Washington. 38 Jahre ist es her, dass Samantha Geimer von Regisseur Roman Polanski missbraucht worden ist. Mittlerweile hätte sie gerne einfach ihre Ruhe.

Wenn sich im polnischen Krakau die Justiz über den schier endlosen Fall Roman Polanski beugt, kehrt Tausende Kilometer entfernt auf Hawaii für Samantha Geimer die Angst zurück. Die Angst vor der x-ten Welle von Reporter-Anfragen, denen sich die 51-jährige Mutter dreier Kinder ausgesetzt sieht. Seit damals. Geimer war 13, als der durch „Chinatown“, „Rosemary‘s Baby“, „Tess“ und „The Pianist“ weltberühmt gewordene Regisseur sie 1977 im Haus des Schauspielers Jack Nicholson in Los Angeles nach einer Foto-Session unter Drogen und Alkohol setzte und danach sexuell missbrauchte.

Polanski gestand den Geschlechtsverkehr mit der Minderjährigen, leugnet aber bis heute eine Vergewaltigung. Er ging einen Deal mit der Justiz ein. Nach 42 Tagen Untersuchungs-Haft überkam ihn jedoch die Angst vor einer hohen Gefängnisstrafe. Genährt wurde die Sorge durch den missionarisch und machtberauscht auftretenden Richter Laurence Rittenband.

Neuer Schauplatz: Krakau

1978 nutzte Polanski ein kleines Zeitfenster in Freiheit zur Flucht nach Europa. Neuer Lebensmittelpunkt: Paris. Seither sind ihm Staatsanwälte und Richter an der Westküste auf den Fersen. Mithilfe eines Interpol-Haftbefehls soll seine Auslieferung bewerkstelligt werden.

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2009 sah es fast danach aus. In der Schweiz wurde Polanski zwei Monate ins Gefängnis gesteckt und acht Monate unter Hausarrest. Erst dann beschied die eidgenössische Justiz das Begehren aus den USA abschlägig. Weil Polanski zurzeit in seiner alten Heimat Polen ist, er will dort im Sommer einen Film über die Alfred Dreyfus-Affäre drehen, spielt die neue Episode in Krakau. Geben die Richter dem Auslieferungsantrag statt, hätte der polnische Justizminister das letzte Wort.

Polanski ist, sieht man von Teilen der katholischen Kirche ab, die ihn als Pädophilen abstempelt, in Polen ein bewunderter Star. Als Junge verbrachte er seine Kindheit in Krakau und entzog sich mit Glück den Nazis. Nach Angaben seines Anwalts Jerzy Stachowicz hat der Film-Macher einen Wohnsitz in der Stadt angemeldet und ein Appartement gemietet.

"Er war nicht mal grob"

Dass Samantha Geimer den 10. März 1977 und alles, was danach kam, endgültig ruhen lassen möchte, weiß das interessierte Publikum seit 2013. In ihrem Buch „The Girl - A Life in the Shadow of Roman Polanski“ (Das Mädchen - Mein Leben im Schatten von Roman Polanski) verzichtete Geimer, die zur Tatzeit noch Gailey hieß, fast vollständig auf Anklagen und Vorwürfe gegen den seinerzeit 43 Jahre alten Künstler.

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Sätze wie „Er war nicht mal grob“ irritierten den feministisch orientierten Teil der Leserschaft ebenso wie die rückblickende Aussage über ihre Anhörung vor der Grand Jury: „Wenn ich heute entscheiden könnte, ob ich lieber aussagen oder vergewaltigt werden würde: Ich würde mich für die Vergewaltigung entscheiden.“

Geimer verweigerte sich der ihr von den Medien zugedachten Opfer-Rolle konstant. „Man sollte das, was mir passiert ist, nicht schlimmer machen, damit es interessanter wird", sagte sie, stritt ab, schwer traumatisiert zu sein und bekräftigte, dass sie Polanski längst vergeben habe. 1988 erstritt sie in einem Zivilklage-Verfahren rund 500.000 Dollar Schmerzensgeld von Polanski, der sich bei ihr erst Jahrzehnte später offiziell entschuldigte.