Düsseldorf. Seit diesem Freitag dürfen Kinos in NRW vielerorts wieder öffnen. Doch so einfach ist das nicht. Großkinos starten voraussichtlich erst im Juli.
Seit fast sieben Monaten sind die Kinos in NRW zu: Jetzt dürfen sie erstmals seit dem 2. Corona-Lockdown vom November 2020 wieder vielerorts öffnen. Doch gerade große Kino-Betreiber treten auf die Bremse. Großkinos bundesweit peilen den 1. Juli an, um wieder Publikum vor die Leinwände zu lassen.
Die neuen Lockerungen für Einzelhandel, Kultureinrichtungen und viele andere Bereiche in NRW gelten seit Jüngstem. Stand Freitag griffen sie in 45 Städten und Landkreisen in NRW, wo die 7-Tages-Inzidenz seit mehreren Tagen „stabil“ unterhalb des Wertes von 100 liegt.
Kino-Betreiber: „Endlich wieder eine Perspektive“
„Wir sehen endlich wieder eine Perspektive“, freut sich Sebastian Riech, Theaterleiter des Ufa-Palast am Düsseldorfer Hauptbahnhof und zweier weiterer Großkinos in Recklinghausen und Dresden. Seit 2. November gab es in seinen 13 Kino-Sälen in Düsseldorf mit insgesamt 3000 Sitzplätzen keine Filmvorführung mehr. Doch es mache keinen Sinn, sofort zu öffnen - „jedenfalls nicht bei einem solch’ großen Haus wie uns“, meint Riech. Für Mitte Juni peilt unterdessen der in Bochum sitzenden Kinobetreiber UCI-Kinowelt die Wiederöffnung seiner Häuser an. Details aber gibt es dazu aktuell noch nicht, sagte eine Sprecherin auf Anfrage.
Frühestens Ende Juni sieht Sebastian Riech die Chance, seine Kinos zu öffnen. Jetzt stehe erstmal viel Arbeit an: „Die Technik muss gewartet werden, wir müssen Vorräte etwa an Popcorn, Nachos und Getränke bestellen.“ Die im Hause ausgeschenkte „Afri“-Cola etwa aber sei noch gar nicht verfügbar, „weil der Hersteller erst vor einer Woche wieder die Produktion aufgenommen hat“, berichtet Riech.
Höchstens 250 Zuschauer im Kino-Saal erlaubt - doch die Abstandsregeln verringern die Zahl
Die Mitarbeiter seien alle informiert, dass es bald wieder losgeht, sagt Riech. „Manche haben unser Kino seit März 2020 nicht mehr betreten.“ Doch bis das Kino wirklich öffnen könne, müssten auch noch wichtige rechtliche Fragen geklärt sein. Etwa diese: „Gilt für uns noch immer ein Verzehrverbot im Haus?“, fragt sich Riech. Im NRW-Gesundheitsministerium verweist eine Sprecherin auf die Bestimmung für die Gastronomie. Fazit: Auch Kinos können, bei entsprechend günstiger 7-Tages-Inzidenz, Speisen und Getränke verkaufen - und verzehrt werden dürfen die im Hause dann auch.
Ebenso entscheidend: Wie viele Zuschauer sind zugelassen? Bei stabilen Inzidenzwerten zwischen 50,1 und 100 dürften in NRW der neuen Coronaschutzverordnung nach bis zu 250 Menschen gleichzeitig in einen Kinosaal. Doch der etwa 40 bis 50 Multiplex- und anderer Großkinos in NRW haben auch Säle mit nur 100 oder 120 Sitzplätzen - und da dürften laut Riech dann nur 20 bis 25 Zuschauer gleichzeitig hinein, wegen des Mindestabstands; Kinobesucher müssen „im Schachbrettmuster“ platziert werden, gibt das Land vor. Die Platzvergabe ist zudem auf Haushalte bezogen. Heißt: Seine 120-Sitze-Säle dürfte Riech aktuell nur dann komplett füllen, wenn alle Besucher aus dem selben Haushalt stammten…
Filmbranche drängt auf bundesweit einheitliche Rahmenbedingungen
Erst ab einem stabilen Inzidenzwert unter 35 wird es für die Kinos wirtschaftlich wieder interessant, erklärt Riech. Dann erst können die Kino-Betreiber entscheiden, ob sie auf die Corona-Testpflicht der Besucher verzichten oder die Abstandsregeln in den Sälen aufheben, sagt Riech. Zudem erhöht sich dann die Höchstgrenze auf 1000 Personen.
„So sehr wir uns freuen, dass wir endlich wieder über die Öffnung der Kulturorte sprechen: Regionale Optionen sind für Kinos keine echte Perspektive, es brauche bundesweit einheitliche Regelungen“, fordert Sebastian Breuer, Vorsitzender der Gilde Deutscher Filmkunsttheater (AG Kino). „Die Filmbranche kann nicht davon überleben, wenn entlang der 100er-Inzidenz wiederholt geöffnet und geschlossen wird“, teilt Breuer in einer Mitteilung mit. Und: „Erneute Lockdowns könnten das endgültige Aus für viele kleine und mittlere Betriebe bedeuten.“
Kino-Sterben zeichnet sich noch nicht ab
273 Kinos zählt die deutsche Filmförderanstalt (FFA) aktuell in NRW; im Vergleich zum ‘Vor-Corona-Jahr’ 2019 sind das zwei Kinos weniger. „Wir rechnen trotz Corona eher nicht mit einem Kino-Sterben“, meint Sprecher Jens Steinbrenner. Der Eingang an Förderanträgen bei der FFA deute eher darauf hin, dass viele Kinobetreiber die Auszeit genutzt haben, z.B. ihre Räumlichkeiten frisch zu machen. Die wahre Lage aber werde wohl erst im Sommer zu erkennen sein, weil die Insolvenzpflicht nach mehreren Frist-Verlängerungen erst Ende April endete.
So planen die Verbände der Kinowirtschaft nun die bundesweite Öffnung der Filmtheater zum 1. Juli. Das ist eine Übereinkunft der fünf Kino- und Verleihverbände, berichtet unlängst der größte deutsche Kino-Verband HDF Kino. Und er nennt Filme, deren Neustarts dann vermutlich flächendeckend anstehen:
Diese Filme könnten bald in den Kinos anlaufen
- „Peter Hase 2 – Ein Hase macht sich vom Acker
- Fast & Furious 9
- Catweazle
- Nomadland (Oscar-Gewinner)
- Kaiserschmarrndrama
- Black Widow
- Godzilla vs. Kong
- A Quiet Place 2
- Cash Truck
- Der Rausch (Oscar-Gewinner)
- Bad Luck Banging or Loony Porn (Berlinale-Gewinner)
- Fabian oder Der Gang vor die Hunde (Berlinale-Wettbewerb)
- Rosas Hochzeit“
Bundeskabinett bringt Milliarden-Euro-Hilfspaket auf den Weg
Nach Einschätzung des FFA würden Kinos, die nun rasch die Öffnungsmöglichkeiten nutzen, vorerst „nur für Fans öffnen“, die sich etwa auch für einen zwei Jahre alten Kinofilm jetzt eine Karte kaufen würden, sofern sie den bis dato verpasst hätten, meint FFA-Sprecher Steinbrenner. Wirtschaftlich lohnend sei das für die meisten Kinos jedoch noch nicht. Auch deshalb hat das Bundeskabinett jüngst ein neues Hilfspaket auf den Weg gebracht, dass unter anderem insgesamt 1,9 Milliarden Euro Ausgleichszahlungen für Pandemie-bedingte Besucherzahleinschränkungen bei Theatern, Kinos und anderen Kultureinrichtungen vorsieht.
Die Cineplex-Gruppe gab im November eine Kostenübersicht. Demnach blieben bei 12.25 Euro durchschnittlichem Netto-Umsatz pro Kino-Gastabzüglich Filmmiete und Wareneinsatz 7.35 Euro „Deckungsbeitrag“ für die Kinobetreiber übrig, für alle Kosten, die vor Ort anfallen. Die Zwangs-Schließung der Kinos wegen Corona kostete die Kinos laut Cineplex mindestens 4,62 Euro Verlust pro Besucher. 2019 wurden in den Kinos bundesweit knapp 120 Millionen Besucher gezählt.
„Auf Streaming-Plattformen werden Filme nicht berühmt“
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Aus noch einem weiteren Grund will ein Kino-Start gut überlegt sein. Sebastian Riech verweist auf das Thema Miete. „Bis dato haben wir sehr gute Miet-Kondititionen bei unserem Vermieter. Doch wenn wir wieder öffnen, möchte der auch wieder endlich Geld sehen“, erklärt Riech. Hinzu komme: Von den seit Monaten beantragten Hilfsgeldern der November-, Dezember-Hilfe und der Überbrückungshilfe „haben wir bis jetzt noch keinen Cent gesehen“, kritisiert Riech.
Dass viele aktuelle Kino-Filme zwischenzeitlich - aus wirtschaftlichem Druck der Film-Studios - zu Streaming-Anbeitern ins Internet gewandert sind, ist aus Sicht der FFA kein gravierendes Manko für die Kinos, glaubt Sprecher Jens Steinbrenner: „Kino ist ein Gemeinschaftserlebnis.“ Auch für die Filmindustrie seien es die Kinokassen, die letztlich „das Geld für einen Film bringen“, meint Steinbrenner: „Auf Plattformen werden Filme nicht berühmt.“
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