Hamburg. . Sauereien im Gülle-Gürtel um Cloppenburg: Im Tatort “Der sanfte Tod“ tritt Kommissarin Maria Furtwängler am Sonntag gegen Heino Ferch an.

Das Thema ist clever gewählt – und auch der Sendetermin. Massenhafter Fleisch-Verzehr ist nicht nur zu einer Frage der Gesundheit geworden, sondern inzwischen auch zu einer Frage der Moral. Erst vor kurzem noch versuchten die Grünen, daraus politisches Kapital zu schlagen. So darf „Tatort“-Kommissarin Maria Furtwängler darauf hoffen, dass ihr Fall „Der sanfte Tod“ (ARD, Sonntag, 20.15 Uhr) auf riesiges Publikumsinteresse stößt.

Dabei kann die TV-Ermittlerin ohnehin auf einen Sympathie-Bonus setzen. Denn bisher war in ihren „Tatorten“ der beste Mann des LKA Niedersachen immer eine Frau: Charlotte Lindholm. Maria Furtwängler wird in dem Krimi von Alexander Adolph als unbestechliche Heldin inszeniert, die nur als alleinerziehende Mutter Schwächen offenbart. Doch Adolphs Drehbuch um Sauereien im Gülle-Gürtel rund um Cloppenburg legt nahe, dass derlei Nachlässigkeit verzeihlich ist, wenn der Gegner ein Schweinebaron mit besten Beziehungen zur Landesregierung und selbst zum LKA ist.

Grimme-Preisträger Adolph beweist mit Schweine-Krimi guten Riecher

Grimme-Preisträger Adolph besaß bei seinem Schweine-Krimi in doppelter Hinsicht einen guten Riecher für ein zugkräftiges Thema, denn es erregt nicht nur bundesweit die Gemüter, sondern kennzeichnet auch eine Entwicklung im Emsland, die dort so aktuell ist wie keine andere sonst. Nebenher kehrt der „Tatort“ damit wieder zu einer alten Stärke zurück: Er arbeitet eine regionale Besonderheit heraus, ohne deswegen provinziell zu wirken.

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Konsequenterweise verzichtet Episoden-Star Heino Ferch auf Gummistiefel und Cordhose. Vielmehr wirkt er wie ein ebenso smarter wie schmieriger Agrar-Unternehmer in feinem Zwirn, studiert und weltgewandt, ein Mann mit Hubschrauber-Landeplatz direkt auf seinem weitläufigen Anwesen.

Dass er seinen Sicherheitschef (Marko Dyrlich) in Anspielung auf den Kino-Klassiker „Der Pate“ „Clemenza“ nennt, provoziert Mafia-Vergleiche. Doch auch wenn Landmann ganz spezielle Vorstellungen von einem international arbeitenden Familien-Betrieb pflegt, kann Ferch als Schweine-Pate in keiner Szene Vergleichen mit dem dunklen Charme von Marlon Brando als Don Corleone standhalten. Auch wenn sich Landmann redlich müht, Lindholm so sehr bezirzen, dass sie nicht mehr herausfinden will, wer seinen Chauffeur erschoss und warum – Heino Ferch wirkt einfach zu nett, zu glatt für diesen Schurken, dem das Drehbuch nachsagt, Menschen lediglich zu benutzen, Tochter (Ricarda Zimmerer) und Neffe (Sebastian Weber) inklusive. Heino Ferch, der Knuddel-Pate.

Viel interessanter sind Nebenfiguren in diesem Film. Tatja Seibt, beispielsweise, hinterlässt als Landsmann machtbewusste Mutter mit schockgefrorener Ausstrahlung einen starken Eindruck. Sie vermittelt auf Anhieb, dass sie LKA-Ermittlerin Lindholm als Gegnerin, als Gefahr sieht.

Stark: Bibiana Beglau als überforderte Dorf-Polizistin

Ebenfalls stark ist Bibiana Beglau als überforderte Dorf-Polizistin, die als kurzfristig einbestellte Vertretung wie ein Bauerntrampel auftritt. Beglau verrät ihre Figur keineswegs. Vielmehr weckt sie als loyale, gutwillige Beamtin durchaus Sympathie.

Der Fall hält leider nicht, was er verspricht. Einer wirklichen Auseinandersetzung mit industrieller Landwirtschaft weicht der Film aus. Von tierischer Massenproduktion in qualvoller Enge ist nicht zu sehen. Stattdessen hat der Film Beißhemmung. Er weicht aus, indem er sich an Ausbeutung ausländischer Mitarbeiter und fragwürdigen Konservierungsmethoden abarbeitet. Trotz eines ordentlichen Finales bietet der Krimi kaum mehr als wollweiche Wohlfühl-Kritik. Er weder Fisch noch Fleisch.