Düsseldorf. Laschets Triumph gibt auch der unaufgeregten CDU-Kanzlerin Recht. Vom Schulz-Hype bleibt der SPD nur Enttäuschung. Und die FDP ist wieder da.
Superwahljahr, Teil 3 von 4: Beim letzten Stimmungstest vor der Bundestagswahl konnte Nordrhein-Westfalen am Sonntag über die Zukunft seiner rot-grünen Landesregierung entscheiden. Und ein Stück weit auch über die Ausgangsbasis für einen Machtwechsel im Bund hin zur SPD. Wie schon im Saarland und in Schleswig-Holstein ist das Ergebnis für den SPD-Hoffnungsträger Martin Schulz jedoch katastrophal. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) kann erneut einen Siegertypen feiern, den bis vor kurzem keiner auf dem Zettel hatte. Die FDP erinnert an große Zeiten der Zweistelligkeit. Die wichtigsten Erkenntnisse zur "kleinen Bundestagswahl" an Rhein und Ruhr:
Merkel-Bonus statt Schulz-Schub
Bis in den März stand die CDU-Chefin Merkel aus den eigenen Reihen unter Druck, angesichts des Schulz-Hypes bei der SPD doch endlich in den Wahlkampfmodus hochzuschalten. Dann kam Ende März der Sieg ihrer Vertrauten Annegret Kamp-Karrenbauer an der Saar, und schon herrschte konzentrierte Ruhe bei der Union. Seit dem Erfolg von CDU-Youngster Daniel Günther in Schleswig-Holstein ist klar: Aus dem Merkel-Malus ist ein Merkel-Bonus geworden - aus dem angeblichen Schulz-Schub dreimal ein Schuss in den Ofen. Das geht so weit, dass (freilich auch schwächelnde) SPD-Amtsinhaber wie Torsten Albig und Hannelore Kraft von krassen CDU-Außenseitern wie Günther und Armin Laschet gekippt werden. Merkel wird ihr großes Plus - enorme Erfahrung für unsichere Zeiten - bis zum 24. September noch oft ausspielen. Und ansonsten "Kurs halten", wie ihr Vertrauter Laschet am Abend prophezeite.
Herzkammerflimmern bei der SPD
Nordrhein-Westfalen wird oft als "Herzkammer der Sozialdemokratie" bezeichnet. In den vergangenen 50 Jahren hatte fast immer ein SPD-Regierungschef die Zügel in der Hand - das wird sich jetzt zum zweiten Mal nach dem Sieg von Jürgen Rüttgers (2005) ändern. Für die SPD ist das Wahldesaster von NRW-Regierungschefin Kraft - um im Bild zu bleiben - ein plötzlich auftretendes Kammerflimmern, eine höchst bedrohliche Herzrhythmusstörung. Denn die dritte Schlappe in Folge, das 0:3 für den Ex-Fußballer Schulz im eigenen Stammland, kann nur als Menetekel für die Bundestagswahl gewertet werden - auch wenn Kraft mit ihrem Rücktritt sogleich Druck vom Parteichef nehmen wollte. Der räumte am Abend spürbar ratlos ein: Dieser Sonntag sei "ein Tag, der sicher d azu beitragen wird, dass wir nachdenken müssen". Trotz allem: Wahlkampf könne er, versicherte Schulz.
Vier Monate Frust?
Dafür ist es zu früh, noch ist einiges möglich - man denke nur an den kometenhaften Aufstieg des Sozialliberalen Emmanuel Macron in Frankreich binnen Wochen. Der Politikwissenschaftler Karl-Rudolf Korte meinte, die SPD müsse "ab den nächsten Stunden" einen Neustart hinlegen - denn eigentlich werde doch bei Landtagswahlen kurz vor der Entscheidung im Bund die Kanzlerpartei abgestraft. Ein Problem bleibt der SPD-Zickzackkurs in der Koalitionsfrage: Rot-Rot im Saarland, Rot-Grün oder dann eben doch die Ampel in Schleswig-Holstein, zur Not auch große Koalition in NRW - wofür steht die Partei? Bundesweit liegt die SPD in Umfragen zehn Punkte hinter der Union und könnte bestenfalls wieder Juniorpartner in einer neuen "GroKo" werden. Ein schwacher Trost: Das SPD-Fiasko sage "noch lange nichts über den Ausgang der Bundestagswahl", meinen 73 Prozent der NRW-Wähler.
Liberale Startrampe hat funktioniert
Die seit 2013 nicht mehr im Bundestag sitzenden FDP hatte die glückliche Fügung des Wahlterminkalenders schnell erkannt - wonach nämlich ihre Zugpferde eine Erfolgsgeschichte mit Wirkung bis in den September schreiben konnten. Sowohl FDP-Vize Wolfgang Kubicki als auch Parteichef Christian Lindner haben geliefert - mit zweistelligen Ergebnissen in Kiel und Düsseldorf. Die in der außerparlamentarischen Opposition nach eigener Aussage "wettergegerbten" Liberalen sind wieder wer - auch als begehrte Bündnispartner. Im Bund hat die FDP-Spitze eine Ampel mit SPD und Grünen nicht ausgeschlossen, auch nicht "Jamaika" mit Union und Grünen. Lindner zieht nun gleich weiter in den Bundestagswahlkampf - selbst das wurde ihm vom NRW-Wähler nicht verübelt. Für das Land pocht er auf liberale Eigenständigkeit: "Eine schwarz-gelbe Mehrheit heißt aber nicht, dass es eine schwarz-gelbe Regierung gibt. Im Notfall machen wir Opposition."
Grüne im Industrieland verwelkt
Im Gegensatz zum Küstenland Schleswig-Holstein hatte die Öko-Partei in der Industrieregion an Rhein und Ruhr stets einen schweren Stand. Zudem waren zwei sehr unterschiedliche grüne Zugpferde am Start: in Kiel der klar für Umweltschutz stehende, lässige Gewinnertyp Robert Habeck, in Düsseldorf die zuletzt immer verkrampfter kämpfende Sylvia Löhrmann mit dem kontroversen Thema Schulpolitik. Den Grünen lasteten die NRW-Wähler die durchwachsene Bilanz der Koalition am Ende noch stärker an als Krafts SPD, ermittelte die Forschungsgruppe Wahlen. Nach der Schlappe vom Sonntag könnte die Orientierungslosigkeit bei den Grünen auch im Bund weiter zunehmen: Soll man auf Rot-Rot-Grün, eine Ampel oder Jamaika setzen? Und wie gut ist man mit den beiden Spitzenkandidaten Katrin Göring-Eckardt und Cem Özdemir aufgestellt? "Die Themen der Grünen sind nicht abgewählt worden", hofft Özdemir.
Wo es bei den möglichen Partner CDU und FDP haken könnte
Neue Lust am Wählen
Ein erfreulicher Trend: Die jahrelange Abwärtskurve bei der Wahlbeteiligung, sie war einmal. In Nordrhein-Westfalen wurden am Sonntag etwa 66 Prozent erreicht, rund sechs Punkte mehr als 2012. In Schleswig-Holstein waren es vor einer Woche 64,2 Prozent, vier Punkte mehr als 2012. Im Saarland gaben im März 69,7 Prozent der Wahlberechtigten ihre Stimme ab - rund acht Punkte mehr. Auch bei den fünf Wahlen des Vorjahres - Berlin, Mecklenburg-Vorpommern, Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz, Sachsen-Anhalt - stieg die Wahlbeteiligung. Als Grund gelten die Nichtwähler-Mobilisierung durch die AfD - und eine starke Gegenbewegung zum Rechtspopulismus.