Ende der Flut kommt in Sicht - Deiche jedoch weiter gefährdet
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Berlin.. Noch immer stehen weite Landstriche in Deutschland unter Wasser, aber ein Ende der Flut kommt in Sicht. Langsam können mancherorts Menschen in ihre Häuser zurückkehren. Doch noch immer sind Deiche bedroht. Der Bahnverkehr bleibt wohl noch bis Sonntag gestört.
Die Situation in den Hochwassergebieten der Elbe bessert sich zunehmend. Die Tausenden Helfer im Kampf gegen die Wassermassen brauchen dennoch einen langen Atem. In der Nacht zum Freitag gingen die Pegelstände in Norddeutschland langsam zurück. Wegen aufgeweichter Dämme ist die Gefahr von Deichbrüchen aber nicht gebannt. Mancherorts belasteten Regenschauer die Deiche zusätzlich. In Hitzacker in Niedersachsen sollten Anwohner im Laufe des Tages in ihre evakuierten Wohnungen zurückkehren können. Im bayerischen Deggendorf wollte Bundespräsident Joachim Gauck am Freitag Helfern und Einsatzkräften danken.
Die Versicherungen rechnen unterdessen damit, dass die Schäden durch die aktuellen Überschwemmungen in Deutschland höher sind, als beim "Jahrhunderthochwasser" im Jahr 2002. "Wir müssen davon ausgehen, dass der Schaden durchaus höher sein kann als bei der Elbe-Flut 2002", sagte Präsident des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV), Alexander Erdland, in Berlin.
Eine Zahl lasse sich erst nennen, wenn das Wasser in Sachsen-Anhalt und Niedersachsen abgelaufen und die Schäden sichtbar seien. Durch das Elbe-Hochwasser 2002 entstand nach GDV-Angaben in Privathaushalten und Unternehmen ein versicherter Schaden von 1,8 Milliarden Euro. Der volkswirtschaftliche Schaden wurde auf 11 Milliarden Euro geschätzt.
Bahn-Störungen noch mindestens bis zum Sonntag
Die wegen des Elbehochwassers seit Montag gesperrte Bahnbrücke in Schönhausen (Sachsen-Anhalt) wird den Zugverkehr voraussichtlich noch bis Sonntagabend behindern. Nach wie vor gibt es Verzögerungen auf zentralen ICE-Strecken. Züge zwischen Berlin und Hannover und weiter ins Ruhrgebiet fahren über Magdeburg und Braunschweig. Zu Umleitungen kommt es nach Angaben der Deutschen Bahn auch auf der ICE-Verbindung Berlin-Frankfurt/Main. Auf der Strecke Prag-Dresden-Berlin-Hamburg gibt es Verspätungen von 30 bis 45 Minuten. Wann die Brücke wieder in Betrieb genommen werden kann, war ungewiss. Zuvor muss laut Bahn geprüft werden, ob die Standfestigkeit durch das Wasser beeinträchtigt wurde.
"Man sollte noch nicht von Entspannung sprechen", sagte ein Sprecher des Innenministeriums von Brandenburg. Noch immer sind Hunderte Einsatzkräfte und Freiwillige im Einsatz. Doch die Hochwassersituation in der Prignitz bessert sich zunehmend. In Wittenberge lag der Pegelstand der Elbe am frühen Freitagmorgen mit weniger als 7,20 Metern mittlerweile deutlich unter dem Höchststand des Hochwassers von 2002 (7,34). Das Wasser drückt aber nach wie vor massiv auf die Deiche. Entwarnung heißt es unterdessen für die Helfer der DLRG-Westfalen, die in den vergangenen Tagen in Magdeburg im Hochwassereinsatz war. Die letzten der 300 Einsatzkräfte sind am Freitagmorgen Richtung Heimat aufgebrochen.
Kräftige Schauer in der Flut-Region in Mecklenburg-Vorpommern
In Mecklenburg-Vorpommern macht den Einsatzkräften zudem das Wetter Sorgen. Ein Regengebiet mit teils kräftigen Schauern zog am Donnerstag über die Flutregion zwischen Dömitz und Boizenburg hinweg. Auf den Pegelstand habe der Regen zwar keinen Einfluss, sagte Landrat Rolf Christiansen (SPD). Jedoch belaste das Wasser von oben die Deiche zusätzlich. Auch heute sind nach Angaben des Wetterdienstes noch Schauer möglich.
In Lauenburg in Schleswig-Holstein fielen die Pegelstände seit Donnerstag ebenfalls. Im Laufe des Freitags sollte sich entscheiden, ob Feuerwehr und Technisches Hilfswerk ihre Hochleistungspumpen in der Unterstadt in Stellung bringen können. Bei von Hochwasser überspülten Straßen sei das riskant, ab einem Wasserstand von 9,30 Metern aber möglich, sagte ein Sprecher des Krisenstabs. In der Nacht zum Freitag lagen die Pegelstände noch knapp darüber. Wie lange es dauern wird, bis die rund 300 Bewohner wieder in ihre Häuser zurückkehren können, stehe noch nicht fest.
Besser war die Situation in Hitzacker in Niedersachsen. Die Bewohner der evakuierten Altstadtinsel sollten im Laufe des Tages in ihre Häuser zurückkehren können, wie der Landkreis Lüchow-Dannenberg mitteilte.
Bundespräsident besucht Deggendorf
In Sachsen-Anhalt steht ein rund 200 Quadratkilometer großes Gebiet unter Wasser. Die Pegelstände von Elbe und Saale sanken zwar, an dem bereits am Anfang der Woche gebrochenen Deich bei Fischbeck im Landkreis Stendal fließt jedoch nach wie vor Wasser ins Hinterland. Tausende Menschen wurden bereits in Sicherheit gebracht, einige harrten jedoch immer noch in einigen Ortschaften aus. "Wir wollen Zwangsevakuierungen der Landesregierung vermeiden", sagte eine Sprecherin des Krisenstabs der Landesregierung.
Bundespräsident Joachim Gauck besucht am Freitagmittag das Hochwassergebiet im bayerischen Deggendorf. Er will den vielen Tausend Helfern und Einsatzkräften danken und den Hochwasser- Betroffenen Mut zusprechen. Als Konsequenz aus der Flutkatastrophe will der bayerische Umweltminister Marcel Huber (CSU) nach Informationen der "Süddeutschen Zeitung" künftig doppelt so viel Geld in den Hochwasserschutz investieren wie bisher. Von 2014 an sollen es 235 Millionen sein, schreibt das Blatt (Freitag). In den Jahren seit 2000 waren es jeweils 115 Millionen Euro.
OB von Grimma schätzt Schaden in Stadt auf 200 Millionen Euro
Nach dem zweiten verheerenden Hochwasser innerhalb von elf Jahren im sächsischen Grimma drängt Oberbürgermeister Matthias Berger (parteilos) jetzt auf die Fertigstellung der Schutzmauer. "Was wir fordern werden, ist die absolute Beschleunigung des Hochwasserschutzes. Das Ding muss in zwei Jahren fertig sein", sagte Berger. Während der Flut hatte Berger erklärt, mit der Schutzmauer wäre Grimma möglicherweise verschont geblieben. Momentan ist die Mauer erst etwa zur Hälfte fertig. Den Gesamtschaden für seine Stadt schätzt Berger auf 200 Millionen Euro.
Er weise aber niemandem Schuld zu, sagte Berger. Das Land habe zügig gearbeitet. Verzögerungen habe es vor allem wegen Bohrungen im unterirdischen Bereich gegeben. Auch Klagen von Bürgern gegen das 40-Millionen-Euro-Projekt seien eingereicht worden. Das habe auch beim Bau aufgehalten. "Aber es wäre Quatsch, sie jetzt verantwortlich zu machen", sagte der Oberbürgermeister.
Er verlangt Hilfe für den Wiederaufbau. Betroffene Gewerbetreibende brauchten nicht Kredite, sondern Zuschüsse, die nicht zurückgezahlt werden müssten. "Vielen würde ein Kredit gar nichts nützen, sie tragen noch die Belastungen vom Hochwasser 2002", sagte Berger. Selbst bei nur einem Prozent Zinsen könnten sich viele einen neuen Kredit gar nicht leisten.
Den Gesamtschaden für seine Stadt schätzt er auf 200 Millionen Euro. 2002 waren es 250 Millionen Euro. (dpa/WE)
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