Stockholm.. Beim verheerenden Feuer auf der „Scandinavian Star“ 1990 starben 159 Menschen. Damals galt das Unglück als Tat eines einzelnen Brandstifters. Doch eine Untersuchungskommission legt jetzt neue überraschende Ergebnisse vor und spricht von Versicherungsbetrug und „Massenmord“.

159 Menschen starben 1990 beim Brand auf der Nordsee-Fähre „Scandinavian Star“. Nun, 23 Jahre später, kommt eine schwedisch-norwegische Untersuchungsgruppe zu dem Schluss, dass es sich damals nicht um einen Unfall, sondern um gezielte Brandstiftung durch die Reederei selbst gehandelt haben soll. Der Hintergrund: angeblich Versicherungsbetrug. Der schwedische Brandexperte Håkon Winterseth, Leiter der zwölfköpfigen Expertenkommission, sagte am Sonntag bei der Veröffentlichung der Untersuchungsergebnisse: „Dies war der größte Massenmord in Nordeuropa nach dem Zweiten Weltkrieg.“

Ein dänischer Lastwagenfahrer wurde bislang der Tat bezichtigt

Es war eine windstille Nacht, als die „Scandinavian Star“ am 6. April 1990 mit 387 Passagieren und 90 Besatzungsmitgliedern aus dem Hafen von Oslo in Norwegen auslief. Das Schiff war auf dem Weg ins dänische Fredrikshavn. Mitten in der Nacht brach vor der westschwedischen Küste ein kleines Feuer in einem Korridor aus. Passagiere konnten es löschen.

Zeugen sagten später aus, das Bord-Personal habe den Brand nicht ernst genommen haben. Es sollen Witze gemacht worden sein. Darüber, dass jemand an Bord Pyromane spiele. Man legte sich wieder schlafen. Kurze Zeit später, gegen zwei Uhr nachts, brach dann ein zweites, ein großes Feuer im Treppenhaus zum Autodeck aus. Blitzschnell erreichten die Flammen die Passagierkabinen. Rauch und Feuer töteten 159 Passagiere. Viele wachten erst gar nicht auf, weil der Feueralarm viel zu leise eingestellt war. Norwegische Ermittler kamen damals zum Schluss, dass ein 37 Jahre alter dänischer Lastwagenfahrer, der bei dem Brand umkam, das Feuer gelegt hatte. Die Ermittlungen wurden eingestellt.

Fähre war auffällig hoch versichert

Doch nun gibt es neue, überraschende Ergebnisse einer Untersuchungskommission, die diese mit zahlreichen „mysteriösen und unbeachtet gebliebenen Vorgängen“ vor und während des Unglücks begründet. So habe der Eigner die „Scandinavian Star“ etwa kurz vor dem Unglück neu und auffällig hoch versichert. Der norwegische Rundfunk berichtete am Wochenende, dass den Experten zufolge mindestens vier unterschiedliche Brände auf der Fähre gelegt worden sein sollen. Der dänische Lastwagenfahrer aber starb bereits beim zweiten Feuer – er könne deshalb nicht schuldig sein.

Vier Besatzungsmitglieder, glaubt die Kommission, sollen das Feuer gelegt haben. Um damit optimale Zerstörungskraft zu erreichen, sollen sie zuvor Ventilationssystem und Löschanlagen an Bord manipuliert haben. Sie sollen sogar Fensterscheiben mit Stühlen eingeworfen haben, damit der hineinströmende Sauerstoff das Feuer anfacht. Der Maschinist des Schiffes soll später zum Dank einen Umschlag mit 800 000 Kronen (etwa 100 000 Euro) erhalten haben.

Selbst der frühere Ermittlungsleiter sagt: Es gibt einiges, das unklar ist

Die Feuerwehrleute hätten schon damals daran gezweifelt, dass es sich um einen Unfall handelte, erinnerte sich nun Feuerwehrmann Ingvar Brynfors. Und Brandingenieur Winterseth erklärte, dass Besatzungsmitglieder Feuerwehrmänner sogar aktiv am Löschen des Brandes gehindert haben sollen. „Ein Seemann wurde damals auf frischer Tat ertappt, als er Keile wieder entfernte, die Feuerwehrmänner unter die Türen geschoben hatten, um sie für die Löschschläuche offen zu halten.“

Ein Aufrollen des Falles gilt nun als wahrscheinlich. Am Wochenende forderte selbst der damalige Ermittlungsleiter Östein Meland, das vermeintliche Unglück müsse angesichts des neuen Untersuchungsberichtes erneut offiziell untersucht werden. Zwar halte er einige Theorien des neuen Berichtes für falsch. Doch „es gibt Elemente, die unklar sind“, räumte er ein.