Köln. Der Abschied vom Abschied. Wolfgang Petry kehrt mit einem neuen Album in die Öffentlichkeit zurück. Dabei hat er sich neu erfunden.
„Wer weiß, wann wir uns wiedersehen“, singt er an jenem Abend im September 2009, als er Abschied nimmt von der Bühne und der Musik. Und unten im Publikum gibt es Menschen, denen Tränen über ihr Gesicht laufen. Weil sie es nicht fassen können, dass Wolfgang Petry aufhört. Dieser Sänger, den sie schon lange „Wolle“ nennen und dem sie so viele Freundschaftsbändchen geschenkt haben, dass er den linken Arm kaum noch heben kann. Jetzt können sie ihn zumindest wieder hören. „Brandneu“ hat Petry sein jüngst erschienenes Album genannt. Ist das „Wahnsinn“ oder doch eher „Hölle, Hölle, Hölle“?
Man muss sich jedenfalls wundern. Denn der Abschied klang endgültig. „Es ist schön, ein Musikant zu sein, aber es ist grausam, ein Star zu sein“, hatte Petry damals erklärt und darüber geklagt, dass er nicht mehr alles geben könne, weil die überbeanspruchte Stimme nicht mehr mitspiele.
Trotz aller Arzneien habe er manchmal die hohen Töne nicht mehr getroffen und irgendwann entschieden. „Ich möchte in Würde gehen, ein Zurück wird es nicht geben.“
Die Haare sind jetzt kurz, der Schnäuzer ist ab
Fortan wird Petry der Howard Hughes des deutschen Schlagers. Ein Phantom, eine Erinnerung. Denn er schweigt nicht nur, er wird auch nicht mehr in der Öffentlichkeit gesehen. Dabei ist er beim 1. FC Köln im Stadion, geht mit den Enkeln Giorgio und Giuliano Eis essen oder in den Zoo. Er wird dabei nur nicht mehr erkannt.
Das ist allerdings auch nicht ganz einfach, denn das Haar trägt er fortan kurz, den Schnäuzer gar nicht mehr. Die vielen Bänder bleiben in der Schublade, die karierten Hemden im Schrank. „Er ist sehr glücklich, dass er ein richtiges Privatleben hat“, teilt Sohn Achim zu Vaters 60. Geburtstag mit.
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Irgendwann aber kommt der Spaß an der Musik zurück. Erst produziert Petry ein Album seines Sohnes, dann singt er im Hintergrund mit. „Ich spürte eine andere und frische Herangehensweise, und dann wollte ich selber auch ins Studio“, erinnert er sich an jene Tage. Das hat er nun getan und das Album „Brandneu“ genannt. Er hätte es auch „Anders“ nennen können. Denn anstatt auf Nummer sicher zu gehen, wagt er etwas Neues.
„Es wäre nicht gut gewesen, musikalisch einfach weiterzumachen wie früher. Langweilig, Stillstand“, hat er in einem Interview gesagt.
Rau, fast rockig klingen viele Songs deshalb nun, gehen, wenn überhaupt, nicht mehr so schnell ins Ohr. Die Texte dazu sind manchmal recht persönlich. Über den Rückhalt durch seine Frau erzählt Petry da – oder von den Tücken der Technik für einen „Dinosaurier“ wie ihn. Und am Ende gibt es eine mehr als zehnminütige Nummer, in der er sich an seinen Vater erinnert.
In manchen Songs („Spielerfrau“) blitzt ungewohnte Kritik auf, in vielen aber geht es um Alltägliches, und manchmal kokettiert der 63-Jährige ein bisschen zu viel mit seinem Alter.
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Es ist kein Album, mit dem er neue Fans gewinnen wird, es ist ein Album für die vielen Fans, die mit ihm älter geworden sind. Und selbst von denen dürften einige Schwierigkeiten mit dem Wolfgang Petry 2015 haben. „Es wird mit Sicherheit einigen Gegenwind geben“, ahnt er, kann die Überraschung über den neuen Stil aber nicht so ganz nachvollziehen: „Mal ganz ehrlich, wer mal ein Konzert von mir gesehen hat – das war immer rockiger Schlager.“
Der Star will sich einfach treiben lassen
Ob das alles noch einmal für die Spitze reicht, niemand weiß es. Petry ist der Erfolg des neuen Albums zwar nicht egal, aber er will auch nicht viel tun, um ihn zu forcieren. Keine Talk-Shows, keine Promotion-Termine, kaum Interviews und zumindest erst einmal keine Konzerte.
Kein kompletter Rücktritt vom Rücktritt also. Und was kommt als nächstes? Petry weiß es nicht, will es auch gar nicht wissen. „Das Ungewisse ist im Moment mein Ziel. Ich lasse mich einfach treiben. Wichtig dabei ist, nie mittelmäßig zu werden.“