Ansbach. Gegen den 18-jährigen Amokläufer von Ansbach ist Haftbefehl erlassen worden. Georg R. hatte zehn Menschen verletzt, einen mehr als bislang bekannt. Nun fordern Polizei- und Lehrerverbände mehr Psychologen in Schulen. Auch Angehörige aus Winnenden meldeten sich zu Wort.

Der Amokläufer von Ansbach hat bei seiner Tat zehn Menschen verletzt und damit einen mehr als bislang bekannt. Oberstaatsanwältin Gudrun Lehnberger sagte heute in Ansbach, nach neuen Erkenntnissen wurden durch den Amoklauf neun Schüler und ein Lehrer verletzt.

Fünf Molotowcocktails

Auch zu seiner Bewaffnung gab es neue Erkenntnisse: Der 18-Jährige sei nicht mit drei, sondern mit mindestens fünf Molotowcocktails, drei feststehenden und einem Butterflymesser sowie einem Beil bewaffnet gewesen. Die durch einen Axthieb verletzte 15-Jährige ist nach einer mehr als siebenstündigen Operation wieder auf dem Weg der Besserung, teilte das Klinikum Nürnberg heute mit.

«Zum Motiv des Täters kann ich noch keine sicheren Auskünfte geben», sagte Lehnberger. Er habe sich in psychotherapeutischer Behandlung befunden. Bei der Durchsuchung seiner Wohnung seien keine Drohungen gegen bestimmte Personen gefunden worden. Der Computer des Jungen sei beschlagnahmt worden. Die Eltern schwiegen.

Schulrektor Franz Stark sagte, der Georg R. habe als in sich gekehrter Schüler gegolten. Mit 65 weiteren Schülern habe der 13. Klassen habe er sich zur Abschlussreise nach Rom angemeldet. Sie hätten am Donnerstagnachmittag losfahren und eine Woche bleiben sollen.

Lehrer auf Probleme der Schüler schulen

Das Aktionsbündnis Amoklauf Winnenden hat mittlerweile Konsequenzen aus der Bluttat von Ansbach gefordert. Gisela Mayer, die Sprecherin des Bündnisses, sagte am Freitag «Stern.de»: «Es müssen endlich Lehrer an allen Schulen zur Früherkennung befähigt werden. Sie müssen so geschult werden, damit sie die psychischen Probleme der Kinder sofort erkennen und reagieren können.» In dem Aktionsbündnis sind die Hinterbliebenen der Opfer des Amoklaufs von Winnenden organisiert.

«Es ist falsch, dass man die Täter nicht im Vorfeld erkennen kann», sagte Mayer, die ihre Tochter bei dem Amoklauf im März verlor. «Diese Amokläufer fallen nicht vom Himmel.» Sie forderte auch die Verbesserung der Sicherheitssysteme an den Schulen. Langfristig gehe es aber darum, die Schüler zu einem respektvollen Umgang miteinander zu erziehen. «Problem- und Konfliktlösung muss an den Schulen geübt werden. Wir brauchen ein Fach Sozialkompetenz», sagte sie. Der Amoklauf von Ansbach solle als Hinweis dafür dienen, «dass das Problem nicht beseitigt ist und wir unsere Anstrengungen noch mal intensivieren müssen».

"Psychologen gehören in jede Schule"

In ganz Deutschland haben sich derweil Polizei- und Lehrerverbände zu Wort gemeldet: Sie fordern mehr Psychologen in den Schulen. Außerdem solle das Verhalten bei Amokläufen an Schulen geübt werden. Der Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Konrad Freiberg, sagte am Freitag: «Schulpsychologen gehören in jede Schule.» Oft könnten Experten die Entwicklung eines Jugendlichen zu einem Gewalttäter erkennen und stoppen.

Der Präsident des Deutschen Lehrerverbandes, Josef Kraus, sagte, derzeit müsse ein Psychologe im Schnitt 10.000 Schüler betreuen. «Das kann nicht funktionieren.» Trotz gegenteiliger Ankündigungen aus der Politik habe sich die Versorgung kaum verbessert. Zugleich sollten Klassensprecher trainiert werden, «um sie für mögliche Probleme und Außenseiter in ihren Klassen zu sensibilisieren». In den Schulen müsse man «eine Kultur des Hinsehens etablieren».

Abdriften in Scheinwelten

Der Vorsitzende des Deutschen Philologenverbandes, Heinz-Peter Meidinger, mahnte, stärker auf andere zu achten. «Es ist erschreckend, dass oft selbst Eltern nicht rechtzeitig erkennen, wenn ihre Kinder sich langsam völlig von der Realität verabschieden, in Scheinwelten abdriften und gegen ihre Umwelt unvorstellbare Hassgefühle entwickeln», sagte er.

Nach US-Vorbild sollten auch an deutschen Schulen regelmäßige Amok-Schutzübungen mit der Polizei stattfinden, sagte der Lehrer. Auch GdP-Chef Freiberg forderte, Notfallpläne müssten regelmäßig erprobt werden.

Auch Sommer plädiert für mehr Schulpsychologen

Auch die nordrhein-westfälische Schulministerin Barbara Sommer sprach sich einem Bericht zufolge dafür aus, die Zahl der Schulpsychologen im Land deutlich zu erhöhen. Sie denke an bis zu 1.000 Experten, sagte die CDU-Politikerin der «Rheinischen Post» (Samstagausgabe). Derzeit sind in Nordrhein-Westfalen dem Bericht zufolge rund 250 Kräfte im Einsatz. Sie glaube zwar nicht, dass jede Schule einen eigenen Psychologen benötige, wurde Sommer zitiert: «Eine Zielmarke wäre es für mich aber, wenn wir für jeweils drei bis vier unserer weiterführenden Schulen einen gemeinsamen Psychologen hätten, der sich 40 Stunden pro Woche um die Probleme an diesen Schulen kümmern könnte.» (ddp/ap)