Enschede. Eigentlich war der Polaroid-Sofortfilm schon beerdigt, als 2008 die letzte Produktionsstätte im niederländischen Enschede dicht machte. Doch der Österreicher Florian Kaps verhalf dem Kultobjekt zu einer erstaunlichen Wiedergeburt.

Wer in die Zukunft will, muss sich manchmal in die Vergangenheit begeben. Der Österreicher Florian Kaps hat diese ungewöhnliche Richtung eingeschlagen und sich vorgenommen, inmitten der digitalisierten Welt ein analoges – und damit hoffnungslos veraltetes – Produkt wiederzubeleben: den Polaroid-Sofortfilm.

2005 hatte sich Kaps selbstständig gemacht mit einem Unternehmen, dem er den vielsagenden Namen „unsaleable.com” gab – „Unverkäuflich”. Über das Internet vertrieb er zunächst all jene Dinge, denen die Bezeichnung Ladenhüter anhaftet. Auch Polaroidfilme, -kameras und entsprechendes Zubehör. All dies erfreute sich bester Nachfrage, deshalb konzentrierte Kaps sein Sortiment auf Polaroid.

"Das unmögliche Projekt"

Als er die Nachricht erhielt, dass die letzte Filmfabrik des Konzerns im niederländischen Enschede im Juni 2008 geschlossen werden soll, begann Kaps bei Polaroid zu quengeln. Er bot sogar an, die Fabrik zu kaufen. Vergeblich. Immerhin durfte Kaps an der Abschiedsfeier teilnehmen. Dort traf er André Bosman, der die Verschrottung der Maschinen koordinieren sollte. Seit jenem Tag sind Kaps und Bosman Partner. Ihrer Mission – die Wiederbelebung des Sofortfilms – gaben sie erneut einen skurrilen Namen: das unmögliche Projekt.

„Unmöglich” dachten auch die Polaroid-Manager. Als sie Kaps das Produktionsinventar schließlich doch verkauften, ließen sie durchblicken, dass man verrückt sein müsse, den Sofortfilm zu reanimieren.

„Man muss verrückt sein, es nicht zu tun”, kommentiert Kaps. „In Zeiten, in denen jede Sekunde eines Stopp-Essens beim Kindergeburtstag mit der Digitalkamera festgehalten wird, sehnt sich die fotografierende Menschheit wieder nach etwas zum Anfassen.” Und nach der Überraschung, der Unberechenbarkeit des Zufalls – 90 Sekunden bangen, ob die Augen der Fotografierten im Moment des Auslösens geöffnet waren.

Sehnsucht nach dem Überraschungsmoment

Längst habe sich eine Gemeinschaft von Anhängern gebildet, bei denen das Polaroid als „cool” gelte, so Kaps. Unter ihnen seien jene Filme besonders beliebt, deren Haltbarkeitsdatum längst überschritten ist. Sie steigern den Faktor des Unvorhergesehenen nochmals. Kaps: „Diese Leute zelebrieren die Unvollkommenheit. Doch das hat man bei Polaroid nie verstanden.” Noch etwas sei den Konzernlenkern nicht in den Kopf gegangen. Dass die Paarung Sofortfilm – Digitalbild nicht mit „entweder oder”, sondern mit „sowohl als auch” gebildet werden muss.

Kaps schätzt, dass weltweit noch zwischen 300 und 500 Millionen Kameras existieren, die auf Nachschub warten. Bei jenen Filmen, die jetzt noch verkauft werden, handelt es sich um Restbestände, die irgendwann verbraucht sind. Kaps will für Nachschub sorgen. Er betont, dass sein Reanimationsversuch nicht allein von fotografischer Romantik getrieben ist, „es geht hier schon um Geld”.

Die Neuerfindung des Sofortfilms

Das hat Kaps bislang nur investiert und ist mit 2,3 Millionen Euro Eigenkapital ein erhebliches Risiko eingegangen. Für die Wiederbelebung reicht es nämlich nicht, die Maschinen wieder in Fahrt zu bringen. Das 15-Mann-Team – früher produzierten in Enschede 1200 Mitarbeiter 100 Millionen Filme pro Jahr – muss den Sofortfilm neu erfinden. Die chemikalische Mischung für das Minilabor, das sich im kleinen Streifen des weißen Rahmens befindet, ist nicht mehr verfügbar. An dieser Stelle erschließt sich die Unmöglichkeit des Unterfangens.

Doch Kaps, Bosman & Co. haben das Unmögliche möglich gemacht. Sie haben einen Schwarzweiß-Film entwickelt, dessen Serienproduktion Anfang 2010 startet. Eine Million Filme sollen entstehen. So schlägt die Geschichte einen ironischen Haken: Die Summit Global Group, jener Investor, der sich im Oktober 2008 die Markenrechte für Polaroid sicherte, fragte bei Florian Kaps an, ob er Filme für ihn herstellen kann. Am liebsten zehn Millionen im Jahr. Wie viele Erwartungen die Vergangenheit wecken kann...