Washington. In Denver im US-Staat Colorado beginnt am Dienstag der Prozess gegen den mutmaßlichen Kino-Amokläufer James Holmes. Der 27-Jährige soll im Juli 2012 bei einem Überfall auf eine Vorführung des neuesten “Batman“-Films zwölf Zuschauer erschossen und 58 weitere verletzt haben.

Erst Boston, jetzt Aurora. Mit der Auswahl der Geschworenen beginnt am Dienstag, 20. Januar, erneut ein spektakuläres Gerichtsverfahren, das Amerika auf Monate in Atem halten wird. In der Nähe von Denver im US-Bundesstaat Colorado muss sich James Eagan Holmes wegen mehrfachen Mordes und rund 160 weiterer Straftaten von Waffenmissbrauch bis zur Bedrohung von Sicherheitskräften verantworten. Der 27-jährige ehemalige Student der Neurowissenschaften soll am 20. Juli 2012 im Century 16-Multiplex-Kino im Vorort Aurora während der Vorstellung des neuen Batman-Filmes „The Dark Knight Rises“ mit Gasmaske und Schutzweste in einen Saal gestürmt sein und dort mit einem Sturmgewehr wahllos das Feuer eröffnet haben. Zwölf Menschen starben, über 60 wurden teilweise schwer verletzt.

Holmes hat die Taten gestanden, bisher nie erklärt, plädierte allerdings bereits kurz nach dem Massaker auf „nicht schuldig“. Seine Anwälte beschreiben ihn zur Tatzeit „als von akuten psychotischen Notständen gequält“. Kurzum: unzurechnungsfähig. Die Staatsanwaltschaft verlangt dagegen die Todesstrafe. Chefankläger George Brauchler sagt: „Gerechtigkeit bedeutet in diesem Fall den Tod.“ Holmes, ausweislich seiner Uni-Karriere im Bereich der Neurologie hochintelligent, sei akribisch vorgegangen und habe die Tat über Wochen sorgsam vorbereitet. Holmes hatte seine Wohnung mit Sprengladungen gespickt, damit Polizisten bei der Rekonstruierung des Verbrechens sterben. Außerdem hatte er in Kontaktbörsen im Internet vorher nach Frauen gesucht, die ihn später im Gefängnis besuchen.

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Für die Anklage ist das ein Schlüsselindiz für ihre These, dass „ihm die Folgen seines Amoklaufes vorher bekannt waren und er der Todesstrafe entgehen will, in dem er sich hinter einer behaupteten Geisteskrankheit versteckt.“ Sollte eine Jury ihn für unzurechnungsfähig erklären, landet Holmes für lange Zeit in einer geschlossenen psychiatrischen Anstalt. Allerdings könnte er, vermuten Rechtsexperten der Uni Denver, irgendwann freigelassen werden.

Holmes soll vor der Tat gesagt haben, dass er Menschen töten wolle

Für Angehörige wie Marcus Weaver, der seine Freundin Rebecca Wingo bei dem Blutbad verlor, ist allein die Vorstellung „unerträglich“. Er und andere verlangen Gerechtigkeit und sehen schwere Versäumnisse bei diversen Beteiligten in den Monaten vor der Tat. So soll Holmes im März 2012 gegenüber einem Mitstudenten gesagt haben, dass er „Menschen töte wolle“. Einen Monat vor dem Massaker fiel er durch eine wichtige Prüfung und drohte seinem Professor mit Vergeltung. Kurz darauf nahm ihn die Uni-Psychologin ins Gebet und unterrichtete vorsorglich die Campus-Polizei in Denver von einer möglichen Bedrohung. Allein, der Hinweis versickerte aus bisher nicht bekannten Gründen im Alltagsgeschäft. Vier Wochen später wurden Holmes‘ Gewaltphantasien, die in einem bis heute unter Verschluss gehaltenen Notizbuch dokumentiert sein sollen, blutige Realität.

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Das Verfahren, dem Richter Carlos Samour vorsitzt, wurde in der Vergangenheit mehrfach verschoben. Die Verteidigung machte Überlastung geltend, weil die Anklage mehrfach Tausende Dokumente freigab. Außerdem beanspruchte die intensive Begutachtung des Angeklagten durch verschiedene Psychiater mehrere Monate. Bis zur Beweisaufnahme und den ersten Kreuzverhören im Arapahoe County District Court in Centennial wird es voraussichtlich noch Monate dauern. Das Auswahlverfahren für Aurora ist noch anspruchsvoller als das in Boston, wo sich der noch lebende Attentäter auf den Boston-Marathon, Dschohar Zarnajew, verantworten muss. Richter Samour hat in einem ersten Schritt 9000 potenzielle Jury-Mitglieder vorladen lassen. Bis die geeigneten zwölf Geschworenen gefunden sind, so John Ingold von der „Denver Post“, wird es "vermutlich Juni werden". Mit einem Urteil wird nicht vor Frühjahr 2016 gerechnet.

Robert und Arlene Holmes, die aus San Diego stammenden Eltern des mutmaßlichen Mörders, haben erst vor wenigen Wochen die Öffentlichkeit gesucht und den Hinterbliebenen der Opfer ihre Anteilnahme versichert. Ihren Sohn sehen sie als kranken Menschen, der hinter verschlossene Türen gehört - aber nicht getötet. „Er ist kein Monster.“