Essen. Die Ursache für den Absturz von Germanwings-Flug 4U 9525 in den französischen Seealpen bleibt zunächst offen. Gleichzeitig gibt es zahlreiche Spekulationen über den Hintergrund.
Die Ursache für den Absturz von Germanwings-Flug 4U9525 in den französischen Seealpen bleibt zunächst offen. Die Flugsicherheitsbehörde in Paris erklärte nach einer ersten Auswertung des aufgefundenen Stimmenrekorders, sie werde „einige Tage brauchen, bis wir verstehen, was bei dem Flug passiert ist“. In den Aufzeichnungen seien jedoch Stimmen der Piloten zu hören, sagte ein Sprecher der Behörde. Sie müssten noch dem Flugablauf zugeordnet werden. Klar ist danach: Es hat keine Explosion gegeben.
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Gleichwohl haben sich offenbar dramatische Szenen in dem Flugzeug abgespielt. Nach Informationen der "New York Times" und der französischen Nachrichtenagentur AFP saß zum Zeitpunkt des Crashs nur ein Pilot im Cockpit. Das berichten die Zeitung und AFP unter Berufung auf namentlich nicht genannte Ermittler. Sowohl die Lufthansa als auch Germanwings konnten die neuesten Enthüllungen nicht bestätigen.
Pilot wollte angeblich die Tür zum Cockpit eintreten
Aus den Aufnahmen des bereits gefundenen Sprachrekorders soll demnach hervorgehen, dass einer der Piloten am Dienstag vor dem Sinkflug das Cockpit verlassen und anschließend vergeblich versucht habe, die Tür zu öffnen, um wieder ins Cockpit zu kommen.
"Der Mann draußen klopft leicht an die Tür, aber es gibt keine Antwort", zitiert die Zeitung einen Ermittler. "Dann klopft er stärker an die Tür, und wieder keine Antwort. Es gibt keine Antwort. Und dann kann man hören, wie er versucht, die Tür einzutreten." Warum er das Cockpit verließ und warum der Airbus A320 in den Sinkflug ging, sei unklar. "Sicher ist, dass ganz zum Schluss des Fluges der andere Pilot allein ist und die Tür nicht öffnet", sagt der Ermittler laut "New York Times".
Eine andere Quelle berichtete laut AFP, dass der Copilot "vor kurzem" in das Unternehmen eingetreten sei. Er sei Ende 2013 zu Germanwings gekommen "mit einigen hundert Flugstunden", wurde der Ermittler zitiert.
Letzter Kontakt zur Flugsicherung zwölf Minuten vor Katastrophe
Viel deutet auf einen dramatischen Verlauf der letzten Flugphase hin. Möglich ist es nach dem jetzigen Stand, dass es an Bord zu einem Druckabfall gekommen ist, der eine Bewusstlosigkeit der Piloten ausgelöst hat. Dafür sprechen auch Erkenntnisse der Behörde. So habe der letzte Kontakt zwischen Flugsicherung in Aix-en-Provence und dem Cockpit zwölf Minuten vor dem Eintritt der Katastrophe stattgefunden.
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Eine Minute später sei der deutsche Jet in einen stetigen Sinkflug übergegangen, der mit dem ungebremsten Aufprall an einer Bergwand endete, ohne dass es zu einer weiteren Kontaktaufnahme kam. Die französische Luftwaffe hatte in dieser Zeitspanne sogar einen Kampfjet an die Seite des Airbus A 320 beordert, weil sie einen bevorstehenden Terroranschlag befürchtete.
Von den 150 Menschen an Bord stammten 50 aus NRW
Bei dem Absturz-Drama starben alle 150 Insassen. 75 von ihnen waren Deutsche, 64 stammten aus Nordrhein-Westfalen, dem Ziel des Fluges Barcelona-Düsseldorf. Rettungskräfte haben in Frankreich nach Polizeiangaben erste Leichen geborgen. Sterbliche Überreste der Opfer seien am späten Mittwochnachmittag von der Unglücksstelle weggebracht worden, bestätigte ein Sprecher der Polizei in Digne am Abend auf dpa-Anfrage Medienberichte. Die Trümmer des Airbus A 320 sind in kleinsten Teilen über das einsame Bergtal verstreut, was die Suche nach Hinweisen auf die Absturzursache erschwert. Die Trupps suchen weiter nach dem zweiten Flugschreiber, der die Flugdaten gespeichert hat.
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Am Mittwoch besuchten Bundeskanzlerin Angela Merkel und NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft den Unglücksort. Die Lufthansa fliegt am Donnerstag Angehörige der Todesopfer nach Frankreich.
In die Untersuchungen der Flugsicherheitsbehörden Deutschlands und Frankreichs und der französischen Staatsanwaltschaft zur Ursache des Absturzes hat sich auch die Düsseldorfer Staatsanwaltschaft eingeklinkt. Dabei geht es um die Klärung der Todesursache der 150 Opfer wie auch um ihre Identifizierung. Auch das Bundeskriminalamt (BKA) hat dazu Experten auf den Weg geschickt.
Haltern trauert um die Opfer
Germanwings-Pilot: Unglücksmaschine hatte oft Störungen
Die 24 Jahre alte Unglücks-Maschine sei „eine unserer am häufigsten gegroundeten Flieger“ gewesen, sagte ein Germanwings-Pilot zur WAZ. Gegroundet bedeutet, dass ein Flugzeug wegen schwerer Störungen am Boden bleiben muss. Bei den Germanwings-Piloten sei der Jet „entsprechend unbeliebt“ gewesen, so der Flugzeugführer.
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Die Lufthansa-Tochter Germanwings betont aber, Reparaturen am Montag stünden nicht mit möglichen Absturz-Ursachen im Zusammenhang. Auch am Mittwoch weigerten sich Crews von Germanwings zu fliegen – „aus persönlichen Gründen“, wie es hieß.
Verursachte ein Bruch der Cockpitscheibe den Absturz?
Was den Absturz verursacht hat, bleibt weiterhin nur Spekulationen überlassen. Eine von Piloten ernsthaft diskutierte Theorie ist der Bruch einer der Cockpitscheiben und ein dadurch ausgelöster plötzlicher Druckabfall.
Geschieht dies in 38.000 Fuß Reiseflughöhe (11.500 Meter), sind die Piloten, wenn nicht durch Trümmerteile schon verletzt oder gar getötet, unvermittelt rund 800 km/h schnellem und minus 60 Grad kaltem Wind ausgesetzt, was kontrolliertes Handeln praktisch unmöglich macht. Dazu kommt der plötzliche Sauerstoffmangel, der in dieser Höhe in rund 15 bis 20 Sekunden zur Bewusstlosigkeit führt. Der eingeleitete Sinkflug lässt sich erklären, „wenn einer der Piloten trotz der Schäden noch genügend Zeit hatte, den Autopiloten, wie in einem solchen Notfall verlangt, auszuschalten und die Nase der Maschine herunterzunehmen, bevor er ebenfalls handlungsunfähig war“, so ein Airbus-A320-Pilot.
Germanwings-Jet abgestürzt
Die Computer des Airbus' würden das Flugzeug dann konsequent auf der einmal eingeschlagenen Sinkrate halten. Das automatische Schubsystem hält die Geschwindigkeit, der Kurs würde von den Flugrechnern ebenfalls nicht verändert, „bis ein erneuter Input der Piloten erfolgt“. Erfolgt der nicht, behält das Flugzeug diese Fluglage bis zum Aufprall ein.
Rauch oder giftige Gase in der Kabine?
Andere Szenarien wie Rauch oder giftige Gase im Cockpit oder ein Druckabfall in der Kabine würden den Piloten jeweils genügend Zeit lassen, einen Notruf abzusetzen. Eine schleichende Bewusstlosigkeit der Piloten nach Druckverlust, die 2005 zum Absturz einer Helios Air Boeing 737 über Griechenland geführt hatte, würde indes den eingeleiteten stabilen Sinkflug nicht erklären.
Einen automatisch durch die Flugrechner ausgelösten Sinkflug halten Kenner der Airbus-Systeme für nicht wahrscheinlich. Dies sei „bei keinem Vorfall dokumentiert“, so ein Air-Berlin Pilot. (mit dpa)