Den Haag/Mainz. TV-Fahnder Rudi Cerne übernimmt mit seinem „Aktenzeichen XY“-Team den mysteriösen Fall einer unbekannten Toten – die Spuren sind dürftig.

An einem verregneten Julisonntag im Jahr 2004 spaziert ein Wanderer bei Den Haag an der Küste entlang. Es ist Nachmittag, am Abend treffen Griechenland und Portugal im Finale der Fußball-Europameisterschaft aufeinander. Doch die Vorfreude auf das Endspiel dürfte dem Spaziergänger vergangen sein, als er am Fuß einer Düne nahe dem Strandpfosten 93 eine Leiche findet. Eine Frau in kirschroten Lackschuhen, sie trägt keinen Ausweis bei sich. Wer war die mysteriöse Tote, und warum musste sie sterben? Die niederländische Polizei steht vor einem Rätsel.

Mehr als 20 Jahre später sind die Ermittler nicht viel weiter gekommen. Nun schaltet sich eine TV-Institution ein, die seit ihrer Premiere 1967 unzählige vertrackte Kriminalfälle aufklären konnte: Die ZDF-Sendung „Aktenzeichen XY“ wird den grausigen Finaltagsfund in der Ausgabe am Mittwoch (22. Januar, 20.15 Uhr) aufgreifen. Für die Polizei ist die öffentliche Fahndung im Live-TV die vielleicht letzte Chance, die Tote aus den Dünen endlich zu identifizieren. Erst im vergangenen Herbst hatte die auf ungeklärte Fälle spezialisierte niederländische Polizei-Einheit „Cold Case“ die Geschehnisse von damals neu aufgerollt. Doch die Untersuchung verlief einmal mehr im Sand.

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Fernsehzuschauer sollen also Licht ins Dunkel bringen. Es drängt sich die Frage auf: Ist das überhaupt realistisch? Allein in den Niederlanden warten mehr als 1700 ungeklärte Vermissten- und Todesfälle darauf, doch noch aufgeklärt zu werden. Nachgefragt bei einem, der es wissen muss: Moderator Rudi Cerne – ehemaliger Deutscher Meister im Eiskunstlauf und Olympia-Teilnehmer 1984 – kennt menschliche Abgründe. 2002 kam der Mann aus der Zechenstadt Wanne-Eickel zu „Aktenzeichen XY“. Seitdem ist er so etwas wie Deutschlands einflussreichster Verbrecherjäger.

Aktenzeichen XY... ungelöst
Ein Wanderer fand die tote Frau im Sand. Das Bild zeigt eine dokumentarische Szene aus dem ZDF-Einspielfilm. © ZDF und Saskia Pavek | Saskia Pavek

Der 66-Jährige räumt im Gespräch mit der NRZ ein, dass er es in seiner langen Karriere als TV-Fahnder schon mit weitaus einfacheren Taten zu tun hatte: „Der Fall ist tatsächlich komplex und diffizil.“ Dennoch gibt er sich überzeugt, das Rätsel zu lösen. „Ich bin auch bei solchen schier unlösbaren Fällen zuversichtlich und verweise gerne auf Tötungsdelikte, die vor langer Zeit verübt wurden und durch Hinweise von ,Aktenzeichen XY’-Zuschauern geklärt werden konnten“, so Cerne. Etwa „der sogenannte Karnevalsmord in der Kölner Innenstadt 1988“. 36 Jahre nach dem Tod einer 24-Jährigen brachte die ZDF-Sendung die Wende, das ist gar nicht lange her. Eine vergleichbare Sensation erhofft er sich am Mittwoch.

Holland-Fall ist Aufmacher bei „Aktenzeichen XY“

Das „Aktenzeichen“-Team hat die recht dürftigen Ermittlungsergebnisse studiert und die Ereignisse aus dem EM-Sommer mit Schauspielern nachgedreht. „Wir steigen mit dem Fall in die Sendung ein. Der Film zeigt in knapp zwölf Minuten, was sich zugetragen hat und was die Polizei bislang herausfinden konnte.“ Cerne spricht von Erkenntnissen „über die Kleidung der Toten. Ein Schal, ein Stirnband, die Hose: Alles deutsche Fabrikate. Und: Eine auffällige Uhr mit Katzensymbol. Zudem konnte bei der Leiche ein Schlüssel gefunden werden, der bei einer deutschen Firma hergestellt wurde. Es sollte mich wundern, wenn dazu niemand etwas sagen könnte“.

Die Frau, die laut Untersuchung 30 bis 50 Jahre alt war, hat womöglich im Ruhrgebiet gelebt. Besagter Schlüssel wurde in Bottrop angefertigt. Auch diese Spur hat die Polizei jedoch nicht allzu weit gebracht. Als Ermittler ihr nachspürten, stellten sie fest, dass die Verwaltung des Unternehmens, von dem der Schlüssel stammte, mittlerweile abgebrannt ist – und mit ihm Unterlagen, die Aufschluss darüber geben könnten, wem er gehörte. Eines von vielen rätselhaften Details, die die Dünenleiche zu einer der heikelsten Episoden in der „Aktenzeichen XY“-Historie machen.

Die Macher wollen den Showdino deutlich internationaler ausrichten. So arbeitet sie an einer Spezialausgabe, die sich mit deutschen Verbrechern im Ausland sowie mit ausländischen Tätern in Deutschland beschäftigen soll. Außerdem planen sie eine Schweizer Sonderfolge. Die Holland-Tote passt so gesehen gut ins neue Konzept. Warum, fragt Cerne, sollten aus den Niederlanden keine Hinweise eintrudeln? „Ich denke, es wird auf viele kleine Puzzleteile ankommen, die sich hoffentlich zu einem guten Gesamtbild zusammenfügen“, sagt er. „Irgendwer da draußen muss sie doch vermissen.“