Hilden. Schwer bewaffnet ziehen sie in den Kampf. Ihr Ziel: Bakterien und Viren. Ihre Ausrüstung: Desinfektionsmittel und Handschuhe. Desinfektor Torben Lenz und seine Kollegen sind zu Zeiten der Schweinegrippe gefragter denn je. Dabei lauern an Türklinken und Telefonhörern viel üblere Gefahren.
Wenn Torben Lenz einen Einkaufswagen sieht, denkt er nicht nur Toastbrot, Milch und Aufschnitt. Dann überlegt er, wer den Griff schon angefasst haben könnte. Ob die Person sich wohl nach dem letzten Toilettengang die Hände gewaschen hat? Ob sie geniest hat? Er denkt an Schimmelpilze, Darmbakterien und Erkältungserreger, die sich auf der Plastik-Ummantelung tummeln könnten. Das ist sein Job, denn Torben Lenz ist Desinfektor. Der Kampf gegen die Viren ist sein Geschäft.
Mit seinen rund 450 Mitarbeitern kümmert sich der Leiter der Hildener Niederlassung von „Schulten Gebäudedienste“ zwischen Düsseldorf und Essen um die Hygiene und Sauberkeit in Unternehmen. Von der Schweinegrippe profitiert die Branche, wie Lenz bestätigt. Etwa jeder dritte Betrieb habe gezielt nach Maßnahmen gegen das H1N1-Virus gefragt. „Die Kunden bitten uns um Rat. Schließlich kostet es viel Geld, wenn Mitarbeiter krank sind“, erklärt er.
Händewaschen ist nicht gleich Händewaschen
Dabei wären so viele Infektionen ganz einfach zu vermeiden. „Wenn sich alle Menschen regelmäßig die Hände waschen würden, hätten wir schon viel gewonnen“, stellt der Desinfektor fest. Aber sogar dabei kann man schon etwas falsch machen. So dauere eine zielführende Reinigung der Hände 30 Sekunden. „Die meisten waschen sich allerdings nicht so lange. Wenn man sich dann noch unter dem Gebläse abtrocknet, bläst man die Erreger sogar mit der warmen Luft in den Raum“, erklärt Lenz.
Aber Toiletten sind längst nicht die einzigen Viren-Fallen. So finden sich zum Beispiel an Türklinken, Tastaturen und Telefonhörern alle erdenklichen Arten von Krankheitserregern. Und die warten im Zweifelsfall mehrere Tage auf ihr nächstes Opfer. Einmal an die Hände gelangt, wandern die Keime und Viren dann schnell in den Körper, wenn man sich an Augen, Mund oder Nase fasst. „Wir wundern uns immer, dass so viele Kunden die Toiletten im Visier haben – und Türen und Telefone vernachlässigen“, stellt Lenz fest.
Überhaupt muss er sich oft wundern. Zum Beispiel, wenn Menschen ihre Wohnung akribisch mit Desinfektionsmitteln bearbeiten, aber sich nicht nach dem Toilettengang die Hände waschen. Oder wenn Ärzte sich nicht vor und nach der Behandlung von Patienten die Hände desinfizieren, so dass sich die Keime problemlos ausbreiten können. Lenz schätzt, dass nur rund fünf Prozent der Betriebe Desinfektionsmittel aufstellen. In Zeiten der Schweinegrippe sei das Interesse allerdings gestiegen.
Darmbakterien am Einkaufswagen
Der Medienhype um das H1N1-Virus hat nicht nur die Firmen sensibilisiert. Auch in den Schulen, städtischen Gebäuden und Einrichtungen werde jetzt mehr auf die Hygiene geachtet, weiß der Desinfektor. „Kommunen haben gemeinsam mit den Gesundheitsämtern Krisenstäbe gebildet und Sonderfonds eingerichtet.“ Toiletten würden jetzt intensiver gereinigt.
Allerdings wünscht sich Lenz, dass auch die Kinder über grundlegende Hygiene-Maßnahmen aufgeklärt werden. „Dieser Spruch mit ‚Dreck reinigt den Magen’ ist doch Unfug“, findet er – und schüttelt den Kopf, weil er an die kleinen Kinder denken muss, die im Einkaufswagen sitzen und munter am Griff lutschen. Und gleichzeitig muss er wieder an Schimmelpilze, Darmbakterien und Erkältungserreger denken.