Düsseldorf. Viele Tierheime in NRW sind kurz vor dem Start der Sommerferien am Rande ihrer Kapazitäten. Immer häufiger werden dort Haustiere abgegeben, deren Besitzer sich eine Tierhaltung nicht mehr leisten könnten. Betreiber beobachtet "Tendenz der Unzuverlässigkeit bei Tierhaltern".

Viele Tierheime in NRW sind derzeit am Rande ihrer Kapazitäten. Immer häufiger werden dort Haustiere abgegeben, deren Besitzer sich in der Wirtschaftskrise eine Tierhaltung nicht mehr leisten könnten. Einen regelrechten Ansturm müssen die Einrichtungen zudem mit Beginn der Sommerferien bewältigen, wenn besonders viele Hunde, Katzen und Kleingetier ausgesetzt oder abgegeben werden. Neben dieser Mehrbelastung müssen die Tierschutzvereine in diesem Jahr zusätzlich mit der allgemein sinkenden Spendenbereitschaft fertig werden.

Aktion "Nimmst du mein Tier, nehm' ich dein Tier"

«Wir stellen uns wieder auf eine traurige Hochsaison ein», sagt Marius Tünte vom Deutschen Tierschutzbund. 70 000 Tiere werden schätzungsweise jedes Jahr deutschlandweit in den Sommermonaten von ihren Besitzern aufgegeben. Da helfe auch nicht, dass das «Aussetzen» laut Tierschutzgesetz verboten und mit bis zu 25 000 Euro bestraft werden könne. Deshalb versuche der Verein, mit der Aktion «Nimmst du mein Tier, nehm' ich dein Tier» Feriensitter zu vermitteln. Auch sei eigens eine Urlaubshotline eingerichtet worden, um rechtzeitig auf Einreisebestimmungen einzelner Länder hinzuweisen und andere Ferientipps zu geben.

Die Wirtschaftskrise stellt laut Tierschutzbund-Sprecher Tünte eine doppelte Belastung für die Vereinseinrichtungen dar. Zum einen würden immer mehr Tiere aufgrund finanzieller Schwierigkeiten ihrer Besitzer in Heime gebracht. Bei schätzungsweise jedem vierten Neuzugang sei dies der Fall. «Dort wo der Job unsicher ist, werden auch Tiere vermehrt abgegeben. Das war schon 2008 im Raum Bochum und Essen so, als das Nokia-Werk geschlossen wurde.» Zum anderen sinke in diesen Regionen auch die Bereitschaft, Tierschutzvereinen zu spenden. Darüber hinaus würden die Kommunen angesichts leerer Kassen voraussichtlich die Zuschüsse runterfahren. «Wir können nur hoffen, dass die ehrenamtliche Tätigkeit nicht nachlässt», sagt Tünte.

20 Prozent weniger Spenden

Das Essener Albert-Schweitzer-Tierheim etwa muss derzeit einen Spendenrückgang von rund 20 Prozent verkraften, berichtet Leiterin Bärbel Thomassen. «Viele unserer Mitglieder und Spender schreiben uns, dass sie ihren Job verloren haben.» Dem Verein, der ausschließlich von solchen Zuwendungen leben würde, bliebe nichts anderes übrig, als an die Spendenbereitschaft anderer zu appellieren.

Das Bielefelder Tierheim musste laut Tierschutz-Verein in den vergangenen vier Wochen doppelt so viele Tiere aufnehmen wie in den Wochen zuvor. 50 Hunde, 130 Katzen und 50 Kleintiere haben dort Asyl gefunden. Die Wuppertaler Tierschützer richten bereits Notunterkünfte ein. Die Düsseldorfer Herberge, wo 2008 insgesamt 2700 Tiere Platz fanden, kalkuliert mit einer Zunahme von 25 Prozent in der Haupturlaubssaison zwischen Mai und September.

Büros zu Tierherbergen umgewandelt

«Kurz vor Ferienbeginn bekommen wir vermehrt Anfragen, ob wir Tiere in Pension nehmen, und wenn wir verneinen, heißt es dann: 'Dann können Sie es gleich ganz behalten, mein Flieger geht morgen'», berichtet Sylvia Hemmerling, Sprecherin vom Tierheim Köln-Dellbrück. 138 Hunden, 86 Katzen und unzählige Kleintiere bevölkern bereits vor Anfang der Sommerferien die Kölner Einrichtung, in der inzwischen Mitarbeiterbüros zu Herbergen umgerüstet werden.

«Auffallend sei insgesamt eine Tendenz der Unzuverlässigkeit bei Tierhaltern, ergänzt Doris Hoffe, Vorsitzende des Tierschutzvereins Münster. So besäßen trotz der für NRW geltenden Kennzeichnungspflicht für größere Hunde die Mehrheit der aufgegriffenen und abgegebenen Tiere weder Mikrochip noch Tätowierung. «Man kann daraus schließen, dass die Besitzer dann auch nicht den notwendigen Sachkundeausweis haben und auch keine Hundesteuer zahlen.» (ddp)

Der Deutsche Tierschutzbund hat eine Urlaubs-Hotline eingerichtet: 0228/6049627.