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Was geht einem durch den Kopf, was fühlt ein Mensch, wenn er einen Tag auf einem Schiff mit bewaffneten Piraten verbringen muss? Es ist kaum vorstellbar. Und noch weniger, wenn aus einem Tag 121 Tage werden: So erging es im vergangenen Jahr der 24-köpfigen Besatzung des deutschen Frachters „Hansa Stavanger“. Der Kapitän Krzysztof Kotiuk erzählt nun von dem tragischen Erlebnis in: „Frohe Ostern Hansa Stavanger“.

Kurz vor Ostern, am 4. April, kapern somalische Piraten das Schiff im Golf von Aden. Sie bedrohen die Crew mit Kalaschnikows, verschleppen einige Männer an Land, führen Scheinexekutionen durch, um ihnen Angst und der Reederei Druck zu machen: Sie verlangen 15 Millionen US-Dollar.

Der Kapitän erzählt dies bewegend im Stil eines Tagebuchs. Kotiuk bemüht sich um einen sachlichen Ton, doch seine Wut im Bauch ist stets spürbar. Er klagt die Reederei an. Über die Gründe, warum sie die Besatzung ganze 121 Tage lang in der Hand der Piraten ließ, kann er nur mutmaßen: „Sie will die Piraten weich kochen. Uns aber macht sie dabei fertig.“

Die Reederei nannte den Piraten Öffnungszeiten

Den Familienangehörigen soll die Reederei ausgerichtet haben, sie versorge die Besatzung mit Wasser und Lebensmitteln und sei ständig in Kontakt mit ihr. Kotiuk berichtet dagegen, wie er und seine Mannschaft Wasser aus der Kühlanlage trinken und sich von dem ernähren mussten, was sie angelten. Die Reederei habe den Piraten „Öffnungszeiten“ mitgeteilt: täglich zwischen 10 und 12 Uhr. Ausgenommen an Wochenenden.

Und dann habe es tagelang Funkstille gegeben.

Erst nach vier Monaten kommt die Besatzung frei, für ein Lösegeld von 2,75 Millionen US-Dollar (2,1 Millionen Euro). Nach der Einschätzung des Kapitäns, wäre dieser Deal schon Wochen vorher möglich gewesen, wie bei anderen von Piraten gekaperten Schiffen.

Was nicht in dem Buch steht: Der Kapitän wurde kurze Zeit nach seiner Befreiung von der Reederei entlassen.

Auf die Bitte dieser Zeitung um eine Stellungnahme zu dem Buch, reagierte der Reeder Frank Leonhardt mit einer Mail: „Die Kommunikation zwischen der Schiffsführung der MS
Hansa Stavanger, den Piraten und der Reederei war während der 4-monatigen Entführung zu komplex, um in einer kurzen Antwort angemessen behandelt werden zu können. Ferner gilt nach wie vor die Absprache mit den zuständigen deutschen Behörden, dass die Einzelheiten dieser Vorgänge vertraulich gehalten werden. Ich bitte daher um Verständnis, dass ich zu dem Buch von Herrn Kapitän Kotiuk in der Öffentlichkeit nicht Stellung nehme.“

Krzysztof Kotiuk: Frohe Ostern Hansa Stavanger. Delius Klasing, 220 Seiten, 19,90 Euro