Washington. Die Krise in den USA treibt manche Amerikaner zu Notverkäufen - bis hin zu Grabplätzen. Dabei werden Grabplätze mit „Super-Blick” und „Extra-Tiefe” angepriesen. Für die Nachbarschaft zur Urne von Marilyn Monroe sind sogar 4,5 Millionen Dollar geboten.

Alles, was sich noch zu Geld machen ließ, hatte Debbie Jenkins schon verkauft, als sie ihren letzten Besitz aus einer Kiste aus besseren Zeiten hervor kramte: eine Urkunde, die sie als Besitzerin von zwei Grabparzellen auf dem Lincoln-Friedhof nahe der Washingtoner Stadtgrenze auswies. Debbie und ihr längst geschiedener Mann hatten die Grabplätze vor 40 Jahren gekauft. Jetzt, in dieser Krise, soll der Ort, der für die letzte Ruhe gedacht war, helfen, zu Lebzeiten weiter über die Runden zu kommen.

Von einer Flut von Rechnungen getrieben

Als „Notverkauf” für 4000 Dollar, der Hälfte des Verkehrswerts, pries die 58-jährige zweifache Großmutter ihre Grabplätze mit Blick auf Apostel-Statuen auf einem populären Internet-Bazar an. Das seltsam anmutende Angebot ist kein Einzelfall. Die schiere Not, die Flut der Rechnungen, die auch in der Krise pünktlich bezahlt werden wollen, treibt zunehmend arbeitslose und überschuldete Amerikaner dazu, ihre Plätze fürs Jenseits für das Überleben im Hier und Jetzt zu verkaufen: per Zeitungsannoncen oder Internet. Ein Grabplatz als letzter Strohhalm - was für ein verdrehtes Bild. Dabei werden Grabplätze mit „Super-Blick” und „Extra-Tiefe” angepriesen als handele es sich um Villen mit Meerblick.

Nur die wenigsten können dabei freilich auf Preissprünge hoffen, wie sie die kleine Urnennische auf dem Westwood Friedhof von Los Angeles zur Zeit erlebt. Bei 4,5 Millionen Dollar lag das bislang letzte Gebot bei Ebay für das Fach direkt über dem Urnengrab Marilyn Monroes. „Verbringen Sie die Ewigkeit über Marilyn Monroe” - mit diesem Satz preist die Unternehmerwitwe Elsie Poncher das Urnengrab ihres längst verstorbenen Mannes an. Um die Hypothek ihres Hauses in Beverly Hills noch vor ihrem eigenen Tod abzutragen, muss Gatte Richard demnächst seinen Platz für den Meistbietenden räumen. Luxussorgen sind das, über die Debbie Jenkins, wenn sie davon wüsste, wohl nur müde lächeln würde.

Auf ihre Annonce hat sich bislang erst ein Interessent gemeldet, und der stellte sich als Witzbold heraus. Bestatter berichten von zunehmend traurigen Geschichten, die um Arbeitslosigkeit, Räumungsbefehle und persönliche Bankrotterklärungen kreisen. Früher hätten die Leute ihre Grabplätze verkauft, weil sie um keinen Preis mehr neben dem Ex-Ehepartner ruhen wollten oder weil sie sich anderswo eine neue Existenz aufgebaut hatten, erzählt Bob Ward vom Friedhofs-Register des Landkreises. „Heute hören wir häufig: Ich muss verkaufen, weil ich mein Haus, meinen Job verloren habe.” Surlina Aaron etwa bietet gleich drei Grabplätze an, die sie nahe dem Grab ihrer Eltern eigentlich für sich selbst und ihre Söhne gekauft hatte. Die Pleite ihres Unternehmens riss die 63-Jährige in den Strudel immer tieferer Verschuldung.

Auch Debbie Jenkins kannte ein anderes Leben. Als Maklerin war sie Spitze. In den Boomzeiten besaß sie drei Traumhäuser, einen Sportwagen, war Mitglied in den Clubs der Erfolgreichen. Mit der Krise, dem Einbruch des überhitzten Immobilienmarktes, brach der schöne Schein wie ein Kartenhaus in sich zusammen. Alles war auf Pump gekauft. Heute wohnt Debbie in einer zugigen Garage unweit des schicken Clubgebäudes, in dem sie einst aus und ein ging. Dass sie, wenn der Verkauf klappt, auch nach dem Tod kein Plätzchen mehr hat, das ihr gehört, bedrückt sie, auch wenn sie meint: „Wenn ich sterbe, begrabt mich einfach in einem Mülleimer.”