit ihm besprochen werden. Ein unkontrolliertes Hungern kann bei verschiedenen Erkrankungen gefährlich sein und auch bei gesunden Menschen zum Kollaps führen. Bei Nierenerkrankungen, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Bluthochdruck, Krebs, Diabetes oder einer Schilddrüsenüberfunktion zum Beispiel ist auf das Fasten zu verzichten. Kurz nach einer Operation oder Infektionskrankheit ist von einer Fastenkur ebenfalls abzuraten. Für Kinder sind Diäten und Fastenkuren generell nicht geeignet. Nur unter ärztlicher Aufsicht sollten Menschen mit Gicht oder Depressionen sowie Patienten fasten, die ständig Medikamente nehmen.
Was ist, wenn man nur auf bestimmte Genussmittel verzichtet?
Der zeitweilige Verzicht auf bestimmte Genussmittel, wie es in der Regel in der Fastenzeit praktiziert wird, schadet laut Ernährungsexpertin Gisela Olias nichts. Sieben Wochen Fleisch, Alkohol oder Schokolade aus dem Speiseplan zu streichen, sei völlig unbedenklich, erklärt Olias.
Gibt es für das Fasten einen günstigen Zeitpunkt?
„Radikale Fastenkuren belasten den Stoffwechsel“, betont Gisela Olias. Daher werde empfohlen, bevorzugt im Urlaub zu fasten, Stress zu vermeiden und sich nur maßvoll zu bewegen. Außerdem solle man sich auf eine solche Kur gut vorbereiten, die Ernährung langsam umstellen und nicht von einem Tag auf den anderen mit dem Fasten beginnen. Für das Fastenbrechen gilt das Gleiche: Der Körper sollte langsam an normale Kost gewöhnt werden.
Entschlackt man durch das Heilfasten?
Nein! Beim Heilfasten erliegen einige Menschen einem Irrglauben: dem Entschlacken. Normalerweise wird das Heilfasten mit einer kalorienreduzierten Kost über zwei Tage eingeleitet. Um den angeblichen „Reinigungseffekt“ zu verstärken, wird zum Teil empfohlen, die Kur mit der Einnahme von Bitter- oder Glaubersalz zur Abführung zu beginnen. Danach wird häufig geraten, vor allem auf stilles Mineralwasser und je nach Fastenart auf Säfte oder Tees zu setzen. Viele Menschen glauben, mit dem Abführen und anschließendem Fasten ihrem Körper etwas Gutes zu tun, weil sie Schadstoffe und sogenannte Schlacken beseitigen. Aber im Körper fällt keine Schlacke an, sondern höchstens Stoffwechselprodukte oder Toxine. Die entsorgt jedoch ein gesunder Organismus problemlos über die Leber, die Nieren und den Darm. Eine Ent- oder Verschlackung durch das Fasten ist medizinisch nicht nachweisbar! Dennoch kann Heilfasten ein Anlass sein, über das eigene Ernährungsverhalten nachzudenken. (mit dapd)
Fastenzeit - machen oder nicht machen? Hier unser Pro und Contra: