Washington. Unterhaltung boten die 89. Academy Awards mit einem geschichtsträchtigen Patzer. Außerdem setzte Moderator Kimmel gekonnt politische Spitzen.
- Bei den Oscars ist beinahe der falsche Film in der Königskategorie ausgezeichnet worden
- Moderator Jimmy Kimmel hat mit politischen Seitenhieben durch den Abend geführt
- Nach einem Aufschrei im vergangen Jahr sind in diesem Jahr auch afro-amerikanische Schauspieler geehrt worden
Es begann mit launiger Party-Musik von Justin Timberlake. Es endetet mit einer Panne für die Geschichtsbücher. Dazwischen bot die 89. Oscar-Verleihung in Hollywood wie so oft emotionale Momente, politische Seitenhiebe und etwas Langeweile. Film ab:
Wie kam es zum Augenblick des Abends?
Faye Dunaway und Warren Beatty, die Legenden aus dem 50 Jahre alten Meisterwerk „Bonnie and Clyde“, wurden bei der Vergabe des Hauptpreises für den besten Film des Jahres Opfer einer Verwechselung. Nach Öffnen des Umschlags verkündeten sie den favorisierten Film „La La Land“ als Sieger, der zuvor bereits sechs Preise erhalten hatte.
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Als die Film-Crew im Publikumsjubel die ersten Dankesworte anstimmte, kam es zu hektischen Szenen auf der Bühne im Dolby Theatre von Hollywood. Binnen Sekunden wurde der Sieger zum Verlierer. In Wahrheit - so war es auf einem in die Kamera gehaltenen Zettel zu lesen - hatte das Sozial-Drama „Moonlight“ den Jackpot gewonnen.
Grund für die beispiellose Panne, die viele Zuschauer in ein Wechselbad der Gefühle stürzte und in den sozialen Netzwerken zigtausendfach debattiert wurde: Brian Cullinan und Martha Ruiz, die Wirtschaftsprüfer von PricewaterhouseCoopers, hatten Beatty und Dunaway fälschlicherweise den zweiten Umschlag für Emma Stone ausgehändigt, die kurz zuvor für ihre Rolle in „La La Land“ als beste Hauptdarstellerin ausgezeichnet worden war.
Das Unternehmen, das über Jahrzehnten für den reibungslosen Ablauf der Oscar-Vergabe bürgte, schrieb in der Nacht zerknirscht eine Entschuldigung: „Wir bedauern zutiefst, dass das vorgefallen ist.“
Hat „Moonlight“ verdient gewonnen?
Aber ja. Amerika liebt David-gegen-Goliath-Duelle. Mit einem Schmalspur-Budget von fünf Millionen Dollar hat die auf wahren Erlebnissen beruhende Sozialstudie aus der schwarzen Unterschicht den Favoriten (14 Nominierungen) „La La Land“ bezwungen.
Die einfühlsame Arbeit von Regisseur Barry Jenkins, der aus ärmsten Verhältnissen stammt, kommt ohne stumpfe Bilder von Gang-Geprotze und Waffengewalt aus. Stattdessen wird das Erwachsenwerden eines Homosexuellen in einer notorischen Macho-Welt gezeigt.
Was war anders bei den Oscars 2017?
Der holprige Siegeszug von „Moonlight“ war nicht das einzige Eingeständnis der Jury-Mitglieder, dass man in den Vorjahren zu sehr die Arbeit von weißen Akteuren gewürdigt hatte. Diesmal räumten afro-amerikanische Darsteller ab. Allen voran Mahershala Ali für „Moonlight“ und Viola Davis für „Fences“ in den besten Nebenrollen.
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Ali, vor wenigen Tagen Vater geworden, ist der erste muslimische Oscar-Gewinner. Davis, die wieder einmal die bewegendste und persönlichste Dankesrede hielt, stieg mit ihrem Erfolg an der Seite von Film-Partner Denzel Washington in den erlauchten Kreis jener 23 Schauspiel-Stars auf, die es in ihrer Karriere zu den drei wichtigsten Preisen - Oscar, Emmy und Tony - gebracht haben.
Bei so viel Schwarz fiel beinahe hinten herunter, dass Casey Affleck, der kleine Bruder des Hollywood-Mimen Ben Affleck, für seine wortkarge aber enorm eindrucksvolle Rolle in "Manchester-by-the-Sea" den Oscar als bester Schauspieler erhielt. Deutsche Akteure im Wettbewerb, auch Maren Ade mit „Toni Erdmann“, gingen komplett leer aus.
Bekam Präsident Donald Trump sein Fett weg?
Ja, aber in bekömmlichen Dosen. Die große Brandrede, wie sie Meryl Streep bei den „Golden Globes“ im Januar auf den neuen Präsidenten gehalten hatte, fiel aus. Stattdessen gab es eine Welle aus kleinen Invektiven, auf der vor allem Jimmy Kimmel gekonnt surfte, ohne dabei abzustürzen.
So rief der stets seelenruhig wirkende Moderator analog zu Trumps Feindlichkeit gegenüber den Medien die „New York Times" und andere Organe ironisch zum Verlassen des Festsaals auf. „Wir dulden keine Fake News. Wir lieben falsche Sonnenbräune, aber falsche Nachrichten?“. Später rückte der 49-Jährige dem New Yorker Geschäftsmann via Twitter auf die Pelle. „Hey, bist Du wach?“. Trump blieb stumm.
Bis dahin hatten Laudatoren und Geehrte nur in vorsichtigen Anspielungen ihr Missfallen über die gesellschaftspolitische Eiszeit bekundet, die für viele mit Trumps Regierungsantritt einhergeht. Oft war vom Segen der Einwanderungsgesellschaft die Rede. Die Vokabeln „Grenzen“, „Abschottung“ und „Mauern“ kamen nur in negativem Kontext zur Sprache.
Richtig politisch wurde es nur einmal. Der für den besten fremdsprachigen Film („The Salesman“) ausgezeichnete Iraner Asghar Farhadi blieb der Feier aus Protest gegen Trumps Einreisebann fern. In einer in seinem Auftrag verlesenen Erklärung hieß es: „Wer die Welt in Kategorien von „Wir“ und „unsere Feinde“ einteilt, schafft Angst.“
Was war vielleicht verzichtbar oder zu lang?
Moderator Kimmel machte sich das Publikum zum Freund, als er mehrfach Bonbons, Kekse und Donuts an kleinen Fallschirmen von der Hallendecke fallen ließ; viele Stars hungern sich in ihre Oscar-Robe und sind entsprechend kalorienbedürftig. Nicht ganz so prickelnd geriet dagegen die Einladung scheinbar ahnungsloser Bus-Touristen, die vor die Bühne im Dolby Theatre geführt wurden und gefühlte zehn Minuten die Stars in der ersten Reihe bestaunen und zu Selfies überreden durften. Denzel Washington rettete die verkrampfte Situation. Er erklärte ein Paar zu Mann und Frau.