Berlin. Mit „Weiße Rosen aus Athen“ wurde Mouskouri weltweit bekannt. Was ihr half, die 90 zu erreichen und was sie zurzeit am meisten bekümmert.
„Himmlischer Gesang“, „Stimme des Jahrhunderts“ – das Lob für Nana Mouskouri, die mit „Weiße Rosen aus Athen“ Herzen zum Schmelzen brachte, kannte keine Grenzen. Über 300 Goldene, Platin- und Diamantene Schallplatten dokumentieren den jahrzehntelangen Erfolg der Frau, die mit ihrer schwarzen Brille und dem dunklen Mittelscheitel zur Stilikone wurde. Am 13. Oktober wird Griechenlands Jahrhundertsängerin Nana Mouskouri 90 Jahre alt. Und das will gefeiert werden. Die auf Kreta geborene und in Athen aufgewachsene Sängerin hat auf „Happy Birthday, Nana“ ihre größten Hits in deutscher Sprache versammelt. Im Telefongespräch erzählt Nana Mouskouri, die seit vielen Jahren in der Schweiz am Genfer See lebt, mit welchen Gefühlen sie auf ihr Leben blickt.
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Liebe Nana, wie geht es Ihnen?
Nana Mouskouri: Mir geht es mittlerweile wieder ganz gut. Viel besser jedenfalls als noch vor ein paar Wochen.
Was ist denn geschehen?
Mouskouri: Vor ungefähr einem Monat war ich in Athen und bin dort gefallen. Das ist, gerade in meinem Alter, keine ungefährliche Sache. Aber ich hatte Glück, es ist nichts gebrochen. Die einzige Folge ist, dass ich mich nun ein bisschen ausruhen muss, um wieder ganz in Ordnung zu kommen.
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Sind Sie jetzt wieder in der Schweiz, in Genf, wo Sie leben?
Mouskouri: Ja, das bin ich. Mein Mann und ich, wir fühlen uns hier immer noch sehr wohl. In der Schweiz lebe ich schon seit fünfzig Jahren, seit 1974. Mein Mann ist Franzose und ebenfalls Musiker. Wegen seiner Arbeit war es damals praktisch, hier zu leben. Genf ist wirklich immens schön, die gesamte Schweiz ist ein sehr angenehmes Land mit freundlichen Menschen. Das hier ist meine Heimat. Aber auch Paris und Athen würde ich als Heimat bezeichnen. Ich bin eigentlich überall dort zu Hause, wo ich mich aufhalte.
Nana Mouskouri über Krieg: „Wir glaubten, so etwas könne nie wieder geschehen“
Ihre zwei Kinder aus erster Ehe sind Mitte fünfzig. Wohnen sie auch in der Schweiz?
Mouskouri: Sie sind hier mit und bei mir aufgewachsen, und sie haben natürlich ihr eigenes Leben, sind aber auch oft bei mir. Auch für meine Kinder ist die Schweiz Heimat. Und es hier so schön ruhig, das genieße ich, auch wenn wir nicht im Paradies leben, sondern auch unsere Probleme haben, so wie die meisten Menschen in den meisten Ländern.
Ihre Lieder sind ja immer voller Freude und Liebe. Machen Sie sich aktuell mehr Sorgen um die Welt als sonst in Ihrem Leben?
Mouskouri: Ja, ich bin besorgt. Seit ich auf der Welt bin, haben wir sehr viel Fortschritt und tolle Entwicklungen erlebt. Vieles hat sich sehr positiv verändert. Auf der anderen Seite wachsen die jungen Menschen heute mit Bedrohungen auf, die wir zuvor noch nicht kannten. Ich wuchs mit dem Schrecken des Zweiten Weltkriegs auf, aber das ist ja sehr lange her, und wir glaubten, so etwas könne nie wieder geschehen. Ich finde es ganz schrecklich und ich hätte es nie für möglich gehalten, dass jetzt wieder so viele Menschen in Europa in einem Krieg sterben.
Sie waren sechs oder sieben Jahre alt, als die deutsche Wehrmacht 1941 Griechenland überfiel. Ihr Vater führte dort ein Freiluftkino. Sie haben den Krieg noch erlebt.
Mouskouri: Ja, ich habe den Krieg gesehen. Ich habe gesehen, wie Leichen in den Straßen lagen. Aber trotz allem: Ich bin und ich bleibe eine sehr optimistische Person. Ich habe viel Schönes und viel Schlimmes in meinem Leben gesehen, und ich bin überzeugt: Es gibt immer Hoffnung. Was allerdings nicht heißt, dass ich die derzeitigen Kriege und Krisen nicht ernst nehmen würde, denn das tue ich.
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Was sollten wir tun?
Mouskouri: Wir sollten nicht vergessen, unser Leben zu leben. Das Beste daraus machen. Eines Tages wird es auch wieder besser aussehen. So war es doch immer.
Diese Lebensphilosophie hielt Nana Mouskouri immer fit
Was machen Sie denn aus Ihrem großen Geburtstag? Schauen Sie mit Vorfreude auf den 13. Oktober?
Mouskouri: Ich versuche immer noch zu verstehen, dass ich 90 Jahre alt werde. Es ging so schnell! Auf alle Fälle ist es ein großes Privileg. Ich habe so lange überlebt, ich lebe noch immer und es geht mir gut. Längst nicht alle Menschen werden so alt, die meisten bedauerlicherweise nicht.
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Hatten Sie ein Rezept, um ein hohes Alter zu erreichen?
Mouskouri: Ja, ich habe mir immer Ziele gesetzt. Und ich habe nie aufgehört zu arbeiten. Mein ganzes Leben lang war Disziplin extrem wichtig, das war schon so, als ich am Konservatorium in Athen Gesang, Klavier und Harmonielehre studierte und in meiner Freizeit in einer Jazzband sang. Ich bin immer so gut es ging bei mir geblieben und war aufrichtig zu mir selbst. So bin ich gut durch schöne wie auch durch schwere Zeiten gekommen. Jetzt bin ich hier, 90 Jahre alt, und alle fragen mich, wie ich feiern werde.
Und? Wie werden Sie feiern?
Mouskouri (lacht): Ich habe ein wenig Angst vor einer großen Feier. Ich mag das nicht so gerne, mich feiern zu lassen. Aber ich bin davon überzeugt, dass mein Mann mir wirklich gern ein Fest schenken möchte.
Wissen Sie, ob ihr Gatte André Chapelle etwas vorbereitet?
Mouskouri: Mein Gefühl sagt mir, dass er etwas plant. Aber er verrät mir nichts (lacht). Ich lasse ihn mal machen.
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Rechnen Sie mit weißen Rosen als Geschenk?
Mouskouri: Aber natürlich! Ich liebe Blumen, und ich liebe auch natürlich weiße Rosen. Immer wieder schicken Fans mir Blumen, darüber freue ich mich sehr. „Weiße Rosen“ ist für meine Karriere und für mein ganzes Leben ein sehr besonderes Lied. Es war 1961 meine erste Single in Deutschland und wurde sogleich zu einer Nummer eins und bescherte mir meine erste Goldene Schallplatte. Das Lied war der wirkliche Beginn meiner Karriere, jedenfalls der Karriere außerhalb von Griechenland. Seither habe ich nie mehr aufgehört, zu singen.
Mouskouri über einschneidendes Erlebnis: „Ich weinte oft“
Sie kamen 1960 nach Deutschland. Was wussten Sie über das Land und welche Erfahrungen haben Sie gemacht?
Mouskouri: Als ich Athen verließ, kam ich zunächst nach Frankreich, wo ich eine französische Version von „Weiße Rosen aus Athen“ aufnahm. Danach ging es nach Berlin, wo ich in einem Hotel am Potsdamer Platz wohnte und ganz in der Nähe im Studio meine Musik aufnahm. Ich konnte von meinem Hotelfenster aus sehen, wie sie die Mauer bauten. Ich war sehr stark hin- und hergerissen von meinen Gefühlen. Einerseits war ich in Deutschland plötzlich erfolgreich und sehr gefragt. Andererseits weinte ich oft, weil ich mitbekam, wie die Berliner Mauer immer größer wurde. Ich wünschte mir so sehr, dass diese Mauer wieder abgerissen werden würde. Ich sah, wie falsch das alles ist. Knapp dreißig Jahre später wurde meine große Hoffnung endlich wahr.
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Griechenland war nach dem Zweiten Weltkrieg zunächst keine Demokratie, und das Frauenwahlrecht etwa wurde erst Mitte der fünfziger Jahre eingeführt. Wie haben Sie als junge Frau auf diesen Mangel an Freiheit reagiert?
Mouskouri: Ich habe mich hinausgeträumt in die weite Welt. So wurde ich ein Fan von Elvis Presley, ich habe von ihm geschwärmt, er wirkte so jung und unbekümmert. Später entdeckte ich die Rolling Stones, die Beatles und viele mehr. Ich denke, wir sollten uns sehr glücklich darüber schätzen, dass wir in Freiheit und in demokratischen Verhältnissen leben dürfen. Nur diese Kriege, die machen mich sehr traurig, niemand braucht Kriege. Krieg bringt Leid und Tod und sonst nichts.
Rückkehr auf die Bühne? „Das ist mein großer Traum“
Hatten Sie als Jugendliche eine Lieblingssängerin?
Mouskouri: Ich habe Marlene Dietrich verehrt. (beginnt zu singen) „Ich bin von Kopf bis Fuß auf Liebe eingestellt.“ Phantastisch.
Sie haben Marlene Dietrich auch mal getroffen, oder?
Mouskouri: Ja, das war in Paris, Anfang der siebziger Jahre. Sie spielte eines ihrer letzten Konzerte im „L’Espace Pierre Cardin“. Jane Birkin und Serge Gainsbourg, Alan Delon, wir alle warteten auf sie vor ihrer Garderobe. Ich hatte gar nicht erwartet, dass sie mich kennt, doch dann sah sie mich und sagte: „Wie schaffst du es nur, so wundervoll zu singen?“ Ich war so glücklich, dass ich geweint habe. Ihre Bewunderung bedeutet mir zeitlebens unheimlich viel.
Planen Sie, im kommenden Jahr wieder Konzerte zu geben?
Mouskouri: Das ist mein großer Traum. Im Moment geht es noch nicht, nach dem Sturz, auch nach Corona. Aber das Ziel meiner vielen Übungen und Bemühungen ist auch, dass ich wieder auf die Bühne zurückkommen kann.
Nana, Sie haben 2018 ein Album mit Coversongs aufgenommen, „Forever Young“ heißt es. Sind Ihre Songs auch für immer jung?
Mouskouri: Das will doch hoffen!
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Und Sie selbst? So im Herzen?
Mouskouri: Im Herzen ist das kleine Mädchen immer da. Das werde ich auch nicht mehr los (lacht).