Berlin. Der Klimawandel treibt immer mehr gefährliche Insekten nach Deutschland. Ein Experte erklärt, wie groß die Bedrohung für uns wirklich ist.

Auch wenn der Herbst sich ankündigt, hat sich wieder einmal gezeigt: Durch den Klimawandel wird es in Deutschland immer heißer. So heiß, dass sich das ein oder andere Tier heimisch fühlt, das bisher eher in den heißeren Regionen der Erde zu finden war. Das Problem dabei: Einige dieser Tiere oder auch Erreger können auch für uns Menschen gefährlich werden.

Ein Experte der Umweltschutzorganisation WWF erklärt, welche Insekten und Viren das sein und welche Krankheiten sie hervorrufen können.

Hitze-Zecke breitet sich aus und befällt Menschen

Wie bereits erwähnt, befördert der Klimawandel die Ausbreitung vieler Tierarten und damit auch von Infektionskrankheiten, die vom Tier auf den Menschen übertragen werden können und umgekehrt – sogenannte Zoonosen. Die Wirtstiere und die Erreger dieser Erkrankungen fühlen sich aufgrund des warmen Wetters in Deutschland immer wohler und breiten sich vermehrt aus.

Einer der „Gewinner“ des Klimawandels sind die Zecken. Sie leben jetzt deutlich länger und können bei milden Witterungsverhältnissen fast das ganze Jahr über unterwegs sein. Zwei Arten, der sogenannte Gemeine Holzbock und die Auwald- und Wiesenzecke, kommen in Deutschland recht häufig vor. Sie können eine sogenannte Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME) übertragen, die im schlimmsten Fall zu tödlichen Hirnhautentzündungen führen kann. Auch die Gefahr für Borreliose steigt, die bei nicht erfolgter Behandlung zu Herzproblemen führen kann.

Nun gesellen sich durch den Klimawandel auch Riesenzecken dazu, die eigentlich in Afrika, Asien und Südeuropa beheimatet sind. Die sogenannten Hyalommazecken sind bis zu zwei (!) Zentimeter groß und erreichen als „Blinder Passagier“ von Zugvögeln auch Deutschland. Ob die tropischen Zecken hierzulande langfristig heimisch werden könnten, bleibt bisher unklar. Dieses Spinnentier ist auf jeden Fall nicht ohne: Es verfolgt potenzielle Opfer und legt dabei bis zu 100 Meter zurück. Dabei kann die Zecke schwere Krankheiten übertragen. Dazu zählen:

Krim-Kongo-Fieber: Etwa drei bis neun Tage nach dem Zeckenstich treten bei den Betroffenen Kopfschmerzen, hohes Fieber, Durchfall und Erbrechen auf. In schweren Fällen kann es zu inneren Blutungen kommen, die wiederum zu Organversagen führen können. Bis zu 50 Prozent der Patienten versterben an den Folgen.

Zecken-Fleckfieber: Die Symptome sind mit denen des Krim-Kongo-Fiebers vergleichbar. Der Verlauf der Krankheit ist in der Regel aber mild. Blutungen treten nicht auf, Todesfälle sind ebenfalls sehr selten.

KW31 REISE Hyalomma-Zecke
Die Hylomma-Spinne ist größer als die bisher ansässigen Zeckenarten in Deutschland. © Marijan Murat/dpa/dpa-tmn | Marijan Murat

Bisher spielen solche Infektionen in Deutschland jedoch keine Rolle. Und: Nicht jeder Biss einer befallenen Zecke führt automatisch zur Ansteckung. Hyalommazecken befallen gern Pferde, deswegen sollten besonders Reiter und Pferdebesitzer auf mögliche Zeckenstiche achten.

Stechmücke: Sie tötet häufiger als jedes andere Lebewesen der Welt

Stechmücken gelten tatsächlich als die gefährlichsten Tiere der Welt – zumindest, wenn es um die Gesundheit des Menschen geht. Durch sie können Krankheiten wie Malaria, Dengue- und Gelbfieber übertragen werden. So „tötet die Stechmücke mehr Menschen als jedes andere Lebewesen auf der Welt.“ Das zumindest schreibt die US-Gesundheitsbehörde CDC.

Durch den Klimawandel kommen diese seltenen Insekten, die den Erreger tragen, immer häufiger nach Deutschland. Eines dieser Insekten fühlt sich besonders wohl: die asiatische Tigermücke. Durch die milden Temperaturen entwickeln sich die Mückenlarven immer schneller.

Die Tigermücke kann das West-Nil-Virus übertragen, das meist symptomlos verläuft, in seltenen Fällen aber eine Hirn- oder Hirnhautentzündung auslöst. In Deutschland wurden laut dem Robert-Koch-Institut 2023 sieben Infektionen erfasst - die Dunkelziffer dürfte aber deutlich höher liegen.

Ägyptische Tigermücke
Die Tigermücke weißt ein signifikantes Muster am Körper auf. © DPA Images | Gustavo Amador

Die Nosferatu-Spinne

Sie ist eine der größten Spinnen in Deutschland und kann mit ihrem Biss sogar in die menschliche Haut eindringen: die Nosferatu-Spinne. Die Symptome sind denen eines Wespenstiches nicht unähnlich. Schlimmere Folgen sind in der Regel nicht zu erwarten. Die erwachsenen Tiere überleben in Deutschland ganzjährig. Im Winter halten sie sich bevorzugt in Garagen und Wohnhäusern auf, bevorzugt in dunkleren Ecken. Bereits seit 2005 ist sie in Deutschland ansässig und ist immer wiederzuentdecken.

Nosferatu-Spinne
Die Nosferatu-Spinne ist mittlerweile überall in Deutschland verbreitet. © DPA Images | Thomas Lutz

Neuartige Krankheitserreger werden immer häufiger

Durch die Klimakrise breiten sich auch neue Krankheitserreger aus. Arnulf Köhncke, Artenschutz-Experte beim WWF: „Die Erderhitzung ist eine ernste Bedrohung für die Menschheit. Die Klimakrise hat nicht nur gefährliche Folgen wie Dürren, Hitzewellen und Überschwemmungen, sondern begünstigt auch die Ausbreitung von Überträgern von Viren und Bakterien, die bisher in Deutschland kaum eine Rolle spielten. Diese Krankheitserreger nutzen die klimatischen Veränderungen zu ihrem Vorteil: Überleben ihre Wirte nun in Regionen, die bisher zu kalt oder zu feucht waren, können sich diese Zoonosen möglicherweise ausbreiten.“

Arnulf Koehncke WWF
Arnulf Köhncke ist Fachbereichsleiter Artenschutz beim WWF. © Marlena-Waldthausen-WWF | Marlena-Waldthausen-WWF

Ein Beispiel dafür seien die sogenannten „Hanta-Viren“. „Bei Wärme gibt es für das Virus deutlich mehr Wirtstiere, die bei der Ausbreitung behilflich sind“, so Köhncke. In der Regel werde es von Nagetieren wie Mäusen auf den Menschen übertragen, in der Regel durch einen Biss oder Berührung mit den Ausscheidungen der Tiere. Patienten können in der Folge Blutdruckabfall, Schmerzen, Schwindel, Sehstörungen und im schlimmsten Fall zu Nierenschädigungen erleiden.

Ein anderes Beispiel sind laut dem WWF-Experten die sogenannten Vibrionen, die sich derzeit in der Ostsee massiv ausbreiten. Dieses Virus kann über kleinste Wunden in die Haut eindringen. Bei Menschen mit geschwächtem Immunsystem könne dies zu schweren Infektionen führen.