Essen. . Um ihre Schiffe vor Piraten zu schützen, setzen immer mehr deutsche Reedereien auf private Sicherheitskräfte. Das geht ins Geld - und ist in der Branche durchaus umstritten.

Deutsche Reeder bewaffnen ihre Frachtschiffe und Tanker, um sich vor den zunehmenden Piratenangriffen auf den Seewegen nach Asien zu schützen. Sie heuern immer öfter private Sicherheitskräfte für den Wachdienst an Bord an, weil die Bundesregierung bisher keine Bundespolizei für diese Aufgabe zur Verfügung stellt. Eine vierköpfige private Schutztruppe soll für eine Fahrt bis zu 100 000 Dollar kassieren.

„Der Trend hat sich seit sechs Wochen massiv verstärkt“, bestätigte der Verband Deutscher Reeder (VDR) gegenüber DerWesten: „Die Seeleute fragen nach solchem Schutz“. Doch das Vorgehen großer Reedereien wie Beluga, Komrowski und Offen sowie vieler weiterer, wie der VDR einräumt, ist hochumstritten. Bedeutende Schiffahrtsfirmen wie die Dortmunder Dr. Peters-Gruppe, die alleine 81 Schiffe auf den Weltmeeren unterwegs hat, lehnen privaten bewaffneten Schutz ab und setzen auf passiven Schutz an Bord bei gleichzeitigem Geleitschutz durch Kriegsschiffe .

Auch der Verband geht auf Abstand zum Heuern privater Sicherheitsunternehmen: „Wir möchten diesen Trend nicht“, sagt Sprecher Max Johns, „es wäre fatal, wenn die Sicherheit auf See privatisiert wird“. Es wäre „ein Rückfall ins Mittelalter“, wenn sich reichere Schiffeigner durch den Einsatz von Blackwater oder deren Nachfolger mehr Sicherheit leisten könnten als andere.

Bedenken gegen „Privatarmeen“

Bei den Schutzmannschaften, die jetzt angeheuert werden, handelt es sich vielfach um ehemalige britische oder israelische Soldaten, auch Ex-Royal Marines, die bei britischen Firmen angestellt sind. Die Reedereien setzen vorher Flaggen von Billig-Staaten, weil die Bundesregierung massive rechtliche Bedenken gegen den Einsatz von „Privatarmeen“ auf Schiffen unter der schwarz-rot-goldenen Flagge geltend gemacht hat.

Unter den Reedern wächst, vor allem seit der Kaperung der Bremer „Beluga Nomination“ und dem Tod eines ihrer Bootsleute bei einem Feuergefecht mit Piraten vor zwei Wochen, die Wut auf Berlin. Der Schutz der EU-„Atalanta“-Marineeinheiten, zu denen derzeit die Fregatte „Hamburg“ gehört, beschränke sich auf „ein sehr kleines Seegebiet“, sagt Johns. Längst passierten die Überfälle, unerreichbar für die Geleitflotte, aber auch anderswo.

Hoffen auf die Bundespolizei

In einer offiziellen Stellungnahme des Verbandes werden deshalb massive Töne angeschlagen: „Es ist höchste Zeit, entschlossen zu handeln, bevor es noch mehr tote Seeleute auf deutschen Handelsschiffen gibt“.

Die Reeder hoffen, dass bald Bundespolizei in Kooperation mit der Bundesmarine an Bord Schutzdienste übernehmen könnte - so, wie dies schon durch Länder wie die Niederlande und Frankreich gemanagt wird. Sie Unternehmen sind bereit, dafür zu zahlen. Es laufen darüber Verhandlungen mit der Bundesregierung, sagt Johns, aber diese seien schwierig.

Kalte Schulter vom Wirtschaftsministerium

Denn offenbar gibt es im Umgang mit der Piratengefahr keine einheitliche Meinung im Bundeskabinett. Während die Ministerien für Verteidigung und Inneres versuchen, mit den Schiffseignern zu einem Kompromiss zu kommen, hat das Wirtschaftsministerium bisher die kalte Schulter gezeigt: Für ihren Schutz müssten die Reeder selbst sorgen.

Vor allem der Auftritt des Wirtschafts-Staatsekretärs Hans-Joachim Otto (FDP) bei einem „Piraten-Gipfel“ Anfang vergangener Woche ist den Vertretern der maritimen Wirtschaft aufgestoßen. Er habe, anders als die Verhandlungspartner im Verteidigungs- und Innenministerium, wenig Kenntnis von der Sache gezeigt.

Immer mehr Mutterschiffe

700 Seeleute und mehr als 40 Schiffe sind derzeit in der Gewalt der Piratenorganisationen in Somalia, und die Lage vor Ort verschärft sich, zumal die Fracht der entführten deutschen „Beluga Nomination“ von den somalischen Piraten gut für weitere Überfälle genutzt werden kann: Es handelt sich seetüchtige Luxus-Yachten, die zu Schnellbooten umgebaut werden können.

Überdies kommen immer mehr „Piraten-Mutterschiffe“ in den Einsatz – vor längerer Zeit gekaperte Frachter, deren Besatzung zu erneuten Auslaufen gezwungen werden und mit denen Überfälle organisiert werden.

Piraten oder Terroristen?

In der „Frankfurter Allgemeinen“ hat „Beluga“-Chef Niels Stolberg geschildert, wie das bei seiner „Beluga Nomination“ ablief: Bei einem Befreiungsversuch durch ein Patrouillenboot der Seychellen sei ein Pirat ums Leben gekommen. „Die übrigen waren praktisch orientierungslos. Sie wussten nicht, wie sie das Schiff wieder in Gang kriegen sollten. Daher riefen sie ihren Anführer an Land um Hilfe. Der hat ihnen ein Mutterschiff geschickt, die Ende Oktober gekaperte York“. Die westlichen Marineeinheiten hätten nicht einmal das Auslaufen dieses Schiffes verhindert, „dabei war die York, übrigens mit einem deutschen Kapitän als Geisel, eineinhalb Tage unterwegs“.

Völlig offen ist, welchen Charakter die Überfälle auf den Seewegen nach Asien haben. Terrorismus? „Wir reden hier nicht über Piraterie. Wir reden über Terrorismus“, sagte Stolberg in der FAZ. Reeder-Sprecher Max Johns dagegen: Die Piraten wollten Geld erpressen. „Terroristen würden zerstören“.