Essen. . Immer mehr Ältere besuchen die Universität, aus Spaß am Wissen. Meist ist eine Einschreibung als Gasthörer möglich, manche Unis bieten auch spezielle Formate an.
Gärtnern, Stricken, Skat spielen – was macht man mit seiner Zeit, wenn die Rente kommt? Etwa 55.000 Menschen, die älter sind als 50 Jahre, sitzen in den Hörsälen des Landes. In Dortmund oder in Bochum, in Wuppertal oder Duisburg-Essen, in Münster oder in Bielefeld und andernorts. Das sagt Bernd Werner Schmitt, Bildungsreferent vom Akademischen Verein der Senioren in Deutschland. Und: Es werden immer mehr.
Längst bieten von den 60 staatlichen Hochschulen rund 20 eigene Anlaufstellen und Vorlesungsverzeichnisse für Senioren an. Eine einheitliche Struktur gibt es aber nicht. Darum sei es gut, sich „genau zu informieren“, rät Schmitt. Und dann müsse man einfach seine „Schwellenangst überwinden“. „Seien Sie darauf gefasst“, sagt er, „dass die Universität ein Massenbetrieb ist und kein Serviceladen, der einen mit offenen Armen empfängt.“
Den Älteren geht es um den Spaß am Wissen
Aber warum soll man sich das antun? Das Semester kostet im Schnitt 100 Euro, Fachliteratur muss auch angeschafft werden, ein Semesterticket für den öffentlichen Nahverkehr und ähnliche Vergünstigungen gibt es in der Regel nicht.
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Anders als bei den Jungen an der Uni, die sich um ihre Berufsaussichten sorgen, gehe es den Älteren schlicht um den Spaß am Wissen, meint Schmitt. Das seien zunächst jene Generationen, die den Wiederaufbau in Deutschland stemmen mussten und nun „etwas nachholen“ wollten. So kümmerten sie sich um das, was sie zuvor nicht verfolgen konnten: um Philosophie, Geschichte oder Theologie.
77 Prozent der älteren Semester ziehen Geisteswissenschaften den Naturwissenschaften vor. Timo Jacobs vom Heidelberger Institut für Altersforschung hat dafür eine simple Erklärung: „Man beginnt im höheren Alter vermehrt über den Sinn des Lebens nachzudenken.“
Keine wissenschaftliche Anerkennung für Gasthörer
Tatsächlich können sich Senioren an jeder Universität in Deutschland für ein Gasthörerstudium anmelden. Das geht meist auch ohne Abitur. Dann nehmen sie einfach an zwei oder drei Vorlesungen in der Woche teil.
Allerdings dürfen Gasthörer keine Prüfungen ablegen und nur in seltenen Fällen Seminare besuchen. Eine wissenschaftliche Anerkennung gibt es demnach nicht.
Zudem können Senioren sich auch für ein reguläres Studium mit Abschluss einschreiben, wenn sie die Hochschulzugangsberechtigung haben. An der Uni Bochum sind das derzeit knapp 550 Ältere. In Nordrhein-Westfalen regelt allerdings ein Gesetz, dass Menschen über 55 Jahre ein Studium, das mit einem Numerus Clausus belegt ist, nur noch in Ausnahmefällen beginnen können. Das erworbene Wissen muss zum Beispiel noch in einem Job umgesetzt werden. In jedem Fall soll so ein Gedränge in den Hörsälen und Seminaren vermieden werden.
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So manche Universität bietet noch ein anderes Format an – ein Mittelding zwischen Studium als Gasthörer und dem als Vollzeitstudent. Paradebeispiel ist hier die TU Dortmund, die jedes Jahr zum Wintersemester 60 Studienplätze für ein sogenanntes Zertifikatsstudium vergibt. Veranstaltungen bauen in fünf Semestern aufeinander auf, und wie in einem „normalen“ Studium müssen die akademischen Senioren sich mit Hausarbeiten, Klausuren und Vorträgen herumschlagen. Sogar ein Praktikum und eine Abschlussarbeit sind vorgesehen. In den 30 Jahren, in denen die TU Dortmund diese Form des Seniorenstudiums anbietet, gab es bisher rund 1200 erfolgreiche Absolventen. Nach eigenen Aussagen arbeiten 85 Prozent von ihnen nachberuflich ehrenamtlich in Institutionen, Verbänden, Selbsthilfegruppen oder selbst initiierten Projekten im sozialen Bereich oder in der Kultur.
Näher an der Forschung
Im Vergleich zur Volkshochschule sei man an der Uni „nah dran an der Forschung“, sagt Ursula Bade-Becker, die an der Universität Bielefeld zuständig ist für das „Studieren ab 50“. Nur: grauhaarig inmitten all der jungen Leute? Gibt das Ärger?
Von 22.000 regulären Studierenden, seien in Bielefeld weniger als drei Prozent über 50, sagt Bade-Becker. Ihr seien keine Probleme des gemeinsamen Lernens bekannt. Die Lehrenden würden zudem immer gefragt, ob sie ihre Veranstaltung für Senioren öffnen wollten.
Andere Universitäten allerdings trennen Alt und Jung, sie bieten für ältere Semester separate Programme an.
Bekannt ist vor allem „die Universität des 3. Lebensalters“ an der Johann-Wolfgang-Goethe-Universität in Frankfurt. Sie ist komplett ausgegliedert. Die Älteren verhielten sich einfach anders als die Jüngeren, heißt es dort – und nicht immer besser. So stürmten sie schon mal frühzeitig den Hörsaal und quatschten dem Dozenten rein.
Schmitt, der auch selber als Gasthörer unterwegs ist, hält aber wenig von der speziellen Seniorenuni. „Ich möchte da nicht hin“, sagt er. Er hält die Mischung aus Jung und Alt für eine „Bereicherung“.
Fazit: Wer studieren will, studiert am besten erst einen Studienführer für Senioren – und sucht sich das Seine dort heraus.