Büssel. Die deutsche Exportstärke ist anderen Staaten ein Dorn im Auge. Denn: Deutschland erwirtschaftet seit 2006 einen Überschuss im Außenhandel, der inzwischen gegen EU-Grenzwerte verstößt. EU-Wirtschaftskommissar Olli Rehn hat die Bundesregierung zur Korrektur der Exportübermacht aufgefordert.

Es ist ein heikles Thema: Während Deutschland stolz auf seine Exportwirtschaft ist, sieht die EU-Kommission darin ein Problem für Europa. EU-Wirtschaftskommissar Olli Rehn forderte die Bundesregierung am Mittwoch in Brüssel zur Korrektur der deutschen Exportübermacht auf. Auf der Hut vor scharfen Reaktionen fügte er jedoch gleich hinzu, dass er sich viel mehr Länder mit einer Wettbewerbsfähig wie Deutschland wünsche.

Das Problem beschäftigt die EU schon lange. Die deutsche Wirtschaft erwirtschaftet seit 2006 einen so hohen Überschuss im Außenhandel, dass Deutschland inzwischen gegen EU-Grenzwerte verstößt. Im vergangenen Jahr erreichte das Plus sogar ein neues Rekordhoch.

Doch die deutsche Exportstärke ist anderen Staaten ein Dorn im Auge. Befürchtet werden Ungleichgewichte und negative Auswirkungen für die europäische Wirtschaft. Denn wenn Staaten ein Plus in der Exportbilanz verzeichnen, bedeutet dies für andere Staaten ein Defizit. Kritiker warnen zudem, der Konsum deutscher Güter im Ausland werde oft durch Schulden finanziert.

"Die Kuh, die man melken möchte, schlachtet man nicht"

Rehn leitete daher im vergangenen Herbst eine tiefergehende Untersuchung ein. Verstanden wurde dies von manchen in Deutschland als Versuch, die deutschen Exporte zu drosseln und das Land für seine Wettbewerbsfähigkeit zu bestrafen. "Die Kuh, die man melken möchte, schlachtet man nicht", empörte sich auch jetzt der CSU-Europapolitiker Markus Ferber.

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Denn Rehns Analyse ergibt, der Überschuss stelle ein wirtschaftliches Ungleichgewicht dar und Deutschland müsse durch eine gestärkte Binnennachfrage gegensteuern. Sein Rezept lautet: Investitionen zur Steigerung des Wachstums, Engpässe im Dienstleistungssektor durch mehr Wettbewerb beseitigen und durch ein größeres Angebot von Ganztagsschulen und Kinderbetreuung die im internationalen Vergleich geringe Beteiligung von Frauen am Arbeitsmarkt erhöhen.

"Niemand will Deutschland dafür kritisieren, eine starke Außenwirtschaft und Wettbewerbsfähigkeit zu haben", betonte der Finne. Am liebsten sei ihm, wenn alle EU-Staaten so gut aufgestellt seien wie Deutschland. "Aber gleichzeitig würden sowohl Deutschland als auch der Rest Europas von stärkeren Investitionen und einer gestärkten Binnennachfrage in Deutschland profitieren", bemüht sich Rehn, die Kritik an dem Musterschüler möglichst schonend zu verpacken.

Gabriel provoziert Kritik

"Die Wettbewerbsfähigkeit und damit auch die Exportstärke der deutschen Unternehmen sind ein Stützpfeiler für die gesamte europäische Wirtschaft", erklärte Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) offiziell. In einem internen Papier aus seinem Haus wird der "Süddeutschen Zeitung" vom Mittwoch zufolge aber eingeräumt, dass "exzessive und dauerhafte Ungleichgewichte" in den Handelsbilanzen einzelner europäischer Staaten "schädlich für die Stabilität der Eurozone" seien - das sind andere Töne als noch vor dem Regierungswechsel.

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Beim Koalitionspartner provoziert Gabriel damit allerdings heftige Kritik: "Das Bundeswirtschaftsministerium hat als Hauptaufgabe, unsere Wirtschaftskraft zu erhöhen und nicht durch ominöse Papiere Argumente für seine Schwächung zu liefern", reagierte der CDU-Wirtschaftsrat empört.

Von der Deutschen Industrie- und Handelskammer hingegen gibt es Applaus für den Rüffel aus Brüssel. "Gerade bei den Investitionen hinkt Deutschland hinterher", sagte Hauptgeschäftsführer Martin Wansleben. Das betreffe besonders öffentliche Ausgaben für die Infrastruktur. (afp)