Essen. Schon wieder ist ein deutsches Schiff in der Hand von Piraten. Die „Beluga Nomination“ mit zwölf Mann Besatzung an Bord wurde 800 Meilen nördlich der Seychellen gekidnappt. Die Hilferufe der Mannschaft nach Militär blieben ungehört.

Im Indischen Ozean ist kein Planquadrat mehr sicher. 800 Meilen nördlich der Seychellen haben die Piraten diesmal zugeschlagen. Weit weg von Somalia, der Basis der modernen Seeräuberei. Weit weg auch von den Operationsbasen westlicher Fregatten.

Seit Samstag hat ein Piratenkommando die „Beluga Nomination“ aus Bremen und ihre zwölf Mann Besatzung in der Hand. Es hat nichts genutzt, dass die Crew in den gepanzerten Sicherheitsraum floh, als die feindlichen Besucher an Deck kletterten. Zweieinhalb Tage hielt sie sich verbarrikadiert. Ihre Hilferufe nach Militär blieben ungehört. Die Kriegsschiffe der UNO-Mission „Atalanta“ lagen zum Bunkern im Hafen oder begleiteten andere Schiffe.

Das Finale dann muss dramatisch gewesen sein: Als die Angreifer die schützende Stahlkammer mit Schweißbrennern knackten, ergaben sich die Opfer – Russen, Polen, Ukrainer, sieben Filipinios – widerstandlos. Jetzt sind sie, unerreichbar für Kontaktaufnahmen und erst recht für alle Befreiungsversuche, als Geiseln unterwegs nach Somalia.

Die Statistik sagt, dass sie mindestens 105 Tage Gefangene sein werden, wenn nicht noch länger. Erst nach solchen Zitterpartien, in denen die Drahtzieher der Piraterie regelmäßig bis zu neun Millionen Dollar Lösegeld aushandeln, ist an Heimkehr zu denken. 735 Seeleute von 31 Schiffen sitzen derzeit in Geiselhaft. Immer öfter schlagen Seeräuber zu. Und brutaler.

Die blaue Flotte hat eine niedrige Bordwand

Für Niels Stolberg, den Geschäftsführer der Beluga-Reederei, ist das Drama auf der „Nomination“ unverständlich. „Wir können uns nicht erklären, warum innerhalb der zweieinhalb Tage keine Hilfe von außen angeboten werden konnte“, klagt er. Nur ein Flugzeug der Küstenwache der Seychellen hat den gekaperten Frachter überflogen.

Es ist das dritte Mal, dass sein Unternehmen von Piraterie betroffen ist. Man fährt Schwergut- und Containerschiffe, häufig zwischen Europa und Fernost. Die blaue Flotte hat eine niedrige Bordwand. Das lädt zum Entern ein. 90 Prozent des Welthandels geht über See, ein großer Teil durch den Golf von Aden. Helfen nicht einmal Schutzräume gegen die Überfälle?

Sie helfen durchaus, glaubt Jürgen Salamon, Inhaber der Dr. Peters-Gruppe in Dortmund, die 81 Schiffe unter ihrer Flagge führt – aber nur in Kombination mit anderen Maßnahmen. „Unsere Fahrzeuge fahren nur im Konvoi. Ein Kriegsschiff muss in Reichweite, aber außer Sichtweite sein. Droht der Piratenangriff, stellt unsere Besatzung die Maschine ab und geht in den Schutzraum.“ Das ist, genau so, an Bord von Salamons „Magellan Star“ im September passiert. Die gefoppten Piraten riefen sogar in Dortmund an und baten um Tipps, wie die Maschine zu bedienen sei. Doch die US-Marine war sehr schnell da. Die Crew wurde befreit, alle Piraten verhaftet.

Bewaffnete Schutzleute an Bord

Salamon ist „sehr zurückhaltend“ bei Vorschlägen, wie sie der Bundesverband der Deutschen Reeder macht und die der gestern mit Dringlichkeit wiederholte: Dass nämlich bewaffnete Schutzleute an Bord besser seien als bewaffnete Kriegsschiffe in der Nähe. Noch am Montag hat die Debatte eine Rolle in einem Gespräch im Bundeswirtschaftsministerium gespielt.

Die Bundesregierung lehnt das ab, rechnet vor, dass der Personalaufwand bei 1700 jährlichen Passagen deutscher Schiffe im Golf und einer Schutztruppe von je zehn Leuten immens sei. Zuständig wäre auch eher die Bundespolizei, weniger die Bundeswehr. Doch den Polizisten fehlt nicht nur die Ausstattung. „Das muss politisch entschieden werden“, sagt Matthias Menge von der Bundespolizei See. Helfen könne man ohnehin nur Schiffen unter deutscher Flagge. Bis jetzt verteilen Menges Leute zumindest gute Ratschläge. 500 Mal wurden sie angefordert. Sechs Mal wirkten sie.

Terroristen im Spiel?

Für den Reeder der „Beluga Nomination“ hilft nur abwarten – und verhandeln. Mit wem, ist unklar. Seit Herbst mischen auch Terrormilizen der El Shaaab im Geschäft mit. Sie drohen den westlichen Handelswegen einen „Djihad“ zur See an. Geht es längst um Krieg, nicht um Lösegeld?