Krefeld. .

Mönche haben eigene Riten. Stirbt ein Bruder, sammeln sie seine Habseligkeiten erst nach einmonatiger Trauerzeit ein. Meist gibt es wenig zu verteilen. Im Kloster Neresheim im schwäbischen Ostalbkreis ist das gerade anders. Dort fragen sie: Wie kommt ein frommer Benediktiner-Prior, der wegen seiner Mildtätigkeit mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet wurde, an 4,4 Millionen Euro?

Nicht nur die Benediktiner sind aufgeschreckt. Der Fund der über diese Summe ausgestellten Kontenbelege im Schlafzimmer-Schreibtisch des 2013 mit 77 Jahren an Krebs Verstorbenen ist brisant. Staatsanwälte und das nordrhein-westfälische Landeskriminalamt haben sich eingeschaltet. Sie gehen derzeit der Herkunft des Geldes nach.

„Keiner meiner Mitbrüder giert nach dem Vermögen“

Die Spur des Geldes führt ins schwäbische Aalen – vor allem aber an den Niederrhein zu Banken und zu einem Anwalt nach Krefeld. Der Jurist Walter Marcelli, 82, aus dem Stadtteil Uerdingen beansprucht einen Teil der Summe für sich. Abt Norbert Stoffels, der aus dem nahen Jülich stammte und dessen Vater der Lehrer von Marcellis Ehefrau war, hatte den Juristen mit einer Vollmacht für die Finanzgeschäfte ausgestattet.

„Weder war das Vermögen in der Buchführung des Klosters berücksichtigt noch war es der Klosterverwaltung, meinen Mitbrüdern oder mir bekannt“, beteuert Stoffels’ Nachfolger Pater Albert. Für den täglichen Bedarf und den Unterhalt des recht bekannten, renovierten Refugiums, einem Magneten für Touristen, ist nie ein Cent geflossen. „Keiner meiner Mitbrüder giert nach dem Vermögen“, sagt Pater Albert.

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Verdacht auf Geldwäsche

Doch sind Marcellis Ansprüche berechtigt? Der Anwalt ficht mit Pater Albert einen heftigen Streit vor südwestdeutschen Gerichten aus, weil der neue Prior vor der Herausgabe erst die genaue Herkunft geklärt haben will. Auch nicht sicher: was wirklich hinter den geheimnisvollen Millionen-Einnahmen in der Klosterzelle steckt.

Fahnder in NRW bestätigen, dass sie wegen des Verdachts auf Geldwäsche ermitteln. Schon die nachvollzogenen Kontenbewegungen weisen merkwürdige Zeitzusammenhänge auf. 2010 wurde das Krefelder Konto eröffnet, kurz nach der Einführung der Abgeltungssteuer auf Zinserträge. Gemeinnützige kirchliche Institutionen sind von der Steuer befreit. Diente die Kirche als Vehikel für ertragreiche illegale Einnahmen?

Bei den Ermittlern müssten die Alarmglocken läuten

Auffällig ist das Vertragskonstrukt, das den verstorbenen Abt Norbert mit dem Anwalt verband, ohne dass jemand anders im Kloster davon wusste: Ein „Benediktinerkloster Neresheim e.V.“ genannter Verein, der laut Marcelli ein „Sondervermögen Weinberg“ betreute – eben die bisher gefundenen, mit 4,4 Millionen Euro gefütterten Konten.

Bei Ermittlern müssen nach solchen Informationen die Alarmglocken läuten. Denn unerklärliche, hinter Klostermauern versteckte Großbeträge tauchen in der bundesrepublikanischen Geschichte nicht zum ersten Mal auf.

Erinnerungen an Spendenskandal

Vor fast 40 Jahren lösten die Finanzen des den Steyler Missionaren gehörenden Klosters St. Augustin bei Bonn den bisher größten Parteispendenskandal aus. Die großen Parteien, voran die CDU, hatten das fromme Institut als Geldwaschanlage genutzt, um politische Arbeit im In- und Ausland zu finanzieren. Top-Politiker wie Otto Graf Lambsdorff (FDP) gerieten ins Visier der Anklage.

Der Krefelder Anwalt streitet den Geldwäsche-Verdacht ab. Er sagt aber bisher auch nicht, wer den Sparverein genutzt, wer von ihm profitiert hat und wer der ursprüngliche Geldgeber war. Nur so viel: Es seien wohlhabende Stifter gewesen, die christlich orientierte Unternehmen fördern wollten. Das Kloster sei nur „einer von vielen Nutznießern“ gewesen, zitiert der „Spiegel“ den Advokaten. Das NRW-LKA leitete die Akten inzwischen an die Staatsanwaltschaft Krefeld weiter. Fortsetzung folgt.