Köln.. Sibel Kekilli wurde mit ihrer Rolle im Film „Gegen die Wand“ von Fatih Akin bekannt. Heute spielt die Schauspielerin mit türkischen Wurzeln auch viele deutsche Rollen und wechselt lebhaft zwischen zwei Welten hin und her.
Der Film „Gegen die Wand“ öffnete Sibel Kekilli viele Türen – wenn auch später als zunächst vermutet. Inzwischen gehört die 33-Jährige zum Ensemble des Kieler „Tatorts“ und zur internationalen Besetzung der amerikanischen Serie „Game of Thrones“. Im Interview spricht sie unter anderem über ihre türkischen Wurzeln und die Dominanz der Männer in der Branche.
Es ist wirklich erstaunlich, was Sie in 33 Jahren schon erlebt haben. Sitzen schon an Ihrer Biografie?
Sibel Kekilli: Ich?
Ja!
Kekilli: Man muss nicht alles von mir wissen. Als Schauspielerin ist man doch eher uninteressant. Und, ganz ehrlich, was will man denn von mir lesen?
„Es ist nicht immer ganz einfach“
Das sagen Sie! Spannend ist, dass Sie Wanderin zwischen zwei Welten sind.
Kekilli: Zwischen Film und normalem Leben?
Sie sind mit türkischen Traditionen aufgewachsen, die gelegentlich mit westlichen Werten kollidiert sind.
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Kekilli: Ich bin hier geboren. Und deshalb ist es schon etwas anderes, als wenn Menschen aus einer anderen Kultur hier hinziehen. Aber, ja, ist es nicht immer ganz einfach. Und manchmal gibt es in mir schon Kämpfe zwischen dem einen und dem anderen, und ich stelle mir die Frage, was bin ich denn nun? Aber letztlich bin ich schon mehr deutsch als türkisch. Das heißt allerdings nicht, dass ich meine türkischen Wurzeln verleugne. Manchmal genieße ich das sogar. Ich glaube, beim Spiel hilft mir mein Hintergrund, dass ich mehr Gefühl zeigen kann. Und: Ich liebe türkische Musik. Das ist eine Bereicherung. Ich picke mir das Beste aus der deutschen und aus der türkischen Kultur.
Eine Studie über TV-Sehgewohnheiten besagt, dass Zuschauer mit ausländischen Wurzeln bei deutschen Produktionen allzu oft Emotionen vermissen.
Kekilli: Es ist schon ein Unterschied, ob ich einen Film von einem deutschen Regisseur sehe oder z.B. einen Film von Fatih Akin.
Finden Sie deutsche Filme unterm Strich eher kopfgesteuert?
Kekilli: Ja.
Aber Sie können beides, Gefühl wie kühl.
Kekilli: Das ist doch die Herausforderung bei diesem Job. Ich will so spielen, wie der Regisseur das erwartet und wie es die Rolle erfordert.
Sie haben erklärt, dass Sie nicht auf türkische Rollen festgelegt werden wollen. Hatten Sie zeitweilig das Gefühl, darauf festgelegt zu werden?
Kekilli: Ja, das war nach „Gegen die Wand“. Danach habe ich immer so ähnliche Rollen angeboten bekommen. Aber aus dieser Schublade bin ich Gott sei Dank raus. Sarah Brandt beim „Tatort“, beispielsweise, ist ja eine deutsche Rolle.
Wie reagieren die Menschen in der Öffentlichkeit auf Sie?
Kekilli: Viele denken, wir haben uns doch irgendwo schon gesehen, auf einer Hochzeit oder auf einer Party. Oder: Sind Sie nicht die Tochter meines Nachbarn? Nach einer „Tatort“-Ausstrahlung ist das besonders stark, dass die Leute denken, die kenne ich doch irgendwoher.
Sie spielen im „Tatort“ eine Computer-Expertin. Inzwischen haben wir jede Menge davon. Droht da ein Überangebot?
Kekilli: Mit dem Computer zu arbeiten – das gehört zu unserer Zeit. Man könnte sogar sagen, dass das Fernsehen das erst ziemlich spät erkannt hat.
Sind Sie ein Internet-Junkie?
Kekilli: Es erleichtert sehr, wenn bei einem Filmprojekt etwas über einen Regisseur wissen will oder überhaupt nach Hintergrundinformationen sucht.
Haben Sie immer ein Smart-Phone in der Tasche?
Kekilli: Ja, aber ich verwende es nur zum Telefonieren.
Sie haben sich mal darüber beschwert, dass es für Sie zu wenige Rollenangebote gibt. Das dürfte sich zum Besseren gewendet haben.
Kekilli: Nee, das kann man nicht so sagen. Ich suche mir die Rollen sehr genau aus, ich hätte sicher mehr drehen können, aber an guten Rollen mangelt’s. Ich finde diese Branche immer noch eher männerlastig.
Müssen sich Frauen mehr abarbeiten?
Kekilli: Die Hauptrollen spielen fast immer Männer, zu 80 Prozent bestimmt. Männer drehen einen Film nach dem anderen, Frauen sieht man gar nicht so oft in den Filmen und in den Kinos.
Sie haben mit Ihrer Rolle in der US-Serie „Game Of Thrones“ ein Ausrufezeichen gesetzt. Wie kam es dazu?
Kekilli: Ich bin seit der ersten Staffel dabei. Nikolaj (Coster-Waldau, Red.) und ich waren damals die einzigen, deren Muttersprache nicht Englisch ist. Die Macher der Serie, David Benioff und D. B. Weiss, hatten „Gegen die Wand“ gesehen, 2010. Deshalb wollten mich die beiden unbedingt beim Casting sehen, das habe ich gemacht, habe aber danach gedacht, ich hab’s vermasselt, weil mein Englisch damals nicht so gut war. Aber es hat trotzdem geklappt.
Wie unterscheidet sich die Arbeit für eine amerikanische Serie von der deutschen Arbeitsweise?
Kekilli: Erst mal: Gedreht wird in Belfast und in Kroatien. Und wenn eine Serie große Aufmerksamkeit erfährt, wie etwa durch die Emmys, dann vergrößern sich auch die Etats. Aber was ich beim Drehen für (den amerikanischen Kabel-Kanal) HBO mitkriege: Jeder macht seinen Job. Da wird nicht diskutiert. Man hat „running lunch“, beim Filmen wird nebenbei gegessen. Das ist hier anders. Vielleicht fällt mir die Arbeit für „Game Of Thrones“ leichter, weil ich ja eben keine Muttersprachlerin bin und beim Drehen z.B. nicht über die Betonung der Sätze grübele.
Auch wenn ich in Deutschland noch keine Serie gedreht habe, fällt mir auf: Die Amerikaner arbeiten nicht so textlastig.
Ist das Fernsehen das neue Kino?
Kekilli: Bei amerikanischen, englischen und skandinavischen Serien würde ich sagen: Ja, die können mit dem Kino mithalten.
Glauben Sie, dass deutsche Fernsehmacher irgendwann auch den Mut haben, so zu erzählen?
Kekilli: Ich hoffe es. Wenn sie den Mut hätten, nicht so textlastig zu arbeiten, könnte es vielleicht schneller gehen (lacht).