Düsseldorf. Der Mann, den sie CM Punk nennen, kennt sein Schicksal. Er wird kämpfen heute Abend. Aber er wird nicht nur verlieren, er wird den Ring auch in einem Sarg verlassen. Doch das ist nicht schlimm. Ist normal. Ist Wrestling. Am Samstag gastierten die Stars WWE-Stars im Düsseldorfer ISS Dome.

Worte der Mahnung senkt die Stimme aus den Lautsprechern in die Herzen der Zuschauer. „Nicht nachmachen.“ Das seien alles durchtrainierte Athleten hier im Ring. Deshalb: Nicht nachmachen. Eigentlich müsste sie noch hinzufügen: Nicht ernst nehmen.

Das beginnt schon beim Titel der Veranstaltung. „Undertaker - Rest in Peace Tour“ nennt sie sich. Der Undertaker, der Bestatter, ist einer der ganz Großen der Szene. Es soll seine Abschiedstour sein. Ein letztes Mal noch will er in den Ring steigen. Und gut 10000 Zuschauer wollen dabei sein, bevor ihr Idol in Frieden ruht.

Viele Frauen sind darunter. Und noch mehr Kinder. T-Shirts haben sie angezogen mit Bildern ihrer Helden darauf. Manche tragen Masken wie der Wrestler Rey Mysterio, andere lange Handschuhe, die aussehen, als seien sie einer Horde wilder Motten zum Opfer gefallen. Jeff Hardy heißt der Kämpfer, der sie eingeführt hat. Der ist zwar in Düsseldorf mangels Vertrag nicht mehr dabei, trotzdem ist Sandra Kuhnert aus Köln nicht ganz wohl dabei ist, dass ihr elfjähriger Sohn Niklas in Reihe sechs Platz genommen hat. „Hoffentlich ist das nicht zu brutal.“

CM Punk winkt ab

CM Punk winkt ab. „Ist es nicht.“ Im Gegenteil. Wrestling sei Family-Entertainment, Unterhaltung für die ganze Familie. „Bei uns fließt kein Blut.“

Pünktlich um acht erlischt das Licht in der Halle. Mehr als zwei Dutzend ihrer Kämpfer hat die World Wrestling Entertainment für die Tour nach Europa gekarrt. Merkwürdige Gestalten sind darunter, die in den USA jedes Kind kennt und die auch in Deutschland immer bekannter werden. Goldust nennt sich einer, der im Ring einen schwarz-goldenen Ganzkörperanzug und dazu passende Gesichtsbemalung trägt. Andere kommen mit Fellmantel auf die Bühne oder mit Oberteilen, die an Negligees erinnern. Albern sieht das manchmal aus. Aber das würde man keinem dieser Männer ins Gesicht sagen. Denn unter ihren merkwürdigen Kombinationen verbergen sie meist vor allem eines: Muskeln.

Aufgeteilt sind die Kämpfer in gut und böse. Ganze Drehbücher werden dafür in den USA geschrieben, die sich oft über Monate entwickeln. Weil die aber nicht jedem deutschen Besucher bekannt sind, gibt es Nachhilfe. Abfällige Bewegungen macht der böse Kämpfer dann in Richtung Publikum oder grölt ins Mikro „Ich hasse Deutschland“. Und schon sind die Fronten abgeklärt.

Dann geht es los. Wild dreschen die Kontrahenten aufeinander ein. Das hießt sie tun so. Wer näher am Ring sitzt, sieht genau, dass die Schläge ihr Ziel verfehlen. Das sieht in guten Momenten so aus, wie in einem alten Bud Spencer und Terence Hill-Film und in schlechten wie Einsteigerkurs Schauspiel an der Volkshochschule.

Trotzdem gehen die Fans mit. „Hey“ rufen sie, wenn der Gute schlägt. „Buh“ wenn der Böse haut. Nach kurzer Zeit packen sich die Kämpfer, springen sich an. „Rumms“ macht es, wenn die massigen Körper auf den Boden klatschen und man meint, brechende Knochen zu hören. Doch da kommt sie ins Spiel, die Artistik und Athletik, von der der Hallensprecher zu Beginn gesprochen hat. Sekunden später nur stehen sie schon wieder. Und so geht es weiter. Hey, hey, buh, rumms.

Immer wieder neue Varianten

Auf Dauer kann das eintönig sein. Deshalb lässt sich die WWE immer neue Varianten einfallen. Mal kämpfen zwei gegen zwei, ein anderes Mal steigen gleich sechs Frauen – auch die gibt es – in den Ring. Wer als letzte übrig bleibt, hat gewonnen. Dennoch hält sich die Begeisterung in Düsseldorf anfangs in Grenzen. Was wohl auch daran liegt, dass man – anders als beim Boxen – nichts mehr vom Geschehen mitbekommt, wenn die Kämpfer erst einmal am Boden liegen. Und sie liegen oft am Boden.

Nach der Pause allerdings steigt die Stimmung. Denn da kommen einige der Superstars. Was heißt kommen. Rey Mysterio, Matt Hardy oder Batista ziehen ein, wie Gladiatoren. Jeder mit eigener Musik und Lichtshow. Muskelberge, die auf ihren glänzenden Körpern einen umfassenden Einblick geben in den Stand der US-amerikanischen Tätowierkunst. Gegner, die sich beschimpfen und anpöbeln, bevor sie sich anspringen, an den Haaren ziehen oder mit Mobiliar aufeinander eindreschen und trotzdem spät am Abend wahrscheinlich bei einem Bier zusammen im Tour Bus sitzen.

Wer gewinnt und wie steht fest. Immer und bis in alle Einzelheiten. Ob in Frankfurt, Düsseldorf, Berlin oder Leipzig. Denn Wrestling ist Show und je länger diese Show an diesem Abend dauert, desto perfekter wird sie. Immer spektakulärer werden die Sprünge und Würfe, immer schneller die Aktionen. Hey, hey, hey, buh buh, hey hey, rumms, rumms.

Liebling der Massen

Und dann kommt er, der Mann auf den sie alle gewartet haben. Ganz dunkel wird es. Gregorianischer Chorgesang erklingt, dann läuten Glocken. Dumpf, unheimlich bedrohlich. Minuten vergehen, bis der Undertaker plötzlich unter frenetischem Jubel am Ring steht. Einst einer der führenden Bösewichter der WWE ist er längst Liebling der Massen. Lang das strähnige Haar, wirr der Blick lässt er seinen dunklen Ledermantel herabgleiten und wirft seinem Gegner CM Punk einen verächtlichen Blick zu. „Casket Match“ nennt sich der Kampf, der erst zu Ende ist, wenn einer der Kämpfer in einen Sarg geworfen wird.

Prophetische Gaben sind unnötig, um den Ausgang der Auseinandersetzung vorherzusagen. Doch die beiden im Ring bieten den Zuschauer was für ihre bis zu 85 Euro Eintritt. Fast 20 Minuten dauert es, bis der Bestatter den Sarg endlich schließen kann. Deckel zu, Show vorbei, Fans begeistert.

Beim Verlassen der Hall, kleben bereits neue Plakate an den Türen. Am 14. April 2010 kommen sie wieder, die Stars der WWE. Dann in die Arena nach Oberhausen. Mit dabei: Der Undertaker. Ist also noch nichts mit Ruhe in Frieden. Stören tut das keinen. Ist normal. Ist Wrestling.

Tickets für Oberhausen ab 14. November unter http://www.eventim.de/cgi-bin/tickets-konzertkarten.html