Berlin. Luis Bauer gilt als jüngster Bestatter Deutschlands. Gleichzeitig ist er Social-Media-Star. Wie es ist, zwischen Toten aufzuwachsen.

Der Tod ist eigentlich eines der Themen, über die Menschen lieber schweigen. Bei Luis Bauer ist das anders: Der 19-Jährige gilt als einer der jüngsten Bestatter Deutschlands. Gleichzeitig spricht er in den sozialen Medien über Themen rund um den Tod. Und das mit Erfolg: Auf Instagram folgen Bauer rund 220.000 Menschen, auf TikTok sogar 1,3 Millionen. Außerdem führt er einen Podcast mit seinem Vater. Denn: Bauer ist Bestatter in sechster Generation. Er wuchs im Familienbetrieb auf, spielte als Kind zwischen Särgen. Im Interview verrät Luis Bauer, wie er sich seine eigene Beerdigung vorstellt, welche letzten Wünsche er lieber nicht erfüllt und wie das ist, von Toten umgeben aufzuwachsen.

Wie sind Sie zum Beruf des Bestatters gekommen?

Luis Bauer: Das war relativ klassisch. Meinem Vater gehört die Firma und ich war deswegen schon früh mit dem Thema vertraut. Ursprünglich wollte ich ein Praktikum machen, das ist aber wegen Corona ausgefallen. Dann habe ich mich stattdessen für einen Minijob beworben. Während meine Freunde im Supermarkt Regale eingeräumt haben, war ich mit meinem Vater im Bestattungsunternehmen. Da habe ich eine kleine Ausbildung absolviert. Und jetzt bin ich Einbalsamierer – ich kümmere mich also den ganzen Tag um die Verstorbenen: Abholen, von A nach B fahren, versorgen, schick machen.

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Und wann kam die Entscheidung zur Social Media Arbeit?

Bauer: Ich stand immer gerne vor der Kamera und hatte in der Grundschule auch schon einen YouTube-Kanal. Ich habe dann gemerkt, wie viel Interesse bei den Leuten zu diesen Themen vorhanden ist. Da hatte ich die Idee, das auf TikTok einfach mal zu erklären. Ich habe im Februar 2021 das erste Video hochgeladen – das ging dann direkt viral. Und seitdem habe ich immer weiter gemacht.

Bestatter Luis Bauer: „Den Geruch vergisst man auf jeden Fall nicht mehr“

Was für Fragen erhalten Sie am häufigsten aus Ihrer Community?

Bauer: Das ist sehr themenspezifisch. Wenn ich mal zu einem Thema ein Video mache, dann kommen natürlich Rückfragen dazu. Aber ansonsten ist alles dabei. Zum Beispiel: Wie macht man das, wenn jemand sehr schweres stirbt? Braucht man den Sarg wirklich? Wie heiß ist es im Ofen bei der Feuerbestattung? Darf man Sachen mit in den Sarg legen? Wie riechen Tote so? Ich könnte jetzt nicht zwei oder drei Fragen nennen, die immer gestellt werden, das ist komplett bunt gemischt.

Luis Bauer als Kind neben einem Sarg
Luis Bauer fand über das Familienunternehmen schon früh seinen Weg in die Bestattungs-Branche. © Bestattungen Burger | Bestattungen Burger

Und wie riechen Tote?

Bauer: Tote riechen irgendwie fast immer gleich. Es ist schwer, den Geruch zu beschreiben: Unangenehm, manchmal leicht süßlich, stechend. Den Geruch vergisst man auf jeden Fall nicht mehr.

Der Beruf des Bestatters wird bei jungen Leuten immer populärer. Haben Sie eine Idee, warum das so ist?

Bauer: Tatsächlich habe ich schon von vielen gehört, dass das auch an meinen Videos liegt. Ich zeige auf, wie das so ist, Bestatter zu sein. Viele haben das Wissen nicht. Und einige merken dann: Das könnte was für mich sein.

Das hört sich so an, als wäre online die Resonanz sehr gut. Wie reagieren denn Menschen in Ihrem Umfeld, wenn sie erfahren, dass Sie Bestatter sind?

Bauer: Mit vielen Fragen. Manche finden den Beruf eher ekelig. Sonst höre ich oft: „Ich könnte das nicht.“ Viele finden es auch gut, dass ich den Job mache, aber manche sagen auch eher: „Irgendeiner muss es ja machen.“ Generell aber mit viel Interesse.

Diese letzten Wünsche kann Bestatter Luis Bauer nicht erfüllen

Wahrscheinlich bekommen Sie auch sehr viele verschiedene Anfragen für Bestattungen. Was ist denn das Ungewöhnlichste, was je angefragt wurde?

Bauer: Die Leute sind bei uns eigentlich relativ normal. Bei manchen Leuten soll das Lieblingsspiel mit in den Sarg. Ein anderer hat vielleicht gerne Brötchen gegessen, also legen wir Brötchen dazu. Oder den Lieblingsschnaps. Das ist ganz unterschiedlich.

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Und was würden Sie nicht machen?

Bauer: Es gab mal jemanden, der fand die Tattoos seines Vaters cool und wollte die haltbar machen. In den USA geht das nämlich, dass die dann die Haut wegschneiden und erhalten. Aber irgendwo sind dann natürlich auch Grenzen erreicht. Wir brechen keine Gesetze, nur damit die Leute ihren letzten Wunsch erfüllt bekommen. Also wir machen schon sehr viel möglich, so gut es geht, aber zum Beispiel das mit den Tattoos, das das geht natürlich nicht. Manchmal fragen Angehörige, ob wir mit der Rohrzange die Goldzähne rausbrechen können, aber das machen wir natürlich auch nicht. Da gibt es Grenzen.

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Sie sind ja noch sehr jung, aber haben Sie schon eine Vorstellung von Ihrer eigenen Bestattung?

Bauer: Ich weiß auf jeden Fall, dass es eine Erdbestattung werden soll. Ich finde Feuerbestattung ein bisschen abstrakt. Zum Beispiel mein Uropa, dem die Firma mal gehört hat, der hatte eine Feuerbestattung. Wenn ich an seinem Grab bin, finde ich das etwas unpersönlich, dass da nur Asche liegt. Bei einem Erdgrab weiß ich, dass da die Person liegt, auch wenn es vielleicht inzwischen nur noch Knochen sind. Aber das ist auch Geschmackssache.

Bestatter Bauer: Diese Momente machen ihn nachdenklich

Gibt es Momente in Ihrem Beruf, die Sie besonders traurig machen?

Bauer: Wir erleben traurige Schicksale und haben mit heftigen Geschichten zu tun. Da fühle ich dann auch mit. Aber ich kann damit tatsächlich sehr gut umgehen und mir macht das dann auch nichts aus. Außer ich kenne die Person, die vor mir liegt, dann ist es natürlich etwas anderes. Dann bin ich ja selbst betroffen.

Luis Bauer, Bestatter, Instagram
Bestatter Luis Bauer klärt auf Instagram über seinen Beruf auf. © Bestattungen Burger | Privat

Und wenn auf einmal ein Kind auf dem Tisch liegt?

Bauer: Das sind natürlich unfassbar schlimme Geschichten. Aber ich sehe es dann eher als meine Aufgabe, den Rahmen für die Eltern so gut und so würdevoll wie möglich zu gestalten und ihnen dann beizustehen. Ich kann das tatsächlich ganz gut trennen. Das heißt jetzt nicht, dass ich kalt oder gefühllos bin. Aber ich habe in dem Moment einfach eine andere Aufgabe.

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Wie ist das, in einem Haushalt aufzuwachsen, in dem der Tod ständig präsent ist?

Bauer: Für mich ganz normal. Also bei uns gehörte es einfach zum Alltag mit dazu. Der große Unterschied dabei ist einfach, dass andere Menschen das komisch finden. Ich würde sagen, ich habe dadurch das Leben mehr zu schätzen gelernt. Weil ich mir bewusster bin, dass es jederzeit vorbei sein kann.

Nimmt es dann auch die Angst vor dem eigenen Tod?

Bauer: Ich habe an sich keine Angst vorm Tod. Angenommen, ich würde jetzt in einem Flugzeug sitzen, was gerade abstürzt, dann wahrscheinlich schon. Aber vor dem „normalen“ Tod nicht. Ich weiß genau, wie es danach weitergeht – zumindest physisch. Da ist bei mir jetzt nicht so viel Ungewissheit. Ich habe aber nicht wirklich eine Meinung dazu, wie es dann spirituell weitergeht.

Luis Bauer: „Ich mag es, wenn es ein bisschen alternativ ist“

Sie sind ja jetzt ein Familienbetrieb in der sechsten Generation. Wie hat sich die Bestattungsbranche in den letzten Jahrzehnten verändert?

Bauer: Der Trend geht zur Feuerbestattung. Bei uns haben wir 70 Prozent Feuerbestattungen und 30 Prozent Erde. Und es gibt viel mehr moderne Andenken. Viele Leute wollen etwas Dauerhaftes haben. Das kann ein Fingerabdruck sein, ein Schmuckstück, oder ein Edelstein. Ich werde sehr oft gefragt, ob ich von der verstorbenen Person Fingerabdrücke nehmen kann. Wir machen das dann mit so einer silikonartigen Masse und daraus macht die Familie einen Ring, einen Anhänger oder ein Amulett.

Ein kleiner Junge, der eine Urne mit Leopardenmuster in die Kamera hält.
In Louis Bauers Familie ist das Thema Tod allgegenwärtig. © Bestattungen Burger | Bestattungen Burger

Würden Sie sich in Deutschland etwas mehr Offenheit in der Trauerkultur wünschen?

Bauer: Ich mag es, wenn es ein bisschen alternativ ist. Ich hatte zum Beispiel mal eine Situation, da ist jemand gestorben und die Ehefrau hat sich sehr gefreut, dass wir mit dem Oldtimer-Leichenwagen da waren. Sie hat uns gefragt, ob wir in den Kurven noch ein bisschen schneller fahren können, weil der Verstorbene so gerne Porsche gefahren sei. Sie wollte, dass es ein bisschen wackelt bei seiner letzten Fahrt. Solche alternativen Sachen finde ich schön – wenn es dann der Familie auch noch hilft, dann mache ich das gerne. Oder Bierbänke am Grab aufstellen, oder mit Sekt auf den Verstorbenen anstoßen, auch das gibt es hin und wieder und das planen wir gerne mit der Familie.

Was ziehen Sie aus Ihrer Arbeit für Ihr eigenes Leben?

Bauer: Bewusster zu leben und das Leben zu genießen. Es hört sich wie eine Floskel an, aber ich habe genug Fälle erlebt, in denen unerwartet alles vorbei war. Deswegen gehe ich jetzt nicht anders durchs Leben und missioniere die Leute dazu, jeden Tag zu leben, als sei es der Letzte. Ich meine damit eher, schöne Momente mehr zu schätzen. Denn es kann wirklich jederzeit vorbei sein.