Porto Alegre/Honolulu.
Zwei Millionen Menschen sind von dem schweren Erdbeben in Chile betroffen. Im Katastrophengebiet rund um die Stadt Concepción spitzt sich die Lage mit Plünderungen und Gewaltausbrüchen zu. Der Tsunami verlief schwächer als von Experten erwartet.
Nach dem schweren Erdbeben in Chile hat sich die Lage im Katastrophengebiet an der Pazifikküste zugespitzt. In Vororten der Stadt Concepción kam es am Montag (Ortszeit) zu Schießereien zwischen Soldaten, Plünderern und bewaffneten Bürgerwehren. Die nächtliche Ausgangssperre in Concepción wurde verlängert und auf drei weitere Städte ausgeweitet. Bisher wurden 723 Erdbebentote geborgen. Viele weitere Menschen werden noch vermisst. Zwei Millionen Menschen sind nach Behördenangaben von dem Erdbeben am Samstag direkt betroffen.
Bei Plünderungen in der Großstadt Concepción gingen ein Supermarkt und ein Großmarkt in Flammen auf. Zuvor hatten Polizisten eine aufgebrachte Menge mit Tränengas zurückgedrängt. Mehrere Menschen wurden verletzt. Augenzeugen zufolge soll es auch Tote gegeben haben. Bis Dienstag sollen 7.000 Soldaten im Großraum Concepción, wo eine Million Menschen leben, für Ordnung sorgen.
Hilfsleistungen aus Brasilien
Als erster ausländischer Staatschef kam Brasiliens Präsident Luiz Inácio Lula da Silva nach dem Erdbeben nach Chile und kündigte Hilfslieferungen an. Gebraucht werden vor allem mobile Kliniken, Anlagen zur Wasseraufbereitung, Not-Brücken, Kommunikationsausrüstung und Küchen. US-Außenministerin Hillary Clinton wird an diesem Dienstag in Chile zu einem bereits länger geplanten Staatsbesuch erwartet.
Derweil folgte auf den Tsunami-Alarm nach dem Erdbeben rasche Entwarnung - dieses Glück im Unglück bereitet Wissenschaftlern jedoch Kopfzerbrechen. Die Modelle für die Berechnung der Folgen eines Seebebens sollen nun überprüft werden, wie Mitarbeiter des Tsunami-Warnzentrums für den Pazifik in Hawaii der Nachrichtenagentur AP sagten. Zwar rissen von dem Beben ausgelöste Riesenwellen in Chile selbst zahlreiche Menschen in den Tod, in anderen Pazifik-Anrainerstaaten verursachte der Tsunami aber keine größeren Schäden.
Fehlprognose bei Tsunami-Warnzentrum
Für den Geophysiker Gerard Fryer vom Tsunami-Warnzentrum ist das ein echtes Rätsel: Bei einem Seebeben der Stärke 8,8 vor Chile hätte er fatale Folgen auch für Hawaii erwartet, sagte Fryer der AP. „Ich hätte gesagt: Das wird übel. Aber es war nicht so. Und wir müssen jetzt herausfinden, warum es nicht so war.“ Eine mögliche Ursache für die Fehlprognose sei, dass das Zentrum des Bebens näher an der Wasseroberfläche lag als angenommen, erklärte Fryer. Hätte sich der Erdstoß in größerer Tiefe ereignet, so wäre mehr Wasser verdrängt und damit auch ein größerer Tsunami ausgelöst worden.
Überdies gingen die bislang verwendeten Modelle davon aus, dass die Geschwindigkeiten der einzelnen Wellen sowie die Intervalle dazwischen bei jedem Tsunami in etwa gleich seien. Tatsächlich gebe es aber erhebliche Unterschiede, die für die Zerstörungskraft der Wellen durchaus bedeutsam seien. Dass überhaupt ein Tsunami-Alarm herausgegeben wurde, sei aber die richtige Entscheidung gewesen, betont der Geophysiker Fryer. Immerhin wurden in Hawaii und Neuseeland rund 16 Stunden nach dem Erdbeben in Chile bis zu zwei Meter hohe Flutwellen registriert. (apn/epd)