Die Folgen der Finanz- und Wirtschaftskrise und der Sozialgesetzgebung schlagen sich im praktischen Tierschutz negativ nieder: Immer mehr Tiere werden aus finanziellen Gründen in Tierheimen abgegeben.
Das Spendenaufkommen ist eingebrochen, der Tierheimbetrieb kann nur noch 16 Monate auf jetzigen Niveau weitergeführt werden.
Der Deutsche Tierschutzbund ist mit 519 angeschlossenen Tierheimen und 744 Tierschutzvereinen bundesweit vertreten. In den letzten Monaten haben den Tierschutz-Dachverband immer mehr Meldungen erreicht, dass bei der Abgabe von Tieren in Tierheimen vermehrt „Finanzen" als Grund angegeben wird. Zudem droht den örtlichen Vereinen ein Spendeneinbruch als Folge der Finanzkrise, der durch die wenigen öffentlichen Zuschüsse für die Aufrechterhaltung des Tierheimbetriebes nicht aufgefangen wird.
Die Folgen der Finanz- und Wirtschaftskrise, aber auch der Sozialgesetzgebung schlagen sich im praktischen Tierschutz negativ nieder. Das belegt eine vom Deutschen Tierschutzbund in Auftrag gegebene repräsentative Umfrage. Immer mehr Tiere werden aus finanziellen Gründen in Tierheimen abgegeben; notwendige Investitionen in den Tierschutzeinrichtungen sind nicht mehr finanzierbar. Der weitere Einbruch der Spenden hätte zudem dramatische Folgen: Der Tierheimbetrieb könnte nur noch 16 Monate auf dem jetzigen Niveau weitergeführt werden. Der Deutsche
Tierschutzbund fordert „Gesellschaftspakt Tierschutz“.
69 Prozent der Tiere im Tierheim werden mittlerweile mit der Begründung „finanzielle Not“ abgegeben. Zum Großteil sind Hunde die „Opfer der Finanzkrise“ (85%) der Neuzugänge in Tierheimen), danach folgen Katzen (56%) und Kleintiere (15%). Auch die Vermittlungssituation verschärft sich, vor allem Hunde sitzen länger in den Tierheimen.
Hunde | 85 % |
Katzen | 56 % |
Kleintiere | 15 % |
Kranke Tiere | 6 % |
Vögel | 3 % |
Großtiere | 1 % |
Exoten | 1 % |
Alte Tiere | 0 % |
Hunde | 29 % |
Katzen | 26 % |
Vögel | 12 % |
Kleintiere | 19 % |
Großtiere | 5 % |
Exoten | 20 % |
Kranke Tiere | 21 % |
Durchschnitt über alle Tierarten | 26 % |
54 Prozent der Tierheime geben an, dass sich die Futterkosten stetig erhöhen. Die Ergebnisse der Studie, die das MAFOInstitut (Schwalbach) im Auftrag durchgeführt hat, belegen auch, dass die Tierheime „regionale Jobmotoren“ sein könnten.
stark erhöht | 8 % |
erhöht | 46 % |
nicht verändert | 43 % |
verringert | 3 % |
stark verringert | 0 % |
Erhöhung der Futterkosten in 2008 im Vergleich zu 2007* 15 % |
* Alle Befragten, die angeben, dass sich die Futterkosten in 2008 im Vergleich zu 2007 erhöht bzw. stark erhöht haben
Bei 75 Prozent der Tierheime sind dringende Investitionen notwendig, die aber derzeit aus finanziellen Gründen aufgeschoben werden müssen. Die Spenden in vielen Tierheimen sind stark rückläufig. Erste Tierheime stehen vor der Insolvenz.
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Baumaßnahmen allgemein (netto) | 27 % |
Katzenhaus | 5 % |
Zwinger (für Hunde und Katzen) | 5 % |
Neubau (netto) | 23 % |
Neubau von Tierhäusern / Katzenhäusern / Hundehäusern | 5 % |
Sanierung / Renovierung (netto) | 21 % |
Sanierung / Modernisierung / Erneuerung allgemein | 6 % |
Sanierung der Tierhäuser / des Katzenhauses / des Hundehauses | 5 % |
Ausbau / Erweiterung (netto) | 5 % |
Sonstiges (netto) | 6 % |
Keine Investition geplant | 25 % |
"Wir brauchen einen Gesellschaftspakt. Tierschutz ist neben ideellem Engagement auch eine Finanzfrage. Um den Tierschutz mittelfristig zu stützen, benötigen wir 15 Millionen Euro. Was wir zudem brauchen, ist eine Berücksichtigung der Tiere bei der Bemessung von Sozialleistungen“, so Wolfgang Apel, Präsident des Deutschen Tierschutzbundes. Und weiter: „Wenn wir jetzt nicht handeln, müssen wir die Tiere, die wir für die Kommunen betreuen, in den Rathäusern
abgeben“. In den dem Deutschen Tierschutzbund angeschlossenen Tierheimen werden jährlich 300.000 Tiere betreut. Allein das ehrenamtliche Engagement spart den öffentlichen Haushalten jährlich mehr als eine halbe Milliarde Euro an Kosten für die Tierbetreuung. Dabei sind Tiere für ältere Menschen und für sozial schwache Personen oft die letzte Brücke in die Gesellschaft. Oftmals sind die Tierhalter gezwungen, ihr Tier abzugeben, weil die Tierhaltung bei der Bemessung von Sozialleistungen keine Rolle spielt. Die Entwicklung, die von Tag zu Tag dramatischer wird, ist auch für eine soziale Gesellschaft eine Entwicklung mit viel Sprengkraft.
„Tierschutz ist eine gesamtgesellschaftliche Pflicht, der sich Bund, Land und Kommunen nicht entziehen dürfen. Und Tierheime übernehmen hierbei die staatliche Aufgabe, in Not geratene Tiere aufzunehmen. Der Staat verschiebt immer mehr Aufgaben auf den ehrenamtlich organisierten, karitativen Tierschutz, ohne sicherzustellen, dass der auch in der Lage ist, diese zu bewältigen", erläutert Apel.
Zusammenfassung
- In 69% der Fälle sind finanzielle Gründe Ursache für die Abgabe eines Tieres an ein Tierheim. Im Vergleich zum Vorjahr haben die Fälle der Abgabe aus finanziellen Gründen um 26% zugenommen. 55% der Befragten geben an, die Vermittlung an neue Halter ist aufgrund deren finanzieller Situation erschwert.
- 54% der Befragten geben an, dass sich die Futterkosten für das Tierheim erhöht oder stark erhöht haben. Im Vergleich von 2007 zu 2008 wird eine durchschnittliche Steigerung von 15% berichtet.
- 62% der Befragten bekamen bereits einen Rückgang des Spendenaufkommens zu spüren. Bei 60% der befragten Tierheime, die eine Investition in den nächsten 1 bis 2 Jahren geplant haben, liegen die durchschnittlich geplanten Investitionskosten in einem Bereich bis 50.000 Euro. 69% der geplanten Investitionen sind nicht finanziell abgesichert. 79% der geplanten, aber nicht finanziell abgesicherten Investitionen müssen aufgrund der wirtschaftlichen Gesamtlage zurückgestellt werden. Bei einem Rückgang der Mitteleinwerbungen um 25% wäre nur noch die Hälfte der Tierheime in der Lage, den Betrieb mittelfristig aufrecht zu erhalten. Im Schnitt wären diese nach knapp 16 Monaten nicht mehr in der Lage, den Tierheimbetrieb wie bisher weiterzuführen.