Essen. Ob Polaroid, Sinalco, Elefantenschuhe, Creme 21 oder das Mülheimer Mölmsch-Bier: Markenklassiker, die eigentlich schon vom Markt verschwunden waren, führen teilweise ein sehr erfolgreiches Leben nach ihrer Wiedergeburt.

Der Name klingt wie das vorauseilende Eingeständnis des Scheiterns: „Das unmögliche Projekt” hat Florian Kaps sein Unternehmen genannt. Im Zeitalter der digitalen Fotografie hat sich der Österreicher in den Kopf gesetzt, die Polaroid-Fotografie zu reanimieren. Kaps' Plan ist der jüngste Versuch, untergegangenen Marken neues Leben einzuhauchen.

Überwinden Kaps und sein kleines Team die technische Herausforderung, könnte sich das Sofortfoto mit dem weißen Rahmen nach Kaps Prognose zum Selbstläufer entwickeln. „Weltweit sind noch bis 500 Millionen Kameras vorhanden, der Markt ist vorhanden.”

"Mölmsch": ein neues altes Fass

Der Ausgang von Kaps Experiment ist offen. Dass Klassiker Potenzial für ein zweites Leben haben, offenbart eine Reihe von Beispielen:

Eine lokale Berühmtheit war die Mülheimer Biermarke „Mölmsch”. 1991 versiegte sie, seit Anfang dieses Jahres schäumt das Obergärige wieder. Fünf junge Männer machten ein neues altes Fass auf. Erstaunlich: Sie selbst hatten „Mölmsch” nie probiert, als dessen Ende kam, waren sie noch Kinder. „Wir haben uns die Frage gestellt, warum Mülheim kein eigenes Bier mehr hat”, so Jonas Wanke. Die Jungunternehmer analysierten die Branche und stießen auf einen Trend zu regionalen Marken. Da im Stadtbild alte Werbeschilder immer noch Hinweise auf eine glorreiche Vergangenheit gaben, sicherte sich das Quintett die Markenrechte am „Mölmsch”. Gemeinsam mit einer Brauerei in Hagen entwickelten die Reanimateure den Geschmack, gaben der Marke einen zeitgemäßen Auftritt. Offensichtlich gelinge der Spagat zwischen den Altersgruppen. Die Generation 50plus greife zu, weil sie die Marke von früher kennt, die Jüngeren schätzen die Frische des Bieres.

Jugendliche haben keine Ahnung, was Sinalco ist

Ein paar Kilometer weiter westlich erlebte ebenfalls ein Getränk seine Wiederauferstehung. Die Duisburger Getränkegruppe Hövelmann war zu Beginn der 90er-Jahre auf der Suche nach einer Marke mit einem tollen Klang. Und fand: Sinalco.

Statt ein neues Getränk mit neuem Namen mühevoll ins Bewusstsein der Verbraucher zu bringen, konnte man mit Sinalco auf ein großes Markenpotenzial zurückgreifen können. Welche Möglichkeiten mit Sinalco verbunden seien, offenbare der Bekanntheitsgrad von 91 Prozent. Die Verbraucher kennen die Markenmelodie im Flohwalzertakt und den leuchtend roten Punkt. Allerdings nicht in der anvisierten Zielgruppe, so Brogsitter. 12- bis 19-Jährige haben keine Ahnung, was Sinalco war, „also muss man die Marke für Jugendliche neu buchstabieren”, so die Verantwortlichen in Duisburg. Es genüge nicht, auf den Retrozug aufzuspringen. Anpassungen an die Gegenwart seien nötig, „aber der Markenkern darf nicht aufs Spiel gesetzt werden”. So verbiete sich die Einführung eines alkoholischen Szenegetränks. Der Name Sinalco stammt aus dem Lateinischen und bedeutet „ohne Alkohol”.

Creme 21 - Besinnung auf vergangene Jugendzeiten

Eine noch jüngere Zielgruppe hat der Essener Schuhproduzent Deichmann glücklich gemacht, als er die „Elefanten” wieder laufen ließ. Die Kinderschuhmarke war vom früheren Eigentümer dicht gemacht worden. Deichmann griff zu und ist sehr zufrieden mit dem Erfolg. „Die Bekanntheit hat sogar noch zugenommen”, so Sprecher Ulrich Effing. Das liege daran, dass man das Versprechen, das der Markenname den Kunden macht, einlöst. „Nicht nur die Hülle muss passen, auch der Inhalt”, so Effing. Deshalb habe man auch Material, Technologie und Forschung übernommen. Für Effing steckt ein Teil des Erfolgsgeheimnisses bekannter Marken darin, dass sie Vertrauen in der globalisierten Welt bieten und ein Stück Erinnerung bringen.

Speziell der Generation Golf bietet Creme 21 die Besinnung auf vergangene Jugendzeiten: Henkel hatte sie 1986 vom deutschen Markt genommen, Antje Willems-Stickel kaufte 2003 die weltweiten Rechte und brachte die Tiegel im leuchtenden 70er-Jahre-Orange zurück in den Handel. Die Dankesbriefe von Kunden zeigten die hohe Beliebtheit, so Sprecherin Alexa Grimmelt. Doch man dürfe sich nicht nur auf die gute Vergangenheit berufen, deshalb seien Optik und Rezeptur überarbeitet worden. „Wir mussten uns ans veränderte Konsumverhalten anpassen und sehen Creme 21 als moderne Marke mit einer tollen Vergangenheit”, so Grimmelt.

Wie sich Konsumverhalten und Zielgruppen verändern, hat die Ahoj-Brause erfahren. Nicht nur Kinder reißen die Tütchen auf, sondern auch junge Partygänger, die ihren Wodka damit „veredeln”.