Herne. Das neue „Kuttenverbot“ macht Rockern zu schaffen. Doch sie gehorchen und verhalten sich auffällig ruhig. Dahinter steckt ein Plan.

  • NRW-Polizei begrüßt das neue Kuttenverbot
  • Das Verbot geht viel weiter als bisherige Kutten-Verbote
  • Rockergruppen wollen gemeinsam dagegen klagen

Herne, vor sechs Wochen. Jaden, 9, wird beigesetzt. Er ist dem mutmaßlichen Doppelmörder Marcel H. zum Opfer gefallen. Jadens Vater ist Bandido. Zur Beerdigung kommen 1500 Rocker ganz unterschiedlicher und oft verfeindeter Banden. Eine Art Solidarität in der Trauer. Was dabei auffällt: Alle haben die abschreckenden Kutten zu Hause gelassen. Sie sind „in Zivil“ vorgefahren.

An diesem Tag ist – Zufall – die Verschärfung des neuen Vereinsrechts in Kraft getreten, die unter dem Begriff „Kuttenverbot“ bekannt ist. Rockern ist ab sofort untersagt, die seit Jahren in den Ländern gängigen Verbote einer lokalen Rocker-Organisation durch den Wechsel zu anderen Abzeichen und Kutten zu unterlaufen. Jetzt gilt die Regel: Symbole wie Kutten und die einschlägigen Logos auf den Vereinsheimen der Charter und Chapter dürfen schon dann nicht mehr getragen werden, wenn irgendwo nur eine einzelne Ortsgruppe verboten wurde.

Polizei in NRW begrüßt Kuttenverbot

Selbst eine Ähnlichkeit der Abzeichen ist nicht mehr zugelassen. Experten sprechen von einem sehr scharfen Vorgehen des Gesetzgebers. Die Polizei auch in NRW begrüßt den Schritt – stellten die Kutten doch eine Möglichkeit dar, in der Öffentlichkeit selbst dann wieder Macht zu demonstrieren.

Doch von einem sichtbarem Widerstand der bisher von Verbotenen betroffenen Bandidos, Hells Angels und Gremiums gegen dieses Gesetz ist nichts zu spüren. Im Gegenteil. Man hält sich penibel ans neue Recht. Das stellt jetzt sogar das Bundesinnenministerium fest: „Nach Kenntnis der Bundesregierung wurden die betroffenen sogenannten Rockergruppierungen seit Änderung des Vereinsgesetzes nicht mehr mit verbotenen Kennzeichen in der Öffentlichkeit festgestellt“, heißt es in einer Antwort auf eine Anfrage der Linken. Weiter: Weder Internetseiten noch Vereinsheime seien seither derart gekennzeichnet. Die Logos und Kennzeichen dort wurden entfernt und abmontiert.

Rockergruppen wollen sich zusammentun und gemeinsam Klage einreichen

Sind Rocker also plötzlich nur noch brave Motorradfahrer? Eher wahrscheinlich: Die Abwehr wird anders organisiert. Chapters und Charters greifen ganz bürgerlich zum Gesetzbuch. Rockerbanden wollen sich zusammentun und gute Juristen engagieren. Sie wollen beim höchsten deutschen Gericht gegen den Bundestagsbeschluss klagen, der „gegen das Grundrecht verstößt“, wie das RockerPortal schon im Januar geurteilt hat. Führende Verfassungsrechtler wie der Staatsrechtler Ulrich Battis und Kathrin Groh haben ähnliche Bedenken geäußert.

„Man wird das nicht auf sich sitzen lassen, es wird Beschwerde beim Bundesverfassungsgericht eingelegt“, schreibt das RockerPortal. Zwei Frankfurter Fälle könnten Grundlage der Klage sein. Die Karlsruher Richter könnten sogar generell Klartext zu der Verbotswelle der Länder-Innenminister reden.

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Osmanen Germania sind noch nicht ins Visier der Politik geraten

Nordrhein-Westfalens Innenminister hat seit dem Jahr 2000 neun Mal Verbote erlassen. In und um Aachen, in Köln und Düsseldorf. In vier weiteren Fällen hat dies der Bund übernommen. Die Maßnahmen konzentrierten sich auf herkömmliche, klassische Motorradclubs. Noch nicht ins Visier der Politik geraten sind dagegen die Osmanen Germania, eine türkische Rockerbande, die zwar ohne Motorräder, aber mit viel Engagement für türkische Interessen und speziell die des Präsidenten Erdogan unterwegs ist. Sie tritt seit ungefähr eineinhalb Jahren stark an Rhein und Ruhr auf.

Die „Deutsche Polizei“, die Zeitschrift der Gewerkschaft der Polizei (GdP) hat dem Phänomen jetzt eine größere Analyse gewidmet, die für die NRW-Behörden alarmierend sein könnte. Danach sind im Bergischen erste personelle Verbindungen zwischen Osmanen und Islamisten offenbar geworden. Der bekannte Wuppertaler Teenager-Salafist Eddine C. trainiere gerne in einem Boxclub der Rocker, er lasse sich mit diesen gemeinsam in sozialen Netzwerken ablichten und führe Osmanen in seiner Facebook-Freundesliste. Nur ein Anfang?