Berlin. . Bio, sozial und regional: Die Augsburgerin Sina Trinkwalder erklärt im Interview , warum man in Deutschland viel mehr Bekleidung produzieren könnte.

Vor vier Jahren stieg Sina Trinkwalder (36) aus der mit ihrem Mann geführten Werbeagentur aus und steckte zwei Millionen Euro in die Textilfabrik Manomama in Augsburg. Sie beschäftigt Langzeitarbeitslose, Alleinerziehende, Ältere, insgesamt 150 Mitarbeiter, die es sonst am Arbeitsmarkt schwer hätten. Der Lohn: mindestens zehn Euro pro Stunde.

Trinkwalder hat Kooperationen mit dem Drogeriemarkt dm und den Handelsketten Edeka und Real an Land gezogen. Das Unternehmen erzielte 2013 einen Gewinn von 80.000 Euro. Im Interview erklärt sie, wie sie Kleidung ökologisch, sozial und regional produzieren will.

Frau Trinkwalder, Sie schneidern Ökomode und boykottieren die Berliner Fashion Week. Warum?

Sina Trinkwalder: Ich sehe nicht ein, viel Kohle auszugeben für einen schicken Showroom, nette Mädchen, kleine Häppchen. Wir produzieren Bekleidung, keine Mode. Mode ist das, was nach vier Wochen schon wieder out ist. Bekleidung lässt sich drei oder fünf Jahre lang tragen.

Dort präsentiert sich aber auch ein kleines wachsendes Segment grüner Mode. Müssten Sie nicht zeigen: Es geht auch anders!

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Trinkwalder: Das ist doch alles nur hübsch, hat aber nichts mit nachhaltiger Wirtschaft zu tun. Wer sauber, sozial und ökologisch wirtschaften will, muss dort produzieren, wo die Ware gebraucht wird, und eine regionale Wertschöpfungskette aufbauen.

Sie wollen allen Ernstes die gesamte Textilproduktion wieder nach Deutschland holen?

Trinkwalder: Das geht.

Im kleinen Stil vielleicht, aber im Großen?

Trinkwalder: Wir produzieren zig Millionen Teile im Jahr. Das ist doch nicht klein. Das ist aber sowieso keine Frage der Größe, sondern eine des Willens.

Wenn sie die Alternative zu Textilkonzernen wie H&M und Primark sein wollen, müssen Sie größer werden - werden Sie zum Beispiel eine eigene Ladenkette gründen?

Trinkwalder: Wir sind in den letzten vier Jahren von null auf 150 Mitarbeiter gewachsen. Das ist doch schon mal eine ordentliche Nummer. Vielleicht machen wir auch mal ein paar Läden auf.

Ihr Sortiment ist beschränkt. In Ihrem Online-Shop findet sich kein Herrenanzug.

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Trinkwalder: In unserem Werkverkauf bieten wir bereits hochwertige Anzüge an, aber unter öko-sozialen Bedingungen produziert. Und in zwei Monaten wird es die auch im Onlineshop geben, für bis zu 300 Euro.

Was kostet eine Jeans bei Ihnen?

Trinkwalder: Die Jeans kostet 79 Euro. Die kann sich jeder leisten, und sie ist komplett in Deutschland hergestellt.

Wie passt es zusammen, dass Sie Biobaumwolle aus Tansania und der Türkei holen, aber erklären, Ihre Produkte seien „radikal regional“.

Trinkwalder: Die Baumwolle wächst hierzulande nun mal nicht. Das ist aber auch das einzige. Der Hanf kommt aus Bayern, an den Feldern fahre ich zweimal im Jahr vorbei. Das Leder kommt aus Bayern. Das sind Abfälle aus zwei Schlachthöfen. Die Schurwolle kommt vom Schäfer, der drei Kilometer entfernt von unserer Fabrik 600 Schafe hat. Die Reißverschlüsse werden in der Nähe von Frankfurt gemacht, die Knöpfe im Schwäbischen und der Nähfaden kommt aus dem baden-württembergischen Dietenheim.

Jeder kauft ungefähr 60 Kleidungsstücke im Jahr, 30 davon werden kaum getragen. Wäre es nicht besser alte Kleider zu recyceln anstatt immer neue Stoffe zu verarbeiten?

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Trinkwalder: Jeder sollte nur kaufen, was er wirklich braucht! Wir machen bereits aus Jeans wieder Jeans. Das geht aber nur bei 100 Prozent Naturfaser. Sobald Elasthan mit in der Hose steckt – wie heute in nahezu jeder Jeans – funktioniert das nicht mehr. Dieses Plastik verstopft die Spinnmaschinen und lässt sich nicht mehr homogen färben.

Den Textilarbeiterinnen in Südostasien, wo das Gros der T-Shirts und Hosen gemacht wird, hilft das alles nicht. Wo sind die Grenzen ihres Konzepts?

Trinkwalder: Bei der Marktlogik und den Machtverhältnissen. In den heutigen Produktionsländern sind die Regierungen gefragt, Auflagen zu machen, und die Firmenchefs der Labels. Diese ziehen sofort weiter, wenn sie ihre Marge gefährdet sehen. Die erwarten mindestens 20 Prozent, während ich mit drei bis vier Prozent hinkomme. Da hilft auch das nach dem Einsturz der bengalischen Textilfabrik Rana Plaza ins Leben gerufene Textilbündnis nicht. Es macht keiner mit, weil es ihm an den Geldbeutel ginge.