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Die Musik-Videos von Lady Gaga sind preisgekrönt, aber auch heiß diskutiert. Durch zu viel Sex und Fetisch in ihren Videos würden Pop-Stars zu schlechten Vorbildern, meint Stephanie zu Guttenberg. Medienwächter sehen die Lage entspannt.
Mit acht Preisen ist Lady Gaga die große Abräumerin bei den MTV Video Music Awards. Damit wird die exzentrische Pop-Diva für ihre Erotik-Strategie belohnt: In den Videos setzt sie auf die Darstellung von Sex und weiblicher Sexualität. In einem Hauch aus Nichts räkelt sie sich zwischen leicht bekleideten Tänzern und bedient als Kunstprodukt die Fantasien von Mann und Frau. Alles natürlich im durchgestylten Kunstgewand am Rande des Erlaubten und für einige auch am Rande des guten Geschmacks.
Für Stephanie zu Guttenberg (Präsidentin der deutschen Sektion von „Innocence in Danger“ – ein Verein gegen Kindesmissbrauch) beinhalten solche Videos eindeutig zu viel Sex. In einer Boulevard-Zeitung wettert sie gegen Popstars wie Rihanna, Christina Aguilera und Britney Spears, die in ihren Musik-Videos wie Porno-Stars aussähen. Damit böten die Pop-Idole der Jugend ein völlig falsches Bild von Sexualität, das Kinder anfällig mache für sexuelle Gewalt.
Beschwerde zu „Alejandro“ von Lady Gaga
Doch auf MTV und VIVA darf etwa Christina Aguilera in ihrem Video „Not myself tonight“ Fantasien zu Gruppen-Sex, Fetisch und gleichgeschlechtlicher Liebe bedienen. „Beschwerden zu Musik-Videos sind äußerst selten geworden“, erklärt Dr. Peter Widlok, Sprecher der Landesanstalt für Medien NRW. Die einzige Beschwerde in diesem Jahr habe es zu „Alejandro“ von Lady Gaga gegeben. Hier präsentiert sich die Exzentrikerin als heilige Hure. Sex, Homoerotik, Sado-Maso und zur Krönung gibt es eine Portion Blasphemie: Im rot-weißen Latex-Outfit verschluckt sie einen Rosenkranz.
Die Prüfung durch die Landesmedienanstalt NRW ergab, dass das Video zwar grenzwertig sei, aber noch nicht für Kinder und Jugendliche in ihrer Entwicklung beeinträchtigend. „Die Sexszenen sind nicht stark ausgespielt, sondern nur angedeutet und befinden sich in einem deutlich erkennbaren Kunstkontext. Außerdem werden sie durch Tanzeinlagen etc. unterbrochen“, erklärt Widlok. Deshalb sei das Video medienrechtlich nicht zu beanstanden.
Der Leiter der Freiwilligen Selbstkontrolle Fernsehen (FSF), Joachim von Gottberg, findet die Debatte wichtig, die Stephanie zu Guttenberg über die Grenzen des Anständigen angestoßen hat – auch wenn er eine andere Meinung vertritt: „Es ist eine Verkennung der Intelligenz der Jugendlichen, wenn man annimmt, dass sie so dämlich sind und sich genauso wie die Popstars in den Videos verhalten wollen.“ Die junge Generation sei keineswegs verkommen, sondern zeige ein hohes Maß an Verantwortung.
Leichter Zugang zu Pornos - aber wenig Interesse
Die Studie „Jugendsexualität 2010“ der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung bestätigt die Einschätzung. Demnach erleben Jugendliche ihr „erstes Mal“ später als noch vor einigen Jahren. Feste Partnerschaften sind häufiger und die Partner achten besser auf die Verhütung. „Die Jugendlichen haben zwar leichter Zugang zu Pornos, aber das Interesse ist relativ gering“, so FSF-Leiter von Gottberg. „Für sie ist es viel wichtiger zu wissen, wie man küsst oder einem Mädchen sagt, dass man sie liebt.“
Dazu komme die sehr entspannte Haltung der Jugend zur Sexualität – etwa wenn Katy Perry in „I kissed a girl“ über sexuelle Erfahrungen zwischen Frauen singt. Die Pop-Szene habe sich zu einem Kontrapunkt zu den traditionellen Familienwerten entwickelt, räumt von Gottberg ein. Doch diese Darstellung von Sexualität spiele viel mehr in den Medien als in der Realität.
Einschreiten würden die Medienschützer erst, wenn Gewalt eine große Rolle spielt sowie die Frau in Musik-Videos ausschließlich als Sex-Objekt dargestellt und über ihre sexuellen Reize definiert wird. Hier haben in der Vergangenheit vor allem die Rapper Eminem, Bushido und Sido die Grenze des Erlaubten überschritten.
Nackte Brüste sind kein Straftatbestand im Medienrecht
In Amerika gibt es sehr viel strengere Regeln in Sachen Musik-Videos: „Es gibt oft zwei Versionen. Eine prüde Fassung für den amerikanischen Markt und eine freizügige für Westeuropa. Auch Deutschland gibt sich diesbezüglich sehr liberal“, berichtet Peter Widlok von der Landesmedienanstalt NRW. Nackte Brüste sind etwa kein Straftatbestand im Medienrecht. Trotzdem achten Sender wie MTV und VIVA in der Regel darauf, dass Videos mit übertrieben nackten Tatsachen ins Nachtprogramm verbannt werden.
Deshalb sollten sich Eltern viel weniger Sorgen über heiße Musik-Videos von Lady Gaga oder anderen Popstars machen, sondern eher über die Art und Weise des Medienkonsums ihrer Kinder, fordert Widlok. „Ein internetfähiger PC hat im Kinderzimmer nichts zu suchen – das ist kein elektronischer Babysitter“, mahnt der Medienexperte. „Eltern tragen eine Mitverantwortung, dass Kinder nicht nachts im Internet jugendgefährdende Inhalte konsumieren.“