Düsseldorf. Die Verbraucherzentrale NRW rät Fernsehnutzern davon ab, in nächster Zeit einen HD-Satelliten-Empfänger zu kaufen. Die Geräte könnten schon im Herbst veraltet sein. Grund: RTL und Vox hatten jüngst angekündigt, ab Herbst auch in HD-Qualität zu senden - allerdings verschlüsselt.
Die Verbraucherzentrale NRW rät Fernsehnutzern davon ab, in nächster Zeit einen HD-Satelliten-Empfänger zu kaufen. Geräte, die jetzt in den Läden stehen, könnten schon im Herbst nicht mehr aktuell sein, teilte die Zentrale mit. Grund: RTL und Vox hatten jüngst angekündigt, ab Herbst auch in HD-Qualität zu senden – allerdings verschlüsselt.
Handel hofft auf Leichtathletik-Weltmeisterschaft
„Beim Kauf aktueller HD-Receiver droht eine Fehl-Investition“, warnt Rolf Dahlmann, Experte für digitale Medien bei der Verbraucherzentrale NRW in Düsseldorf. Es geht um Geräte, die zwischen 300 und 500 Euro kosten. Dahlmann: „Im Moment gibt es nur Receiver auf dem Markt, mit denen man das zusätzliche HD-Programmangebot von RTL und Vox später nicht empfangen kann“.
Die Warnung zielt vor allem in Richtung Sportfreunde: Denn bei der Mitte August startenden Leichtathletik-Weltmeisterschaft in Berlin wollen die öffentlich-rechtlichen Sender ARD und ZDF ihre Bilder in hochauflösender HD-Qualität ausstrahlen. Dahlmann verweist auf die Fußballweltmeisterschaft 2006: „Die hat schon die Verbreitung der Flachbild-Fernseher entscheidend beflügelt.“
Für den Fachverband des deutschen Technik-Einzelhandels (HBVT) ist die Mahnung unbegründet: „Die Geräte, die der Handel bietet, sind zukunftssicher“, erklärt Geschäftsführer Willy Fischel auf Anfrage von DerWesten. Die Strategie der RTL-Gruppe mag er nicht kommentieren: „Der Handel ist nicht der Richter der Programmanbieter.“
"Die Geräte sind zukunftssicher"
Der Fachverband Consumer Electronics, Vereinigung der deutschen Gerätehersteller begrüßt den Schritt von RTL und Vox ausdrücklich: Sie bedienten sich einer Zugangstechnologie, die von der Industrie entwickelt wurde, damit Verbraucher die Programme sogar ohne zusätzliches Empfangsgerät empfangen könnten – vorausgesetzt man hat einen Flachbildfernseher mit integriertem HD-Sat-Empfänger und „CI-Plus“-Schacht als Datenschnittstelle, über die Sende-Daten im Fernseher entschlüsselt werden. RTL und Vox wollen ihre HD-Programme nämlich verschlüsselt verbreiten, wie bisher im Pay-TV üblich.
RTL hat seine Strategie auf Anfrage von DerWesten bestätigt. Andre Prahl, Mitglied der Geschäftsleitung CBC und verantwortlich für die Programmverbreitung der Mediengruppe RTL Deutschland, erklärt aber: „Wir setzen keine technischen Standards. Wir unterstützen technische Lösungen, die sicherstellen, dass der umfassende Schutz unserer Signale gewährleistet ist.“ Dies sei eben nur mit Receivern möglich, die die HD-Signale über eine „CI Plus“-Schnittstelle empfangen und nicht über die derzeit ausschließlich verbreiteten „CI Minus“-Schnittstellen. „Die Zuschauer“, rät Prahl, „sollten am besten in den Fachhandel gehen und sich dort beraten lassen.“
Die Absichtserklärung der Sender wird in der Branche als deutliches Zeichen interpretiert, dass RTL und Vox mit ihrem Einstieg ins HD-Fernsehen gleich die Basis legen wollen für ein Bezahl-Programm. „Sobald HD steht, wird es bei allen Sendern im Privat-TV auf Pay-TV hinauslaufen“, heißt es unter Insidern. Ausgenommen davon sind nur die gebühren finanzierten öffentlich-rechtlichen Programme. Deren Programmauftrag legt die frei empfangbare Verbreitung fest.
Technik-Handel sieht "riesiges Umrüstpotential"
HD-Fernsehen in Deutschland ist ein Millionen-Geschäft: Laut dem Brachenverband des Elektronikeinzelhandels standen 2008 in Deutschen Wohnzimmern bereits 12 Millionen HD-fähige Fernsehgeräte. Aber: Auch wenn auf einem TV-Gerät „HDready“ oder ähnliches steht – um hochauflösende Fernsehbilder tatsächlich sehen zu können, braucht man meist zusätzlich einen speziellen Empfänger – einen HD-Receiver.
Die Auswahl an Modellen auf dem Markt ist noch überschaubar. Nach Auskunft aus Herstellerkreisen sind bis dato etwa 400.000 HD-fähige Sat-Receiver in Deutschland verkauft worden. Der Fachverband des Elektronik-Einzelhandels sieht deshalb „ein riesiges Umrüst- und Umsatzpotential“ in 17,6 Millionen Haushalten, von denen etwa neun Millionen ihr Programm per Satellit empfangen.
In den bundesweit etwa 19.000 Elektronikläden und –Filialen will man dieses Geschäft nun endlich in die Gänge kommen sehen und hat daher im Mai einen Forderungskatalog an die TV-Sender und an Bundeswirtschaftsminister Theodor zu Guttenberg (CSU) übermittelt. Zentrale Forderung: Die Sender sollen so schnell wie möglich den HDTV-Regelbetrieb einführen. „Der Kunde hat ein Recht auf das technisch beste Fernsehen“, meint HBVT-Geschäftsführer Willy Fischel.
Olympia 2010 kommt mit brillianten Bildern
Die digitale Wende zu brillanteren Bildern ist unterdessen absehbar: ARD und ZDF wollen mit den Olympischen Winterspielen im Februar 2010 ihr Programm in HD-Qualität ausstrahlen. Die ARD will das vorerst auf große Sportereignisse und Spielfilme zur Hauptsendezeit beschränken. Das ZDF plant laut Brancheninformationen von Anfang an den Vollbetrieb. Im Jahr 2012 sollen die öffentlich-rechtlichen Programme dann nur noch in HD-Qualität zu empfangen sein und nicht mehr mit analogen Signalen. Bei beiden Sendern ist von jeweils 140 Millionen Euro Investitionssumme die Rede, weil nicht nur die Sendetechnik umgerüstet werden muss, sondern auch komplette Fernsehstudios bis hin zu neuen Anforderungen für Beleuchtung und Maske.
Ausgenommen vom Fernsehen in „High Definition“-Qualität ist nur die Verbreitung über Antenne. HD-Bilder über das digitale Antennenfernsehen, das vor etwa vier Jahren in Deutschland an den Start gegangen ist, sind bisher nicht vorgesehen. Wer schon jetzt HD-Programme im Fernsehen sucht, findet nur die Spartensendern Arte HD, Anixe HD und den Pay-TV-Anbieter Sky (ehemals Premiere).
RTL und Vox planen für ihre Programme ab Herbst erste Schritte in Richtung HD-Fernsehen. Zu weiteren Schritten haben sich die Sender bisher nicht geäußert. Auch die Sendergruppe Pro7/Sat.1 hat ihre Pläne noch nicht verkündet.
Unterdessen bietet die Verbraucherzentrale ab Montag kostenlose Infos in ihren Beratungsstellen zum Für und Wider von HD-Sat-Receivern. Auch online kann man die Kauf-Warnung abrufen.