Darmstadt. . Ein sensationeller Erfolg für die europäische Raumfahrt: Raumsonde „Philae“ steht auf der Oberfläche des Kometen und sendet erste Signale. Auch Bochumer Wissenschaftler sind beteiligt, doch die Landung verlief nicht ohne Pannen.

Angespannte Stille im Kontrollraum der Europäischen Weltraumagentur ESA in Darmstadt. Die Wissenschaftler starren auf die Bildschirme, checken erneut die Daten und warten auf das entscheidende Signal aus 500 Millionen Kilometern Entfernung. Glückt die riskante Landung von „Philae“, dem waschmaschinen-großen Hightech-Würfel, auf dem unwirtlichen Kometen „67P/Tschurjumow-Gerassimenko“, genannt „Tschuri“? Die Chancen stünden „fifty-fifty“, hatte der Ex-Astronaut und ESA-Direktor Thomas Reiter zuvor gesagt. Nur eine 50-Prozent-Chance?

Noch 20 Minuten, noch zehn, noch fünf. Paolo Ferri, Chef des ESA-Flugbetriebs, trommelt mit der Faust auf den Tisch und scheint es gar nicht zu bemerken. Stephan Ulamec, Projektleiter des Landegeräts „Philae“ bei der DLR, starrt schweigend auf den Monitor. Es gibt nur diesen einen Versuch.

Mit Harpunen festgekrallt

17.02 Uhr! Jetzt müsste das Signal auf den Bildschirmen als deutlich auszackende Kurve zu sehen sein. Und dann liegen sich die Forscher in den Armen, lachen, klopfen sich auf die Schulter. Überraschend pünktlich hat „Philae“ auf dem Kometen aufgesetzt. Wenn das kleine Landegerät senden kann, dann ist es offenbar unbeschadet gelandet.

Nach der Landung am Mittwochnachmittag dann Aufregung am Abend: Zwei Harpunen zum Festzurren von "Philae" auf "Tschuri" wurden nicht ausgelöst, eine Düse zum Aufdrücken des Labors auf dem Kometen funktionierte nicht. Die Verbindung riss zwischendurch ab. Es gab aber auch schon Daten, darunter Bilder von der Kometenoberfläche.

Kontrolleure haben am Donnerstagmorgen wieder Kontakt zu dem Landegerät "Philae" bekommen. Das teilte die Europäische Weltraumorganisation Esa mit. In der Nacht hatte es eine Zwangspause ergeben, da sich der Komet "67P/Tschurjumow-Gerassimenko" sowie die Raumsonde "Rosetta" in seiner Nähe bewegen. Das auf "Tschuri" sitzende Labor "Philae" kann somit nicht immer Kontakt zur Sonde haben, von der aus Signale zur Erde geschickt werden.

Die Astronomen feiern dennoch einen sensationellen Erfolg, einen Meilenstein in der europäischen Raumfahrt, der von manchen gar mit der Mondlandung von 1969 verglichen wird.

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Von Christopher Onkelbach

20 Jahre lang haben die Wissenschaftler diesen Moment vorbereitet. Seit zehn Jahren ist die Sonde „Rosetta“ mit dem Lander „Philae“ an Bord unterwegs und legte in seinem kurvenreichen Anflug 6,5 Milliarden Kilometer zurück. Doch in den entscheidenden Stunden vor der Landung konnten die Wissenschaftler nur warten und hoffen. Eine Steuerung der Sonde von der Erde aus ist wegen der langen Signallaufzeit von knapp einer halben Stunde nicht möglich. Sie mussten darauf vertrauen, dass alle Befehle und Programme wie geplant ablaufen und keine weiteren technischen Pannen den Lander aus der Bahn werfen würden.

Tuerste Mission der europäischen Raumfahrt

Nur wenige Stunden zuvor, in der Nacht zum Mittwoch, stand die mit 1,3 Milliarden Euro bislang teuerste Mission in der Geschichte der europäischen Raumfahrt auf der Kippe. Bei einer Prüfung stellte sich heraus, dass sich das sogenannte „Active Descent System“ nicht einschalten ließ. Das ist eine Bremsdüse an der Kopfseite des Landers, der den Würfel nach dem Aufsetzen gen Boden drücken soll.

Denn die Anziehungskraft des Kometen ist so gering, dass „Philae“ nach einem Aufprall wie ein Gummiball zurückgeschleudert werden könnte. Die ganze Nacht wurde über „Go“ oder „No-Go“ diskutiert. Dann aber entschieden sich die Forscher für grünes Licht, „wir werden Glück brauchen“, sagte Stephan Ulamec.

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„Philae“ wird verglühen

Nun kann „Philae“ mit der Arbeit beginnen. Spektrometer ergründen die Bestandteile des Kometen, Detektoren registrieren Staubteilchen und Gase. Ein Bohrer nimmt Bodenproben auf der Suche nach organischem Material. Auch Forscher der Ruhr-Universität Bochum sind an der Mission beteiligt. Sie entwarfen ein Radarsystem, um das Kometeninnere zu untersuchen und damit neue Erkenntnisse über die Urmaterie unseres 4,6 Milliarden Jahre alten Sonnensystems zu gewinnen.

Wie viel Zeit „Philae“ bleibt, weiß niemand genau. Staub könnte seine Solarpaneele bedecken und die Energieversorgung lahmlegen. Eine Gasfontäne könnte den Würfel ins All schleudern. Am Ende aber wird „Philae“ beim Ritt auf dem Kometen, der auf die Sonne zurast, den Hitzetod sterben. (mit dpa)

Das ist die Raumsonde Rosetta

Philae hat ein erstes Foto des Kometen gesendet.
Philae hat ein erstes Foto des Kometen gesendet. © Esa/Getty
Die Erleichterung war groß bei den Wissenschaftlern.
Die Erleichterung war groß bei den Wissenschaftlern. © Esa/Getty
Philae auf dem Weg zum Kometen.
Philae auf dem Weg zum Kometen. © Esa/Getty
Ein Selfie mit dem Kometen.
Ein Selfie mit dem Kometen. © Esa/dpa
Für einen Wissenschaftler ging die Arbeit an
Für einen Wissenschaftler ging die Arbeit an "Rosetta" sogar unter die Haut. © Esa/Getty
Das Landemodul
Das Landemodul "Philae" landete im Laufe des Mittwoches auf dem Kometen. © Esa/Getty
Die Oberfläche des Kometen ist zerklüftet, nicht überall kann eine Landung gelingen.
Die Oberfläche des Kometen ist zerklüftet, nicht überall kann eine Landung gelingen. © Esa/Getty
Die Esa hat sich einen Flecken ausgesucht, auf dem die Landung sanft gelingen und die Harpunen greifen sollen.
Die Esa hat sich einen Flecken ausgesucht, auf dem die Landung sanft gelingen und die Harpunen greifen sollen. © Esa/dpa
Koloss im Größenvergleich über Paris: Der Komet 67P/Tschurjumow-Gerasimenko hat mehrere Kilometer Durchmesser.
Koloss im Größenvergleich über Paris: Der Komet 67P/Tschurjumow-Gerasimenko hat mehrere Kilometer Durchmesser. © Esa/Getty
Ablauf der Landung des Landegeräts
Ablauf der Landung des Landegeräts "Philae" auf dem Kometen Tschurjumow-Gerassimenko nach dem Aussetzen durch die europäische Raumsonde "Rosetta". © dpa
Die geplante Flugbahn der Sonde um den Kometen.
Die geplante Flugbahn der Sonde um den Kometen. © Esa/Getty
Auf ihrem jahrelangen Flug hatte die Raumsonde sich mit Solarenergie versorgt.
Auf ihrem jahrelangen Flug hatte die Raumsonde sich mit Solarenergie versorgt. © dpa
So nah war Rosetta der Erde zuletzt 2007.
So nah war Rosetta der Erde zuletzt 2007. © AFP
Rosettas Weg führt am Mars vorbei...
Rosettas Weg führt am Mars vorbei... © AFP
...bis zum Kometen 67P/Tschurjumow-Gerasimenko. Die Grafik zeigt aber nicht die tatsächlichen Größenverhältnisse: Rosetta hat 32 Meter Spannweite, der Komet soll 4 km Durchmesser haben.
...bis zum Kometen 67P/Tschurjumow-Gerasimenko. Die Grafik zeigt aber nicht die tatsächlichen Größenverhältnisse: Rosetta hat 32 Meter Spannweite, der Komet soll 4 km Durchmesser haben. © AFP
So soll das Landemodul Philae auf dem Kometen aussehen. Es soll Proben nehmen, von denen die Forscher s0ich neue Erkenntnisse über die Entstehung des Universums erwarten.
So soll das Landemodul Philae auf dem Kometen aussehen. Es soll Proben nehmen, von denen die Forscher s0ich neue Erkenntnisse über die Entstehung des Universums erwarten. © AFP
Rosettas Weg wird von Journalisten und Mitarbeitern im Esa-Kontrollzentrum in Darmstadt verfolgt.
Rosettas Weg wird von Journalisten und Mitarbeitern im Esa-Kontrollzentrum in Darmstadt verfolgt. © dpa
...die Wissenschaftler nach Lösungen für unerwartet auftretende Fehler tüfteln können.
...die Wissenschaftler nach Lösungen für unerwartet auftretende Fehler tüfteln können. © dpa
Auch ein Modell des Minilabors steht den ESA-Leuten zur Verfügung.
Auch ein Modell des Minilabors steht den ESA-Leuten zur Verfügung. © dpa
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