Berlin. Die Rücktrittsankündigung von Bahnchef Hartmut Mehdorn ist parteiübergreifend mit Erleichterung aufgenommen worden. Politiker von CDU und SPD zollten Mehdorn ihren Respekt. Die Bahn-Gewerkschaften Transnet und GDBA begrüßten den Rücktritt als "logische Konsequenz aus der Schnüffelaffäre".
Die Rücktrittsankündigung von Bahnchef Hartmut Mehdorn ist parteiübergreifend mit Erleichterung aufgenommen worden. CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla sagte am Montag in Berlin, der Schritt von Mehdorn verdiene «Respekt». Mehdorn wende damit «öffentlichen Schaden von der Bahn ab». Gleichzeitig hob Pofalla hervor, dass Mehdorn Enormes für die Bahn geleistet habe. Es müsse nun geklärt werden, was bei der Bahn schiefgelaufen sei, betonte Pofalla mit Blick auf die Datenaffäre.
"Für die harte Sanierungsarbeit der letzten Jahre gebührt Herrn Mehdorn nachhaltige Anerkennung"
Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee hat «mit großem Respekt» das Rücktrittsangebot zur Kenntnis genommen. Der SPD-Politiker dankte Mehdorn dafür, dass er in den vergangenen Jahren die Bahn zu einem modernen Dienstleister gemacht hat. Dies sei eine «enorme Leistung» gewesen. Die Bundesregierung werde nun zügig und «in großem Einvernehmen» über eine Nachfolgeregelung entscheiden.
Auch Bundeswirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) erklärte: «Für die harte Sanierungsarbeit der letzten Jahre gebührt Herrn Mehdorn nachhaltige Anerkennung.»
Vizekanzler Frank-Walter Steinmeier würdigte Mehdorns Wirken in den zehn Jahren seiner Amtszeit: «Wir sollten jetzt nicht wegreden, was in mehr als zehn Jahren geschehen ist. Das sind Entwicklungen, die sich nicht nur in den Bilanzen zum Ausdruck bringen, sondern auch in der Qualität der Personenbeförderung, die viele ja auch nutzen», sagte der Außenminister.
Der FDP-Verkehrsexperte Horst Friedrich sieht im Ende der Ära Mehdorn die «große Chance», zu Zielen und Strategie der Bahnreform zurückzukehren. Der Bund muss wieder die Richtung der Bahnpolitik bestimmen und eine grundlegende Eigentümerstrategie für die Bahn AG festlegen. Auch müsse die Arbeit der Sonderermittler zur Datenaffäre konsequent fortgesetzt werden. Mit dem Rücktritt Mehdorns sei der Fall nicht erledigt. Es gab viele Beteiligte und Verantwortliche.
Linke-Fraktionschef Gregor Gysi nannte das Rücktrittsangebot «überfällig». Mehdorn habe versucht, aus der Bahn einen Geheimdienst zu machen und einen «riesigen» Schaden angerichtet. Wer seine Mitarbeiter jahrelang ausspionieren lasse, habe an der Spitze eines großen staatseigenen Betriebes nichts zu suchen. «Das Image der Bahn ist auf lange Zeit hin ramponiert», sagte Gysi in Berlin.
"Der Zug von Herrn Mehdorn ist abgefahren"
Grünen-Chefin Claudia Roth sagte: «Der Zug von Herrn Mehdorn ist abgefahren - zwar mit reichlich Verspätung, aber das sind wir ja gewohnt bei der Deutschen Bahn.» Mehdorn habe mehr und mehr in einer «absolutistischen Manier» regiert und «geglaubt, er könne sich über Recht und Gesetz hinwegsetzen». Ein guter Unternehmensabschluss rechtfertige nicht «illegale Praktiken» gegen die Mitarbeiter. Roth rügte auch die Bundesregierung. Sie habe mit ihrem «Lavieren und interessengeleiteten Taktieren» ein fatales Signal sowohl in die Mitarbeiterschaft der Bahn auch die Gesellschaft gesendet.
Die CSU brachte bereits einen möglichen Nachfolger ins Spiel. Ex-CSU-Chef Erwin Huber plädierte im «Münchner Merkur» für seinen Parteifreund Otto Wiesheu als Bahnchef. Wiesheu war bis Ende 2005 über mehrere Legislaturperioden Wirtschafts- und Verkehrsminister in Bayern und sitzt nun im Vorstand der Bahn.
Die Bahn-Gewerkschaften Transnet und GDBA haben den Rücktritt als «logische Konsequenz aus der Schnüffelaffäre» begrüßt. Die Gewerkschaften erwarteten nun von der Politik ein klares Bekenntnis, welchen Weg die Bahn künftig gehen soll, erklärten Transnet und GDBA. Sie erwarteten zudem ein «deutliches Bekenntnis» dazu, die Deutsche Bahn (DB) als einen Gesamtkonzern zu erhalten. Diese Fragen müssten geklärt werden, bevor ein Nachfolger für Mehdorn berufen werde. Die Gewerkschaften hatten bereits am Freitag nach Bekanntwerden neuer Vorwürfe in der Datenaffäre den Rücktritt Mehdorns gefordert.
Das Bahn-kritische Bündnis Bahn für Alle erklärte, mit dem Abgang Mehdorns sei nun die Bahn frei für eine am Gemeinwohl ausgerichtete Deutsche Bahn. Die Spitzelaffäre sei Teil des Bahn-Privatisierungskurses, den Mehdorn mit allen Mitteln durchzusetzen versucht habe. Der Bund als Eigentümer der Bahn müsse nun einen neuen Bahn-Vorstand einsetzen, der auf das öffentliche Interesse verpflichtet sei.
Die von Mehdorn am Montag präsentierten Gewinne seien «durch Steuergeld bezahlt», erklärte Bahn für Alle weiter. Solange die Bahn in öffentlicher Hand sei, möge dies in Ordnung sein - «keinesfalls aber, wenn die Gewinne in private Taschen fließen». Mehdorns Ziel sei eine «kleine, feine Korridorbahn» für Deutschland gewesen, er habe die Investitionen auf wenige Großprojekte der Hochgeschwindigkeit konzentriert. Die Bahn in der Fläche habe Mehdorn nie interessiert. (ddp/ap/afp)