Ärzte in Nordrhein-Westfalen melden jetzt einer Zentralstelle, welches Kind zur Vorsorgeuntersuchung erschienen ist. Ein wichtiger Schritt im Kampf gegen Verwahrlosung und Vernachlässigung. Denn dann werden schwerwiegende Probleme in Familien nicht erst durch traurige Schlagzeilen bekannt.

Lea-Sophie. Gestorben im Alter von fünf Jahren. Über Monate hinweg vernachlässigt. Laut Obduktionsergebnis verhungert und verdurstet. - Kevin. Gestorben im Alter von zwei Jahren. Misshandelt und verwahrlost. Die Polizei findet seine Leiche im Kühlschrank des Vaters.

Warum hat niemand was gemerkt?

Was sind das nur für Eltern, die ihre hilflosen Kinder vernachlässigen, sie misshandeln und verhungern lassen? Das ist vielleicht die erste Frage, die man sich angesichts der steten Regelmäßigkeit dieser Schlagzeilen stellt. Die zweite ist allerdings: Und warum hat es niemand gemerkt? Und diese Frage müssen wir uns selbst stellen.

Damit in Deutschland ein Kind völlig verwahrlost und verhungert, muss das Netzwerk versagen. Da schauen Nachbarn weg, Behördenmitarbeiter lassen sich vertrösten, Kindergärtnerinnen schweigen aus Unsicherheit, Verwandte möchten nichts mitbekommen haben. Es fehlen aufmerksame und mutige Menschen, die erste Anzeichen deuten können und im richtigen Moment eingreifen.

Das soziale Netzwerk hat Lücken

Aber wer kann schon mit Sicherheit sagen, ob er das Kind aus dem Nachbarhaus einfach nur zufällig ein paar Wochen nicht mehr gesehen hat - oder ob die Familie ernsthafte Schwierigkeiten hat? Wer will direkt das Jugendamt einschalten, nur weil die Tochter der besten Freundin schon wieder blaue Flecken hat? Fälle wie die von Kevin und Lea-Sophie beweisen, dass das soziale Netzwerk Lücken hat. Damit kein Kind hindurch fällt, benötigen wir ein sicheres System.

Noch in diesem Jahr sollen alle Kinderärzte in NRW der "Zentralen Stelle Gesunde Kindheit" im Landesinstitut für Gesundheit und Arbeit (LIGA) in Düsseldorf melden, welche Kinder bei der Vorsorgeuntersuchung waren. Die Daten werden mit dem Melderegister abgeglichen. Werden die Kinder auch nach einer Erinnerung nicht zum Arzt geschickt, greift das Jugendamt ein und besucht im Zweifelsfall die Familien.

Die Meldepflicht ist ein wichtiger Schritt im Kampf gegen Verwahrlosung. Denn Probleme in den Familien können so schon in den Anfängen erkannt, im besten Fall sogar gelöst werden - und werden nicht erst durch traurige Schlagzeilen bekannt.

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