Berlin. Wegen des Klimawandels werden sich die Städte drastisch verändern (müssen). Eine Expertin erklärt, was genau dabei auf uns zukommt.

Große gepflasterte Flächen, versiegelte Straßen und kaum vorhanden Grünflächen: Unsere Städte sind voller Asphalt, Beton und Granit. Unsere Städte sind wie hermetisch abgeriegelt. Das Problem: Dadurch stauen sich Wärme und Abgase, die Lebensqualität sinkt drastisch. Gleichzeitig werden gesundheitliche Probleme gefördert. So starben in den drei heißen Sommern der Jahre 2018 bis 2020 in Deutschland fast 20.000 Menschen an den Folgen der Hitze. Insbesondere längere Hitzeperioden ohne zwischenzeitliche Abkühlung sind dabei besonders gefährlich.

Der Auftrag ist klar: In unseren Städten muss sich etwas ändern. Auch deshalb müssen sich die meisten Stadtbewohner auf sichtbare Veränderungen einstellen, die in den Straßenzügen deutlich zu erkennen sind. Doch wie genau könnten sich unsere Metropolen zukünftig ändern? Und welche Rolle spielt das Wasser dabei? Das erklärt eine Expertin der Umweltschutzorganisation WWF.

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Stadtumbau: Darum ist der Regen so entscheidend

Durch den Klimawandel wird es überall auf der Welt heißer und trockener, auch in Deutschland. Wasser wird also zur „Mangelware“. Um eine unsere wichtigsten Wasserquellen, den Regen, bestmöglich nutzen zu können, müssen in den Städten dementsprechende Konzepte erarbeitet und umgesetzt werden.

Viviane Raddatz, Klimachefin beim WWF Deutschland: „In Städten schlägt sich die Klimakrise mit ihren gefährlichen Folgen in besonderem Maße nieder. Beton und Stein verstärken die Hitze und verhindern das Versickern bei Starkregen.“

Bisher läuft das Regenwasser in den meisten Fällen einfach über die Kanalisation ab. Bei starkem Regenfall ist die Kanalisation nicht selten überfordert. Die überschüssigen Wassermengen gehen verloren, in dem sie einfach weiter in Flüsse und ins Meer umgeleitet werden, ohne etwa in der Landwirtschaft, den Städten oder den Wäldern von Nutzen zu sein. Um das zu verhindern, sollten jetzt immer mehr sogenannte Schwammstädte geschaffen werden.

Das Ziel der Schwammstädte ist es, die gefallenen Niederschläge direkt vor Ort versickern zu lassen. So wird der Regen dem Grundwasserspiegel zugeführt und verbleibt in den Städten. Das hat gleich mehrere positive Effekte: Einerseits werden die Stadtpflanzen optimal gewässert, andererseits kühlt der verbesserte Wasserkreislauf die Städte auf natürliche Weise herunter. Das liegt daran, dass Teile des Wassers verdunsten und damit Wärme aus der Luft entziehen. Eine wohl klassische Win-win-Situation.

Vivane Raddatz WWF
Vivane Raddatz ist Klimachefin beim WWF. © Daniel-Seiffert-WWF | Daniel-Seiffert-WWF

Schwammstädte: Städte müssen sich drastisch ändern

Damit die Städte optimal auf die Zukunft vorbereitet werden, muss es zwangsweise zu Veränderungen in der Bauweise und der Bebauung größerer Flächen kommen. Dafür sind einige wichtige Schritte unumgänglich:

  • Grundsätzlich müssen mehr Bäume gepflanzt werden. Die grünen Riesen speichern nicht nur CO₂, Feinstaub und Abgase, sondern bunkern auch große Mengen Wasser ein. Dieses Wasser wird über die Zeit dann über winzige Spalte in der Baumkrone abgegeben, was dann den bereits erwähnten „Klimaanlagen“-Effekt mit sich bringt. Wichtig: Damit die Bäume in den Städten überleben können, muss die Umgebung rund um die Bäume durchlässiger sein als bisher. Nur so können sich die Wurzeln optimal ausbilden und zur Gesundheit der Bäume beitragen. Bisher sind viele Straßenflächen verdichtet, wodurch das Regenwasser nicht versickern kann und die Baumwurzeln eingeschränkt werden. Es gibt jedoch „durchlässigere“ Alternativen, die mehr Regenwasser in den Boden abfließen lassen und außerdem stabil genug für regulären Straßenverkehr sind.
  • Fassaden- und Dachbegrünung: Auch hier gilt er gleiche Effekt wie bei den Bäumen. Durch die zusätzliche Begrünung werden die Städte heruntergekühlt und Wasser gespeichert. Die Städte würden insgesamt also deutlich grüner werden.
  • Umbau öffentlicher Plätze: Die meisten Plätze oder auch größere Parkflächen sind komplett versiegelt. Heißt: Fällt Regenwasser, wird es in die Kanalisation geleitet, ein großer Anteil des Regenwassers landet dann in den Flüssen und irgendwann im Meer. Durch spezielle Pflastersteine mit wasserdurchlässigen „Rillen“ könnte das Wasser vor Ort versickern und langfristig ins Grundwasser gelangen, also vor Ort verbleiben.
  • Anlegung größerer Grünflächen: Grünflächen schaffen ein Mikroklima und kühlen die Städte hinunter und reinigen die Luft. Das ist vorteilhaft für unsere Gesundheit und die Speicherung der Wasserressourcen. Hier könnten zum Beispiel ungenutzte Brachflächen sowie Parkplätze umfunktioniert werden.
  • Anlegung von Wasserspeichern: Dass Regenwasser in die Kanalisation gelangt, lässt sich nicht verhindern. Durch größere unterirdische Speicher könnte dieses Wasser aber gesammelt und gegebenenfalls zurückgehalten werden, um in Zukunft bei Bedarf zur Verfügung zu stehen.
  • Anpassung von Parks: Der Klimawandel ist wohl nicht mehr aufzuhalten. Deshalb muss es grundsätzlich zu einer Anpassung der Pflanzenwelt kommen. Heißt: Vermehrter Einsatz von hitzebeständigen Pflanzen, um auch längere Trocken- und Wärmeperioden durchstehen zu können.
ITALY WORLD EXHIBITION MILANO 2015
So könnten die Häuserwände in Zukunft aussehen. © picture alliance/KEYSTONE | Christian Beutler

Das Umweltbundesamt schreibt: „Die potenziellen Vorteile der Schwammstadt sind unumstritten, dennoch besteht ein Umsetzungsdefizit.“ Das liege einerseits daran, dass es bisher keine Ausbauziele gebe, außerdem mangele es an Werten, anhand derer man sich bei der Umsetzung orientieren könne. Also: Wie viel muss geändert, um uns bestmöglich auf die Zukunft einzustellen?  

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Wann kommen die Änderungen?

Einen genauen Termin gibt es dafür noch nicht. Das Umweltbundesamt schreibt: „Das zum 1. Juli 2024 in Kraft getretene Klimaanpassungsgesetz des Bundes stärkt die ebenen-übergreifende Klimavorsorge und stellt gleichzeitig klar, dass Klimaanpassung zukünftig zum verbindlichen Aufgabenkanon der Kommunen gehört.“ Einfach ausgedrückt: Die Kommunen sind grundsätzlich dafür verantwortlich, bei sämtlichen Bauprojekten auf klimafreundliche Aspekte zu achten.

Viviane Raddatz: „Wir brauchen zweierlei, und zwar dringend: Erstens müssen wir die Erderhitzung bremsen, damit ihre Folgen nicht noch schlimmer werden. Das heißt: Wir brauchen jetzt die Wende hin zu einem klimafreundlichen Energie-, Verkehrs-, und Industriesektor – und natürlich auch einem klimafreundlichen Gebäudebestand. Zweitens müssen wir Städte besser an die Klimakrise anpassen, etwa mit besser isolierten Häusern und deutlich mehr Stadtgrün.“

Schwammstadt
Wandern durch grüne Innenstädte – Schwammstädte könnten es möglich machen. © klima-werk.de | Zukunftsinitiative Klima.Werk/EGLV