Paris.. Karl Lagerfeld ist eine Ikone – der Modezar ist international anerkannter Designer, Modekritiker und Fotograf. Sein Image wandelt zwischen dekadentem Aristokraten und gelangweiltem Dandy. Blutjunge Models suchen seine Nähe, erfahrene Modeschöpfer suchen seinen Rat. Jetzt feiert er seinen 80. Geburtstag - auch, wenn das eigentlich keiner wissen sollte.
Dass Karl Lagerfeld 80 wird, sollte eigentlich niemand wissen. Um sein wahres Geburtsdatum hat er stets ein Geheimnis gemacht und erst seit einigen Monaten steht es durch das Auftauchen einer Geburtsanzeige seiner Eltern zweifelsfrei fest.
Ziemlich ärgerlich aus der Sicht des Modezars, der sich auf gar keinen Fall feiern lassen will. „Jubiläen und Geburtstage finde ich einfach grauenhaft“, erklärte er schon vor Jahren in einem Interview. Eine Haltung, die niemand überraschen kann. Denn wenn der „große Karl“ eines ist, dann eitel. Dass man ihn gerne den „letzten Dandy von Paris“ ruft, hört er mit unverhohlener Freude.
Lagerfeld ist längst zeit- und alterslos
Fragt sich nur, wie lange der Dandy mit seinen unverzichtbaren Requisiten – ohne dunkle Sonnenbrille, steifen Hemdkragen und weißgepuderten Mozartzöpfchen bekommt man ihn nie zu Gesicht – noch unter uns weilt. Nein, das hat nichts mit den Jahren zu tun, die er auf dem Buckel haben mag. Lagerfeld ist längst zeit- und alterslos, dem Irdischen entrückt, ein Mann, der sich so sorgfältig als wandelndes Markenzeichen inszeniert, dass er als Person dahinter längst verschwunden ist.
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Zumal er dank einer Radikaldiät vor einem Jahrzehnt mehr als 40 Kilo verlor und mittlerweile kaum mehr als ein Strich in der Landschaft ist. Karl Lagerfeld, der Kosmopolit, ist der Dreh- und Angelpunkt der Pariser Modeszene. Wer bitteschön kann ihm seit dem Tod von Yves Saint-Laurent den Thron des Haute-Couture-Kaisers noch streitig machen?
Dass er als Hamburger das Licht der Welt erblickte und deutscher Nationalität ist, geht beinahe vollständig unter. Schon als 14-Jähriger zog er mit der Mutter in die Seinemetropole, verfiel der schillernden Welt der Mode und gewann bereits zwei Jahre später einen ersten Preis für das Design eines Wollmantels. Die Pariser Ateliers öffnen dem talentierten Mann ihre Türen sperrangelweit. Nach einer Schneiderlehre übernimmt der blutjunge Karl 1959 die künstlerische Leitung des Modehauses Jean Patou. Später rückt er zum Chef-Designer bei Chloe auf, kreiert Pelzkollektionen für Fendi, bringt 1975 sein eigenes Parfum auf den Markt.
Karl provoziert gerne
Nach ganz oben gelangt Lagerfeld 1984, als er an die Spitze von Chanel berufen wird. Seither spätestens gilt, dass alle seine Kollektionen Begeisterung hervorrufen, ja zumeist frenetisch umjubelt werden. Karls Entwürfe zeichneten über die Jahre hinweg stets sowohl Eleganz als auch Alltagstauglichkeit aus. Sie passen – für die wohlhabenderen Damen mit Geschmack – beinahe zu jeder Gelegenheit, Gartenarbeit exklusive. Und sie setzten nicht zwangsläufig eine Mannequin-Figur voraus. Nur bei den dank Lagerfeld weltberühmt gewordenen Galionsfiguren von Chanel Ines de Fressange und Claudia Schiffer waren Traummaße Karrierevoraussetzung.
Diese Models verdienen am besten
Richtig, Karl provoziert gerne. Auch das hält ihn im Gespräch und Klappern gehört schließlich zu seinem Handwerk. So beleidigt er Herzogin Kates Schwester Pippa Middleton, deren Gesicht er als banal bezeichnete und der er empfahl, sich lieber nur von hinten zu zeigen. Oder er erklärt Übergewicht bei jungen Frauen zum größeren Problem als die Magersucht in der Modebranche. Und was er vom Kleidungsstil von Bundeskanzlerin Angela Merkel hält, darüber schweigt des Sängers Höflichkeit.
Gelangweilter Dandy oder dekadenter Aristokrat
Aber bei ihm, der sich so selbstverständlich in einer Welt des Scheins und der Eitelkeiten bewegt, weiß niemand so genau, ob er ein Statement wirklich ernst meint oder ob er gerade in eine seiner beiden Lieblingsrollen geschlüpft ist. Als da wären: der gelangweilte Dandy und der dekadente Aristokrat.
Abtreten? Rentenalter? Kommen Sie Karl bloß nicht mit sowas. Erstens braucht die Haute Couture diesen Paradiesvogel heute mehr als je zuvor. Zweitens steckt er nach wie vor voller übersprudelndem Tatendrang. Wobei das Multitalent nicht nur gleich drei Modelinien entwirft (für Chanel, Fendi und seine eigene Marke), sondern auch Geschirr, Inneneinrichtungen oder Möbel. Sogar als Fotograf hat sich Lagerfeld einen Namen gemacht. Die eigenen Werbekampagnen und seine Vorzugsmannequins beispielsweise pflegt er seit langem höchstpersönlich und unbestreitbar gekonnt ins rechte Kameralicht zu setzen. Mindestens so gekonnt jedenfalls wie sich selbst.